René Zeyer, Gastautor / 05.11.2019 / 15:00 / Foto: Pixabay / 15 / Seite ausdrucken

Die Bank mit der Bodenhaftung

Sie macht sagenhafte Gewinne. Sie ist stabiler als das Matterhorn. Sie macht die Schweizer noch reicher, denn sie ist eine Volksbank. Dennoch knipst sie den Eidgenossen die Altersversorgung aus. Gespannt auf die Lösung? Ganz einfach, es handelt sich natürlich um die Schweizerische Nationalbank (SNB). Ja, ist das denn eine „normale“ Bank? Gemach, zuerst die Zahlen, bei denen jeder Euro-Gebeutelte grün und blau vor Neid werden muss.

Im Jahr 2019 hat die SNB in den ersten neun Monaten, wie sie gerade in typisch Schweizer Bescheidenheit in einer dürren Medienmitteilung bekannt gab, 46 Milliarden Euro Gewinn gemacht. Echt jetzt? Allerdings. Denn die SNB versucht seit längerer Zeit, ein Luxusproblem zu lösen. Sie meint, der Franken sei zu stark, beziehungsweise er dürfe nicht noch stärker werden.

Das kann man so sehen, ist aber falsch. Denn der Franken wird nicht stärker. Sondern der Euro und der US-Dollar ständig schwächer. Das ist keine Frage der Perspektive, sondern fundamental wichtig. Die Schweizer Währung bleibt einfach stabil, wie es sich für eine gute Währung gehört.

Ohne großes Tamtam gigantisch Geld verdient

Aber mit dem Versuch, den Franken nicht durch die Decke steigen zu lassen, hat die SNB sich ein Devisenpolster von inzwischen fast 1.000 Milliarden Fränkli angelegt. Aktien, Staatsschuldpapiere, Gold, alles vom Sichersten, was es heutzutage so gibt. Und weil die lediglich 800 Mitarbeiter der SNB weder in Privatjets rumfliegen, noch gewaltige Räder im Investmentbanking drehen, legen sie währschaft eine Milliarde nach der anderen auf den Gewinnberg namens Eigenkapital, der bald einmal die 200 Milliarden-Franken-Grenze sprengen dürfte.

Der Chef der SNB, Thomas Jordan, verdient im Jahr weniger als ein Zwanzigstel dessen, was seine Kollegen bei der UBS und der Credit Suisse verdienen. Die kassieren zusammen rund 26 Millionen Franken. Dafür, dass die Aktienkurse der einstmals stolzen Schweizer Großbanken im Keller dümpeln und nach der Buße vor der Buße ist. Jordan verdient skandalfrei etwas mehr als eine Million Euro im Jahr.

Dafür zeigt er nicht nur den beiden Schweizer Großbanken, wie man ohne großes Tamtam gigantisch Geld verdient. Sondern eigentlich allen Banken der Welt. Sicher, Jordan hat den Vorteil, dass er unbegrenzt Geld aus dem Nichts schaffen kann. Aber aus dem Nichts ist es dann auch wieder nicht, weil er ja Abnehmer dafür braucht.

Nun ist er tatsächlich in der beneidenswerten Situation, dass niemand bezweifelt, dass Schweizer Neugeld werthaltig und stabil ist. Sonst wäre die Schweiz ja nicht einer der größten Aktionäre bei Amazon, Google, Facebook und der größte Gläubiger deutscher Staatsschuldpapiere.

Das ist, mit Verlaub, Unsinn

Wie geht das eigentlich? Das ist für Deutsche nicht leicht zu verstehen. Die „Wirtschaftswoche“, immerhin ein Fachblatt, hat versucht, dieses Phänomen dem deutschen Leser zu erklären. Sie beginnt mit einem knackigen Vergleich: Die SNB sei „profitabler als Apple, aber nur 500 Millionen wert“, titelt das Blatt. Etwas konstruiert, aber im Kern richtig. Denn es ist tatsächlich so, dass die SNB nicht nur börsennotiert ist, sondern dort rund 500 Millionen Euro wert.

Was leicht absurd ist, angesichts eines Eigenkapitals von fast 200 Milliarden Euro. Aber auch die WiWo zeigt dann gleich im Artikel, was es bedeutet, unheimlich stark anzufangen und dann unheimlich stark nachzulassen. Sie behauptet nämlich, dass sich „78 Prozent der Aktien fest in öffentlicher Hand“ befänden. Wie sage ich’s dem versammelten Sachverstand eines stellvertretenden Chefredakteurs und einer „Geld-Spezialistin“: Das ist, mit Verlaub, Unsinn.

Mehr als die Hälfte der Aktien der SNB befinden sich in privater Hand. Wer nun meint, das sei ja unerhört, private Eigentümer können über das Schicksal einer Notenbank bestimmen, kennt die listigen Eidgenossen schlecht. Denn die Beteiligung von Privaten war ein typisch schweizerischer Kompromiss, als die Stimmbevölkerung Ende des vorletzten Jahrhunderts eine rein staatliche Notenbank abgelehnt hatte. Deshalb ist die SNB börsennotiert, deshalb können ihre Aktien von jedermann (und natürlich jederfrau) erworben werden.

Da aber das Stimmrecht pro privatem Aktionär, unabhängig von der Anzahl seiner Aktien, auf 100 gedeckelt ist, muss nicht befürchtet werden, dass die Privatinvestoren die Macht ergreifen könnten. Die öffentliche Hand, das sind in der Schweiz die Kantone und die staatlichen Kantonalbanken, behalten immer die Oberhand, ihre Aktien haben keine Stimmrechtsbeschränkung.

Kleine Stückelung, großer Wert

Bevor nun der rasch entschlossene Leser die Lektüre unterbricht und seinen Aktienhändler, so er einen hat, mit der Order betraut, so schnell wie möglich so viele SNB-Aktien wie möglich zu kaufen, einige Warnhinweise.

Zunächst einmal werden SNB-Aktien, ja überhaupt Schweizer Aktien, nicht an deutschen Börsen gehandelt. Das ist keine Schuld der Eidgenossen. Sondern die Eurokraten zu Brüssel hielten es für eine tolle Idee, die widerborstige Schweiz damit kujonieren zu wollen. Resultat: Die Schweizer Börsen verzeichnen nette Umsatzgewinne, die deutschen Börsen fluchen. Aber gut, man kann ja auch aus Deutschland heraus in Zürich eine Order geben.

Nun verhält es sich so, dass es seit Gründung der SNB haargenau 100.000 Aktien gibt. Die dümpelten fast 100 Jahre lang so still vor sich hin, schleppten sich dann langsam von 1.000 Franken auf 2.000 Franken pro Stück, um ab Ende 2016 zu explodieren und auf über 8.000 Franken hochzuzischen. Eine der Ursachen dafür ist, dass es sich um einen engen Markt handelt; kleine Stückelung, großer Wert.

Dann ist es so, was die SNB gesund von Privatbanken unterscheidet, dass sie selbst bestimmen kann, wie viel vom Gewinn sie ausschüttet. Das sind zurzeit maximal rund 2 Milliarden Euro pro Jahr. Dieser Gewinn geht aber an die Eidgenossenschaft und an die Kantone. Der Privataktionär kriegt pro Aktie maximal 15 Franken Dividende. Ist halt so.

Fröhlich Aktien verkaufen

Deshalb stimmt die WiWo in den auch in der Schweiz singenden Chor ein, dass dieses Papier auf den ersten Blick zwar attraktiv scheine, aber nur etwas für Spekulanten sei und zudem nur eine „müde“ Rendite abwerfe. Aber auch wenn die WiWo hier nachbetet, was in der Schweiz behauptet wird: Dadurch wird es nicht richtiger. Sondern bleibt falsch.

Aus ein paar naheliegenden Gründen. Die Privatbesitzer haben die Aktienmehrheit an der SNB, weil die öffentliche Hand in den letzten Jahren fröhlich Aktien verkauft hat. Wenn man also Schweizer Kantonen und Kantonalbanken nicht unterschieben will, sie seien üble Spekulanten, ist das schlichtweg Unsinn.

Dann sollte man sich im heutigen Null- und Negativzinsumfeld um eine sichere Dividende von 15 Franken auf ein atombombensicheres Papier nicht lustig machen. Wo gibt’s das sonst? Aber das sind ja nur Peanuts, wenn man den Aktienkurs der SNB genauer anschaut. Nehmen wir ihn seit Anfang dieses Jahres. Plus 36,14 Prozent. Die Besitzer von Aktien der Deutschen Bank müssen nun ganz stark sein: Im Jahresvergleich minus 30 Prozent.

Und wer den Mut hat, weiterzulesen: Wir sprechen bei der Deutschen Bank von einer Veränderung von rund 11 Euro auf knapp über 7 Euro. Bei der SNB sprechen wir von rund 4.000 Franken auf über 5.600 Franken. Trost für Deutsche mag darin liegen, dass es den Aktionären der UBS und der CS auch nicht besser geht.

An Negativzinsen dachte kein Mensch

Wer aber den falschen Tönen aus der Wirtschaftspresse in Deutschland und in der Schweiz nicht Gehör schenkt, hat dieses Jahr mit der SNB-Aktie einen Bombengewinn gemacht. Das ist wohl weltweit einmalig: 36 Prozent, die Anlage ist so sicher wie die Weiterexistenz der Welt, sollte es keinen Atomkrieg geben.

Also sind die Schweizer nur zu beneiden, sollte man den Druck erhöhen, dass sie endlich in die EU eintreten, damit man sie ausplündern kann? Nicht ganz, es gibt einen Punkt, bei dem der völlig unabhängige Jordan, und im Gegensatz zu EZB-Draghi und EZB-Lagarde ist er wirklich unabhängig, falsch liegt. Er meint, er müsse den Negativzins von ebenfalls Weltrekord hohen 0,75 Prozent aufrechterhalten. Weil er befürchtet, dass ohne diese Schranke der Franken durch die Decke ginge.

Das ist der Konjunktiv, der Indikativ ist: Damit unterhöhlt die eigene Notenbank die Schweizer Altersvorsorge, genauer die sogenannte zweite Säule, die wie die deutsche Betriebsrente auf der Auszahlung des angesparten Kapitals besteht. Und in diese Auszahlung ist natürlich eine normale Mindestverzinsung eingepreist; an Negativzinsen dachte noch vor wenigen Jahren kein Mensch.

Aber Kopf hoch!

Aber das sind tatsächlich Luxusprobleme der Schweizer, und um den deutschen Leser noch mehr ins Elend zu stürzen: Target 2-Schulden kennt die Schweiz auch nicht. Aber bevor es zu Amokläufen kommt, höre ich schon auf, die Vorteile auszumalen, die in einigen einfachen wirtschaftlichen Tatsachen bestehen: Eine eigene Währung ist besser als eine Gemeinschaftswährung ohne Gemeinschaft.

Klein, aber fein ist besser als groß, aber unkontrollierbar. Eine stabil starke Währung ist besser als eine schwindsüchtige. Eine positive Zahlungsbilanz ist besser als Exportmeisterschaften, die darin bestehen, den Export der eigenen Produkte zuerst mit Krediten beim Empfänger zu ermöglichen.

Aber Kopf hoch; wenn der Euro dann mal Geschichte ist, so wie die Lateinische Münzunion, an der übrigens auch die Schweiz teilnahm, und wenn Europa dann noch steht, geht es auch mit der Deutschen Bundesbank wieder aufwärts. Hoffentlich.

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Leserpost

netiquette:

Sabine Schönfelder / 05.11.2019

Sobald mein Butler vom Rosenschneiden aus dem Ostflügel meines Schlosses zurückkehrt, werde ich ihn anweisen meinen Broker zu benachrichtigen. Lohnt sich das, auf diesem hohen Niveau, jetzt noch einzusteigen?

Robert Loeffel, Bern / 05.11.2019

Was mich als Schweizer stört sind die immensen Euro Stütz-Einkäufe durch unsere Schweizer Nationalbank um den serbelnden Euro am Leben zu erhalten . Sprich den Abstand zwischen dem starken Franken und dem Euro im Sinkflug klein zu halten. Werfen wir diese Euro Milliarden morgen auf den Markt und die EU ist Geschichte, und die EU wird nicht mehr die Möglichkeit haben uns wie bei den Bilateralen Verträgen mit ihren absurden Forderungen zu drangsalieren.

Hans-Peter Dollhopf / 05.11.2019

Die Grünen werden es auch in der Schweiz schon noch richten.

Gunnar Holler / 05.11.2019

Nicht schon wieder Werbung für die Aktie der SNB! Den Aktionären steht laut Verfassung nichts zu außer 6% Dividende auf den Nennwert von 250 CHF. Alles andere würde sich das Schweizer Volk nicht bieten lassen. Z.B. daß ausländische Aktionäre sich die Devisen- und Goldbestände der Schweiz unter den Nagel reissen würden. Ich weiß es, denn als Aktionär der SNB habe ich mich informiert, und ich betrachte das Ding als reine Zockerei.

beat schaller / 05.11.2019

Seien Sie doch etwas nachsichtig Herr Zeyer, sie können doch die Dinge nicht so offen und direkt präsentieren. Ist doch undiplomatisch..Dafür könnten Sie mal etwas zur effektiven Steuerlast der Schweizer “Besserverdiener “sagen, eine die auch die direkte Bundessteuer, die Vermögenssteuer und die Eigenmietwerte als Minimum mit bewertet, so dass dann die echten Zahlen von 45% und mehr zu Tage treten und das bei Einkommen, die auch den gewaltig hohen Kosten der Schweiz entsprechen, z.B. Krankenkassenprämien, Wohnungsmieten, Lebensmittel etc. Das würde dann einiges auch wieder ins richtige Licht rücken. Zudem ist auch in CH die Staatsquote der grösste Wachstumsmarkt.  Und auch hier ist es so, dass der Staat nun mal nichts produziert, er verteilt und zwar nur das, was er nicht für sich selbst raus nimmt. So und nun danke für den guten Abrieb. b.schaller

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