Clara Hagen, Gastautorin / 06.09.2024 / 14:00 / Foto: KI / 39 / Seite ausdrucken

Artikeltyp:Meinung

Die Bruchlandung der Schönredner

Die Nachrichten des Tages lassen sich kurz zusammenfassen: Die Industrie ist im Sinkflug, die Bahn ist im Sinkflug, die Freiheit ist im Sinkflug, also fast das ganze Land ist im Sinkflug.

Jeden Morgen bei meiner Presseschau lese ich die Meldungen, die doch inzwischen auch immer deutlicher werden. Selbst Herr Blume bei VW kann „seinen“ Konzern nicht mehr schönreden. Vor ein paar Jahren, noch vor ein paar Wochen tröteten die selben Vertreter noch ins Horn der Schönredner, nun ist es wohl zu offensichtlich. Der Nachfolger von Herrn Weselsky spricht gleich mal von vier Jahren Schließung der deutschen Bahn, um die Missstände wieder aufzuarbeiten.

Bei all solchen Diskussionen im Kollegenkreis, im Freundeskreis habe ich es immer wieder gesagt, ich konnte mich schon selbst nicht mehr hören: Tauscht doch endlich diese sogenannten Führungskräfte wieder gegen Fachpersonal aus. Und in der Politik müsste man damit anfangen, denn meiner Meinung nach haben Betriebe und Institutionen es der Politik nachgemacht. Immer weniger Sachverstand auf immer höheren Posten.

Mir fallen da gleich mal die Mädels ein, die auf die Verteidungsministerposten gesetzt wurden. Mussten ja Mädels sein, logisch. Ein Freund von uns ist quasi so eine Art promovierter Brunnenbauer und lehrte in verschiedensten Teilen der Welt, nahm an Aufbau- und Forschungsprojekten teil und war gut im Geschäft. Jetzt werden da immer Frauen auf Stellen bevorzugt, die er sonst spielend bekommen hätte. Ich will ja gar nicht den Frauen die Kompetenzen absprechen, aber wenn man sich das Verhältnis in solchen Branchen anschaut – also mal ehrlich…

Ein Kinderbuchautor als Wirtschaftsminister?

Bei der Bahn ist es doch auch so. Früher wurde man bei der Bahn etwas, wenn man unten angefangen und eine Laufbahn erfolgreich absolviert hat, damit man den Laden versteht und eine Ahnung davon hat, was Stellwerker oder Lokführer aller Geschlechter zu sagen haben.

Wir hatten vor einiger Zeit im Schwarzwald eine kleine Panne und waren auf die Hilfe verschiedener Bahnmitarbeiter angewiesen. Meine erste Anlaufstelle war auf dem Bahnhof das Kundenzentrum, das gab es dort im Ort tatsächlich noch. Sogar gerade neu renoviert, umgebaut und mit neuem Chef. Nach anfänglichen Missverständnissen und einige Stunden später wurden die Dame am Schalter und ich noch Freundinnen und die plauderte, wie ich auch, aus dem Nähkästchen. Sie litt genauso wie ich unter dem heutigen Führungskräfteproblem. Ihr neuer Chef hat noch nie irgendeinen Posten bei der Bahn gehabt, geschweige denn fährt er selbst Bahn, versteht die Abläufe, Prozesse und die ganze Arbeit eigentlich nicht wirklich.

Seien wir doch ehrlich, so ist es doch in ganz vielen Bereichen und Branchen und vor allem in der Regierung. Ein Kinderbuchautor als Wirtschaftsminister? Ein Politologe als Finanzminister? Man könnte entgegenhalten Nancy ist Volljuristin als Innenministerin, tja… stimmt, aber…

Ich bin nicht der Meinung, dass beispielsweise ein Redakteur im Sportfernsehen sofort einen Redakteur im Klassikprogramm ersetzen könnte, meiner Meinung nach auch kein Regisseur im Sport wie in der Klassik. So ähnlich dürfte es auch bei der Bahn, in der Automobilbranche oder in der Medizin sein. Ich werde demnächst meinen Gynäkologen fragen, ob er mir auch den Blinddarm entfernen würde, wäre es plötzlich erforderlich. Ich denke, eher nicht.

Viele neue Führungsschichten

Doch in immer mehr Bereichen übernimmt in Führungsebenen die personifizierte Inkompetenz. Vor allem dort, wo der Staat mitmischt, ob im eigenen Apparat, bei abhängigen Unternehmen, in allen Firmen, die am Tropf von Subventionen und Fördermitteln hängen oder bei Vereinen und Verbänden, die glauben, auf das Wohlwollen politischer Entscheidungsträger angewiesen zu sein, ist es immer das selbe. Dieses Postengeschacher, wie ich es nach jeder Wahl beobachte, wie ich es ebenso im eigenen Arbeitsumfeld in einer Körperschaft des öffentlichen Rechts beobachtet habe, ist einfach nur widerlich und schadet der Sache. Klar, das gab es sicher schon immer, aber nicht in diesem Ausmaß wie heute und vor allem nicht so völlig offen und schamlos.

All die Speichellecker und Schönredner, die den Niedergang des Landes mit einem Dauerregen aus ideologisch wertvollen Textbausteinen begleiten, werden bestens bezahlt. Das könnte sich das Gemeinwesen sofort sparen. Ich werde wütend, wenn ich von diesen Bonizahlungen lese bei der Bahn, obwohl kaum ein Zug mehr pünktlich ist, dafür aber immer Verbindungen gleich ganz ausfallen. Stellwerke können nicht mehr rund um die Uhr besetzt werden, Brücken sind baufällig und das Netz ist voller Langsamfahrstellen, an denen der schlechte Zustand von Gleis oder Gleisbett keinen Normalbetrieb mehr zulassen.

Die Liste ist beliebig lang. Dafür könnte ich im Zug vegan essen, wenn der Speisewagen wirklich mit Personal besetzt ist und Kühlschrank sowie Mikrowelle funktionieren. Und ich fahre ja ach so grün, der Zugbegleiter dürfte auch einen Rock tragen und über den deutschen Bahnhöfen weht im „Pride month“ die Regenbogenfahne, falls sie für das Aufziehen einer Fahne baulich nicht zu marode sind. Dafür muss ein Vorstand ein Millionengehalt kassieren? Wetten, dass der Betrieb genau so oder sogar besser funktioniert, wenn der Posten einfach eingespart würde? Es ist irre, wie viele neue Führungsschichten bei jeder Umstrukturierung eingeführt werden, ohne die es in den meisten Fällen vorher besser funktioniert hat.

Ich sehne mich zurück in die Zeit, als die Infrastruktur noch intakt war, als das reibungslose Funktionieren aller Verkehrswege und eine preiswerte sowie sichere Energieversorgung in der Prioritätenliste der Verantwortungsträger noch weit oben standen. Ich will nicht, dass es weiter so geht wie jetzt, wo der als Fortschritt angepriesene Kurs zurück ins Mittelalter führt.

Wenn die Milliarden fehlen, dann ist ein Ausdünnen unvermeidlich, aber nicht das Kaputtsparen im Maschinenraum. Es gibt so viele hochbezahlte Spitzenkräfte auf der Brücke, die das Schiff weder steuern noch navigieren können, ja eigentlich nicht einmal wissen, wie alles funktioniert, damit es überhaupt fährt.

Beispielsweise beim gebührenfinanzierten Staatsvertragsfunk. Warum muss es dort für das Führungspersonal Vergütungen weit jenseits der Tarifverträge geben? Der Tarifvertrag gibt eigentlich genug Geld her. Wenn die alle eingespart würden, könnte ein herrliches Programm entstehen, auch, weil dann als Kollateralnutzen vielleicht jene an den Senderspitzen stehenden Tugendwächter verschwinden würden, die gegenwärtig jeden Zensor überflüssig machen.

Müssen wir Deutsche eigentlich immer erst die Bruchlandung vollenden, um danach vielleicht wieder neu zu starten? Sollten wir nicht vielleicht vorher versuchen, den Sturzflug zu beenden?

Clara Hagen, lebt und arbeitet in Leipzig. Das Pseudonym bräuchte sie nicht mehr, aber sie hat sich daran gewöhnt.  

Foto: KI

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Leserpost

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Andreas Bitz / 06.09.2024

Die beschriebenen Missstände bedürfen weiterer Quoten, in Verwaltungen, bei Veranstaltungen etc. nach Alter, Hautfarbe, Herkunft, 78 Geschlechter und LQBTIQ“:-, dann klappts, dass Ihnen zum Freibad, zur Kfz-Zulassung, zum Volksfest etc. der Zugang gewährt wird.

Rainer Nicolaisen / 06.09.2024

Hier möchte ich den Glauben an die (Fähigkeiten der) Juristen zerstören: Zu meiner Studienzeit vor über 50 Jahren studierten Jura, abgesehen von einigen wenigen , die am Recht ein echtes tiefes Interesse hatten, die 4-er Abiturienten, die woanders nicht unterkamen. Und das Studium? Vorlesungen wurden selten besucht, nur das allernötigste an Pflicht veranstaltungen absolviert für “die Scheine”, man verließ sich darauf, daß später der “Repetitor” das examensnötige Wissen einem schon reinbimsen würde. Das alles dürfte heutzutage kaum anders, eher noch schlechter sein. Und was einen “Dr.” angeht: Mein Betreuungsassistent (in der Chemie) ging mit dem Spruch um: “Die Zeit promoviert jeden.”. Also: Die übergroße Mehrheit der Juristen können Sie in der Pfeife rauchen—egal, wo sie gelandet sind. Nur leider sind das gar zu häufig die Schaltstellen der Macht.

Stefan Riedel / 06.09.2024

Es wird stündlich besser! “Vorwürfe im Gazakrieg, Setzt Israels Armee menschliche Schutzschilde ein? Stand: 06.09.2024 15:29 Uhr Palästinenser berichten, israelische Truppen hätten sie im Gazakrieg gezwungen, Armeeuniformen zu tragen und Gebiete zu erkunden, die den Soldaten selbst zu gefährlich sind. Hinweise darauf gibt es auch aus Reihen des Militärs., Ppropagadaschau.de”. Hamas-Propaganda (Palästinenser=Hamas berichten). frei Haus auf Betragszahler Kosten?

aaron Treppe / 06.09.2024

Die Situation der Wirtschaft ist viel schlimmer als in den Medien dargestellt, ich könnte sagen woher ich das weiss, gehe aber lieber kein Risiko ein. Nur soviel: in der Klimapolitik gibt es vermutlich keine Kipppunkte, in der wirtschaftlichen Entwicklung schon, da kommt gerade ein 40 Tonner Kieslasteer zum Stehen und der Bremsweg hat gerade erst begonnen. Diese dämlichen CEOs die ihre Strategien anscheinend mit ihren FFF begeisterten Töchtern besprechen, weil sonst Liebesentzug droht. Die PR Abteilungen sind das A und O,  Frauenquoten und arrogant vor sich her getragene moralisch einwandfreie Gesinnungen weit wichtiger als know how, wen interessiert schon Forschung und Entwicklung. Dass die Kinder mal für sich selber sorgen können wird nicht mal mehr gehofft, der Zug ist nach zwei Jahren Hausarrest und freitaglichem Todesangst einjagen endgültig abgefahren. Die Bricsstaaten stehen vor einer beispiellosen Industrialisierung, der Westen kann einpacken und ihm bleibt die Hochnäsigkeit und die Selbstkasteiung. Der Kapitalismus zieht weiter und verzichtet auch auf Demokratie und die westlichen Werte der Aufklärung, autoritäre Regime sind weit effektiver. Wir sind im Eimer, gottseidank wird sich das noch 20 Jahre hinziehen, dann bin ich nicht mehr und in ca. 250 Jahren ist die Menschheit eh am Ende, nicht schade drum, geben wir den Kaninchen die nächste Evolutionschance. Man könnte vieles davon verhindern oder abmildern aber nicht mit diesen arroganten Narren in den Führungsetagen und in der Politik. Von den Unis ganz zu schweigen. Noch vor 30 Jahren war der heutige Zustand völlig unvorstellbar, aber die Narren haben das Schifff übernommen und geben es nicht mehr her.

PALLA Manfred / 06.09.2024

. . . und “meinen” Hoffnungs-Schimmer habe Ich in “20-20” bereits wie folgt “formuliert” : - > WENN sich DER WESTEN in zehn Jahren noch als MUSEUMs-Dorf für Milliarden von TOURI-Asiaten erhalten kann, ist schon VIEL gewonnen < !!??!!  ;-)))

A. Ostrovsky / 06.09.2024

>>Müssen wir Deutsche eigentlich immer erst die Bruchlandung vollenden, um danach vielleicht wieder neu zu starten? Sollten wir nicht vielleicht vorher versuchen, den Sturzflug zu beenden?<< ## Ja, beendet doch mal. Ich bin raus.

Fred Burig / 06.09.2024

@Ralf.Michael.”...  habe ich dies Alles deutlich kommen sehen und mich kurz ntschlossen vom Acker gemacht. Und ich bereue auch Nichts, da ich sicher die richte Wahl getroffen habe.” .... DIE “richte Wahl” ... Klar doch! Wird sie auch keiner hier vermissen ..... und Heldensagen sehen ganz anders aus! ... MfG

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