Die Katholische Kirche ist dabei, auch diese letzte, treue Klientel zu vergraulen: die Bauern. Grund ist ein Papier der Deutschen Bischofskonferenz zur Agrarpolitik, das auch von einem grünen Parteitag stammen könnte.
In den Städten ist für die Kirchen nichts mehr zu gewinnen, so sehr man auch bemüht ist, sich an den Zeitgeist anzupassen. Doch selbst auf dem Land, selbst im dereinst so streng christkatholischen und „ultramontanen“ Oberbayern, sind die schönen, zwiebeltürmigen Gotteshäuser nur noch spärlich besucht. Die Messingplaketten auf den Rückseiten der Kirchenbänke, auf denen die Namen jener verzeichnet waren, die hier über Jahrzehnte, wenn nicht Jahrhunderte ihren Stammplatz hatten, haben ihren Sinn verloren. War es früher selbstverständlich, dass Bauernfamilien eines Dorfes oder Städtchens allsonntags geschlossen zum Gottesdienst zogen, ist dies heute, wenn überhaupt, nur noch an hohen Festtagen üblich.
Trotzdem übernehmen auf dem Land immer noch viele Bäuerinnen und Bauern Ämter im Pfarrgemeinderat, nehmen seelsorgerische Aufgaben wahr, organisieren Gemeindefeste, schmücken Kirchen und Wegkreuze. Doch jetzt ist die Katholische Kirche dabei, auch diese letzte, treue Klientel zu vergraulen. Grund ist ein Expertenpapier der Deutschen Bischofskonferenz zur Agrarpolitik, welches gerade nicht nur in kirchennahen Medien – die Süddeutsche Zeitung spekulierte über das Ende einer „Heiligen Allianz“ – hohe Wellen schlägt. Es trägt den Titel „Ernährungssicherheit, Klimaschutz und Biodiversität. Perspektiven für die globale Landnutzung“ und könnte auch aus dem Hause von Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir (Grüne) stammen oder von einem grünen Parteitag verabschiedet worden sein.
Die Studie, erstellt unter Vorsitz des Wirtschaftsethikers Johannes Wallacher, Präsident der Jesuiten-„Hochschule für Philosophie“ in München und Stiftungsvorstand der Bayerischen Elite-Akademie, soll auf die Umwelt- und Klimaenzyklika „Laudato si“ von Papst Franziskus aufbauen und thematisiert vor allem die Auswirkungen der bäuerlichen Landnutzung auf Umwelt und Klima. Viele darin enthaltenen Analysen und Forderungen sind harter Tobak für Landwirte – eine neue Welle von Kirchaustritten wird die Folge sein.
„Die Bäuerinnen und Bauern sind maßlos enttäuscht und wütend“, sagte der Geschäftsführer des Bauernverbandes in den ostbayerischen Landkreisen Mühldorf und Altötting, Veit Hartsperger, dem Fachblatt Agrarheute. Sie wollten nun „wissen, wie man schnellstmöglich aus der Kirche austreten kann, weil man sich von einer Institution, die im Gegensatz zur restlichen Gesellschaft gerade in den bäuerlichen Familien immer einen sehr starken Rückhalt hatte, nicht verunglimpfen lassen möchte“. Und die Altöttinger Kreisbäuerin Gabriele Eberl verzichtete zusammen mit den Landfrauen darauf, wie sonst üblich die Erntekrone in der Kirche zu schmücken.
Um schlichtes Bauern-Bashing geht es gar nicht
Offenbar überrascht von dem Sturm bemühten sich die Kirchenoberen, die Forderungen der Studie und deren Relevanz zu relativieren. Mit den immergleichen Textbausteinen: Es handele sich nicht um ein offizielles Papier der Bischofskonferenz, sei nicht mit den Bischöfen abgestimmt, werde fehlinterpretiert, das Thema sei „gesamtgesellschaftlich“ anzugehen und so weiter. Am weitesten wagte sich der als eher konservativ geltende Regensburger Bischof Rudolf Vorderholzer aus der Deckung: „Ich wehre mich gegen die darin enthaltenen undifferenzierten Darstellungen von konventioneller und biologsicher Landwirtschaft. Schluss mit dem Bauern-Bashing.“
Doch um schlichtes Bauern-Bashing geht es gar nicht. Auch kann man der 75-seitigen Studie nicht vorwerfen, sie sei undifferenziert. Selbst die zwölf „Kernbotschaften“ des Papiers sind überaus sorgfältig formuliert. Hier wird das ganze Programm der grünen „Agrarwende“ exemplifiziert, verpackt als „globale Nutzungswende von Agrarflächen“ zum Schutz von Gemeingütern wie Böden, Klima und Biodiversität mit Reduzierung der Viehbestände, Extensivierungen, Gemeinwohlorientierung statt „Flächeneffizienz“. Staatlicher Regulierungs- und Förderpolitik soll dabei eine entscheidende Rolle zukommen.
Wer weiß, dass Bauern bei allem, was sich „Staat“ nennt, Flucht- oder Beißreflexe zeigen, kann die Sprengkraft der Studie erahnen. Dynamit steckt insbesondere in der Aussage, wonach etwa bei der Renaturierung von Auen zum Zwecke des Hochwasserschutzes und der Wiedervernässung von Mooren „im Einzelfall auch das Freiwilligkeitsprinzip der teilnehmenden Landbesitzer in Frage gestellt werden“ müsse. Soll heißen: Mehr Enteignungen wagen, um etwa, wie in Schleswig-Holstein großflächig geplant, ehemalige Moorflächen, heute als Viehweiden genutzt, wieder in Sümpfe zu verwandeln, um damit „Klimagase“ binden zu können.
Ein weiterer Hammer ist die von Klimaschützer-Seite schon lange erhobene Forderung, den gesamten Agrarsektor mit CO2-Bepreisungen und einer Stickstoffüberschussabgabe zu überziehen – inklusive CO2-Zentralbank und CO2-Grenzausgleich beim Handel mit Drittstaaten. Hier würden neue Bürokratiemonster geschaffen, die der ohnehin von EU-Seite völlig überregulierten Landwirtschaft endgültig die Luft zum Überleben nehmen und das Bauernsterben rapide beschleunigen würde.
Sinn einer CO2-Bepreisung ist insbesondere die Reduzierung der als „Klimakiller“ identifizierten Viehbestände. In einem Papier des dem Bundeslandwirtschaftsministerium unterstellten Thünen-Instituts dazu heißt es zu diesem Thema: „Bei der Wiederkäuerhaltung bliebe bis auf Weiteres nur die Möglichkeit, für die einzelnen Tierarten Pauschalwerte für die Emission je Tier anzusetzen und diese Werte zum Gegenstand der CO2-Bepreisung zu machen. Landwirt*innen (sic!) hätten dann einen Anreiz, die Tierhaltung zu reduzieren und Zertifikate an der Börse zu verkaufen.“ Eine solche Maßnahme würde viele Landwirte in den Ruin stürzen, die gerade auf Geheiß der EU teure, angeblich dem Tierwohl dienende Laufställe gebaut haben und ihre Viehbestände zur Finanzierung derselben ausgebaut haben. Ein möglicherweise gewalttätiger Proteststurm wie der der niederländischen Bauern im Jahre 2022 wäre programmiert.
Dass ausgerechnet die Katholische Kirche im Sinne einer „Planetary Health Diet“ (Kernbotschaft 11 und 12) „einzelne(n) Gruppen“ vorwirft, „zum Schutz ihrer Partikularinteressen bewusst ein verkürztes oder falsches Kultur- und Traditionsverständnis (zu) propagieren“, muss sich für die traditionsbewussten Bauern wie ein Tritt vors Schienbein anfühlen. Nicht zu vergessen „der Kampf gegen die populistische Vereinnahmung der kulturellen Dimension“, wie es in jesuitischer Verklausulierung heißt. Wasser auf die Mühlen der „Populisten“.
Georg Etscheit schreibt auch für www.aufgegessen.info, den von ihm mit gegründeten gastrosophischen Blog für freien Genuss.