Die betreute Tagesschau

Nachrichten schaut fast jeder mal, doch nicht jeder versteht sie. Die Tagesschau will das jetzt ändern und den Bürger aus seiner Unwissenheit befreien. Mit einem Programm in einfacher Sprache. Folgt da die Form dem Inhalt?

Die Tagesschau hat ein neues Angebot in petto. Am 12.06.2024 veröffentlichte sie erstmals ein Angebot in einfacher Sprache. Zielgruppe sind Menschen, die maximal auf Vierte-Klasse-Niveau lesen und schreiben können. Im Fernsehen wird die Sendung voraussichtlich von Montag bis Freitag jeweils 19 Uhr ausgestrahlt.

Die Tagesschau schreibt zu ihrer „eingeschränkten“ Zielgruppe: „Die Gründe dafür sind vielfältig: Diese Menschen lernen gerade erst Deutsch oder sie hatten nicht die Chance auf eine gute Bildung. Oder sie haben eine Hör-, Lese- oder Lernschwäche – oder eine Krankheit, wie etwa einen Schlaganfall.“ Also zu Deutsch: Auch diejenigen, die das intellektuelle Programm des Staatsvertragsfunks nicht verstehen, sollen an dessen unschätzbar wertvollen Beiträgen teilhaben können. Indoktrination muss schließlich inklusiv sein.

Die erste Gruppe, die Menschen, die Deutsch lernen, benötigen mit Sicherheit keine Tagesschau, um sich zu informieren. Es gibt im Netz genug Plattformen, auf denen man sich über die Tagespolitik in Kenntnis setzen kann – egal in welcher Sprache. Und wer sind Menschen, die „nicht die Chance auf eine gute Bildung“ hatten? Geht es um solche, die nach der 9. Klasse von der Schule abgegangen sind, um Schulabbrecher oder um Zugezogene, die gar keine Schulbildung genossen haben?

Wen interessiert schon die Lebensrealität seiner Zuschauer?

Menschen mit Hör-, Lese- und Lernschwächen sind ebenfalls eine fragwürdige Zielgruppe. Ich habe in meiner Ausbildung in einer Werkstatt für Menschen mit geistiger, seelischer Behinderung gearbeitet, die häufig obengenannte Schwächen zeigten. Diese Personengruppen haben meist andere Probleme als Probleme beim Verständnis der Tagespolitik. Soziale Isolation, Ängste und Einsamkeit waren häufigere Themen als die Frage, was Land X fordert oder Politiker A Politiker B vorwirft. Politische Konflikte verunsicherten diese Menschen eher, als dass sie sie aktiv interessierten.

Und zum Thema Schlaganfall und sonstige Erkrankungen: Auch diese Personen kämpfen um den Erhalt und vielleicht die Wiedererlangung ihrer Gesundheit. Neurologische Patienten, die ich behandelte, war es vorrangig wichtig, selbstständig aufzustehen, zu laufen, sich zu waschen, persönliche Angelegenheiten zu organisieren, die Liste kann ich ewig fortsetzen. Den eigenen Körper wieder zu spüren und zu kontrollieren, war für diese Patienten wesentlich wichtiger als Tagesnachrichten. Im Anamnesegespräch hat noch kein Patient geäußert, sich die Tagesschau ansehen zu wollen. Aber das ist den Machern egal. Wen interessiert schon die Lebensrealität seiner Zuschauer?

Susanne Holst, die mit Bob und Riesenbrille aussieht wie die nette, aber komplett verklemmte Lehrerin, die seit den 90er Jahren an derselben Grundschule unterrichtet, hatte die Ehre, das Programm zu eröffnen. Frau Holst ist im Übrigen neben ihrer Tätigkeit als Fernsehmoderatorin und Buchautorin auch Medizinjournalistin und Ärztin.

Falsche Inklusion

Die vier Nachrichten lauten: „Bundeswehr: Plan für junge Menschen“, „Falsche Väter: Regierung gegen Betrug“, „Schulen: Aktion gegen Hass auf Juden“ und „Elektro-Autos: China soll mehr Geld zahlen“. Bei solchen aufregenden Überschriften bekommt man doch richtig Lust, sich mit der Oma, die gerade einen Schlaganfall hatte, vor den Fernseher zu setzen und die nächsten sieben Minuten gebannt auf den Bildschirm zu starren. Meine Oma würde mir diesen Vorschlag vermutlich zu Recht übelnehmen.

In langsamer Sprache und mit ständigen Erklärungen werden die „Nachrichten“ präsentiert: „In Deutschland heißt das Militär Bundes-Wehr. Bei der Bundes-Wehr arbeiten Soldaten. Wenn es einen Angriff gibt, dann müssen die Soldaten kämpfen. Das ist Verteidigung …“

Ich erspare Ihnen den Rest. Ganz ehrlich: Die Sendung mit der Maus, die ich als Kind regelmäßig am Sonntag schauen durfte, hat mehr Niveau und präsentierte mehr Wissen als die Tagesschau, deren Zielgruppe trotz ihrer Einschränkung immer noch erwachsene Menschen sind, die als Nicht-Muttersprachler auch Sprachkurse belegen können. Dieses Programm fördert die Verdummung und das unselbstständige Denken seiner Zuschauer. Ist das vielleicht das eigentliche Ziel unter dem Deckmantel einer falschen Inklusion? Betreutes Gucken für den betreuten Bürger?

 

Marie Wiesner, geb. 1999 in Sachsen, ist gelernte Ergotherapeutin.

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Leserpost

netiquette:

A. Nölle / 15.06.2024

Vielleicht fällt im Zuge der Digitalisierung die Sprecherin noch der Rationalisierung durch ein deep fake von Elmar Gunsch zum Opfer??? Und vielleicht ist der nächste Übergriff auf die Informations- und Lernfreiheit schon geplant: das personalisierte Nachrichtenfernsehen: Hallo {Name des Mediennutzers}, darf ich dir noch ein bisschen erzählen, was heute so passiert ist? Mit Hilfe des social credit score und social media-Daten wird dann das individuelle Informationsangebot generiert… Nie war es wichtiger, gute Bücher zu haben!!!

Michael Woelki / 15.06.2024

Der Film „Idiocrazy“ wird immer mehr zur Realität…..

R. Krummel / 15.06.2024

Jetzt zünden die nächste Stufe der Arroganz und der ZWANGSGBÜHRENzahlerverachtung. Der Gedankengang der Typen kann nur folgender sein: “Guckt mal ihr kleinen Scheißer. Wir können euch täuschen, belügen, euch mit Gülle vollkippen, euch mit geistigen Auswurf überküblen, euch bespucken, beleidigen, euch erzählen daß ihr Insekten fressen sollt, euch ins Gesicht furzen und ihr könnt nichts dagegen tun. Ihr müßt die Kohle abdrücken. Wer es nicht tut, den bringen wir in den Knast. Ihr müßt blechen und wir können tun was wir wollen. Der Rundfunkstaatsvertrag interessiert uns einen Dreck, weil ihr sowieso nicht damit durchkommt, wenn ihr euch bei Zahlungsverweigerung darauf beruft.”  Und die Typen können sehr wohl früh morgens in den Spiegel schauen. Im Gegenteil. Die werden es mit einem breiten Grinsen tun, wenn sie daran denken, daß die Kohle kommt, egal was sie tun. Die ehrlichen, aufrichtigen und gewissenhaften sind dort schon lange heraus gedrängt worden. Der Verein muß zerschlagen werden.

Rainer Hanisch / 15.06.2024

Wenn Frau Holsten Medizinjournalistin und Ärztin ist, wundert es mich nicht, dass soviel Sch… zu medizinischen Themen veröffentlicht wird. Die Qualität der ärztlichen Betreuung ist ja auch nicht gerade die beste.

Rainer Hanisch / 15.06.2024

@Thomas Szabo: Ja, haben wir. Deshalb habe ich mir diesen Mist auch vor Jahrzehnten nicht angetan. Die beabsichtigte Verblödung hat aber vollständig gewirkt, leider auch im Osten.

A. Ostrovsky / 15.06.2024

Vielleicht sollte ich doch mal das Geheimnis lüften. Ich versuche seit langer Zeit, komplizierte Sachverhalte in “Leichter Sprache” zu vermitteln. Ich habe festgestellt, dass es immer und von Jedem als Provokation verstanden wird, der damit angesprochen wird. Ich finde das Konzept falsch, aber ich habe keine bessere Idee, weil es ja tatsächlich Leute gibt, die mit der leichten Sprache Probleme haben. Vielfach ist das Problem nicht der Sprecher, sondern der Hörer. Was soll man da machen? Noch leichter reden, und damit jeden vernunftbegabten Menschen beleidigen, (oder sich sogar von der Wahrheit entfernen und davon reden, z.B. dass ein Spurengas von 0,04% gar keinen Einfluss auf die Temperatur haben kann, weil es so wenig ist…) Oder soll man die Leichten Hörer weiter überfordern. Man kann nur aufgeben, aber das ist auch keine Lösung, weil die dann sofort denken, dass sie schon alles wissen. Und das ist noch tragischer. Wenn man noch weiter an die Bordkante heranrückt, wird es automatisch falsch. Und was wollen Sie machen, wenn es dann einige immer noch nicht begreifen und stattdessen laut ihre Botschaften zu verbreiten anfangen? Frühe Philosophen haben nachgedacht, ob es prinzipielle Erkenntnisschranken “der Menschheit” gibt. Das Problem: Das war leichte Sprache, weil sie niemanden konkret kränken wollten. Es geht vor allem immer und immer wieder um die Erkenntnisschranken des dummen Teils der Menschheit. Und dagegen kann man nur verlieren.

Karl Dreher / 15.06.2024

Nun - das beginnt in meinen Augen ja schon damit, daß das Personal des öffentlich-rechtlichen Rundfunks kaum noch intellektuelles Niveau (Nein: Nicht Nivea)aufweist (stattdessen : Parteibuch). Und dann kann man ja mit einer (verhältnismäßig) Kleinst-Zielgruppe umso (unverhältismäßig) vergrößert dargestellt, scheinbar auftrumpfen (versuchen). Aber schauen wir doch weiter: Es ist Fußballmeisterschaft ... da kann Politik doch unschwer nach dem Motto “Brot und Spiele” versuchen, den Wahlbürger zu täuschen. Dafür braucht es keine einfache Sprache - außer: die Abseitsregel; wie erklärt man sie in einfacher Sprache? Abseits ist, wenn der Schiedsrichter es pfeift?

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