Die Baummenschen leben nicht auf Bäumen, sie sind Bäume. Nur wenn sie noch ganz jung sind, lassen sich die Baummenschen verpflanzen und selbst dann ist es fraglich ob ihre Wurzeln in der neue Erde wachsen. Geht aber alles gut und der Baummensch hat seine Wurzeln entwickelt, die ihm nun Kraft und Halt geben, dann ist er eine imposante Erscheinung. Dort wo er steht, egal ob man ihn dort hin verpflanzt hat oder ob er von allein aus einem Samen keimte, ist er mit der Erde verwachsen. Er kennt die Winde und das Wetter, weiß welche Wasseradern seine Wurzeln benetzen, welche Engerlinge an ihnen nagen oder welche Kooperationen er mit beispielsweise Pilzgeflechten eingegangen ist.
Fürs Wohlergehen des Baummenschen ist am wichtigsten, was man nicht sieht, was unter der Erde, unter der Oberfläche ist. Stimmt dort irgendwas nicht, ist das Erdreich vielleicht zu locker oder zu fest, gibt es zu wenig oder zu viel Wasser, sind keine Pilzgeflechte vorhanden, so verkümmert er. Geht es aber seinen Wurzeln gut, so fühlt er sich wohl. Nicht minder wichtig ist ihm natürlich das Licht, das passende Klima, oder ob er seiner Art gemäß in den Bergen oder in der Ebene steht. Kurz, er ist mit seiner unmittelbaren Umgebung verbunden, kennt dort alles und kann seine Kraft und seinen Charakter nur dort entwickeln wo er hin gehört.
Auch Vogelmenschen mögen Baummenschen
Vogelmenschen wie ich, denen es als Alptraum erscheint fest mit der Erde verbunden zu sein, denen Wurzeln wie Ketten vorkommen, suchen dennoch gerne die Baummenschen auf, nehmen Platz im Geäst und erfreuen sich des Schattens und des Schutzes, bevor sie sich wieder in die Lüfte erheben und sich auf ihre Suche begeben. Im Frühjahr, dann wenn die Vogelmenschen ihre Jungen aufziehen, bitten sie die Baummenschen um Obdach. Ein Nest muss gebaut werden, der Baummensch beschützt es. Dieser freut sich dann über die Vogelmenschen, sie zwitschern und singen und ihm von der weiten Welt erzählen.
Nur manchmal ist dem Baummensch die Arroganz der Vogelmenschen zuviel. Die tun so, bloß weil sie schon so viel gesehen haben, als wüssten sie alles. Vor allem alles besser. Er kann nicht so singen wie sie, nur wenn der Wind weht, schafft er es ein wenig zu rauschen. Doch das verstehen die Vogelmenschen nicht. Selbstverliebt wie sie sind, hören sie nur auf ihr Gezwitscher. Dann wirft er seine Blätter ab, es ist seine Aufforderung an die Vogelmenschen zu verschwinden, sich einen neuen Platz zu suchen.
Kurz nur sind die Vogelmenschen irritiert, das Fernweh hatte sie sowieso schon wieder gepackt. Die Enge zwischen den Ästen wurde bedrückend, die Flügel zucken und wollen hoch in die Luft. Erst dann wenn sie wieder Schutz brauchen oder einen Platz zum ausruhen, dann erinnern sie sich an die Geborgenheit die die Baummenschen bieten.
Zuletzt von Quentin Quencher erschienen: »Deutschland in der Pubertät«