Henryk M. Broder / 14.12.2018 / 14:00 / 20 / Seite ausdrucken

Die Bank für Sozialwirtschaft will es wissen

Die "Bank für Sozialwirtschaft" ist mit etwa 400 Mitarbeitern, einer Bilanzsumme von unter neun Milliarden Euro und 16 Standorten in der Bundesrepublik und einer Dependance in Brüssel eine der kleineren deutschen Banken, verglichen mit der Deutschen Bank (1,6 Billionen Euro Bilanzsumme, rund 100.000 Mitarbeiter) fast ein Familienunternehmen. Aber kein unwichtiges. 1923 gegründet, hat sich die BfS auf die Betreuung von "Unternehmen, Einrichtungen und Organisationen aus den Bereichen Gesundheit, Soziales (Senioren-, Behinderten-, Kinder- und Jugendhilfe)", so steht es bei Wikipedia, spezialisiert. Zu ihren Anteilseignern gehören die Caritas, das Diakonische Werk, die Arbeiterwohlfahrt, der Paritätische Wohlfahrtsverband, das Rote Kreuz und mit einem minimalen Anteil die Zentralwohlfahrtsstelle der Juden. 

Bis jetzt hat die BfS ein skandalfreies Dasein geführt, ohne öffentlich wahrgenommen zu werden. Seit kurzem aber braut sich über dem Untenehmen etwas zusammen, das seinen guten Ruf beschädigen könnte. Ausgangspunkt ist die an sich banale Tatsache, dass die Jüdischen Stimme für gerechten Frieden in Nahost e.V., eine Selbsthilfegruppe verdruckster Antisemiten, ein Konto bei der BfS unterhält.

Was soll’s, könnte man sagen, es dürfte nicht der einzige obskure Verein sein, der sein Geld nicht in der Mikrowelle versteckt. Durchaus nachvollziehbar argumentiert die Bank, es sei nicht ihre Aufgabe, die weltanschaulichen Positionen ihrer Kunden zu überprüfen. Andererseits gibt es Banken, die sich weigern, mit der AfD zusammenzuarbeiten oder  deutschen Anhängern eines revolutionären Kultes zu Diensten zu sein. 

Ein Gutachten soll es richten

Um den Verdacht auszuräumen, sie habe keine Berührungsängste gegenüber als Israelkritikern verkleideten Antisemiten, hat die BfS das gemacht, was jeder und jede in ihrer Lage auch gemacht hätte: Sie hat ein Gutachten in Auftrag gegeben, mit dem die "Positionierung der Jüdischen Stimme im Hinblick auf Antisemitismus" geklärt werden soll. So steht es in einem Schreiben der Bank an eine besorgte Bürgerin. 

Es steht aber auch noch mehr drin: "Dabei hat sie sich unter anderem von Herrn Dr. Felix Klein, dem Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung, beraten lassen. Inzwischen wurde Frau Dr. Juliane Wetzel, seit 1991 wiss. Mitarbeiterin am Zentrum für Antisemitismusforschung der TU Berlin, beauftragt, zu prüfen, ob die Jüdische Stimme für einen gerechten Frieden in Nahost e.V. als antisemitisch einzustufen ist."

Sie haben sich nicht verlesen. Dr. Felix Klein, der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, berät eine Bank dahingehend, wer als Gutachter über eine offenbar strittige Frage taugen würde. Das ist etwa so, als würde man beim Max-Planck-Institut für Biochemie anfragen, ob dort jemand bekannt wäre, der einen Haufen Hundescheiße auf seine Zusammensetzung hin analysieren könnte.

Im Falle der Jüdischen Stimme ist man dann auf Frau Dr. Juliane Wetzel, seit 1991 wiss. Mitarbeiterin am Zentrum für Antisemitismusforschung der TU Berlin, verfallen.

Es gibt keinen muslimischen Antisemitismus

Völlig unabhängig davon, wie lange Frau Dr. Wetzel am ZfA ihrer Verrentung entgegen dämmert, seit 1991 oder erst seit der Berufung von Felix Klein zum Antisemitismusbeauftragten der Bundesregierung, als Fachfrau für Antisemitismus hat sie sich spätestens mit einem Interview disqualifiziert, in dem sie allen Ernstes behauptete, es gebe „keinen muslimischen Antisemitismus“, sondern nur „einen Antisemitismus unter Muslimen“, das seien aber nur „Einzelfälle“, und das wiederum habe etwas „mit der medialen Aufmerksamkeit auf diesen Fällen“ zu tun. 

Und nun soll Frau Dr. Juliane Wetzel die Jüdische Stimme auf deren Antisemitismusanfälligkeit hin untersuchen. Logischerweise müsste erst einmal geklärt werden, wie "jüdisch" die Jüdische Stimme ist und woran man das erkennt. An den Schläfenlocken? An den großen Nasen? Daran, dass die Mitglieder und Mitgliederinnen der Gruppe mit den Händen reden, während sie zugleich nach den Geldscheinen greifen, die es vom Himmel regnet? 

Die Homepage der Jüdischen Stimme gibt darüber jedenfalls keine Auskunft. Es gibt dort nicht einmal einen Verantwortlichen im Sinne des Presserechts. Als Adresse – oder besser gesagt: Unterschlupf – wird das "Haus der Demokratie und Menschenrechte c/o Internationale Liga für Menschenrechte e.V." in der Greifwalder Straße, Berlin, Hauptstadt der DDR, angegeben, in dem so bedeutende Massenorganisationen wie die Ingenieure ohne Grenzen, der Nichtraucherbund Berlin-Brandenburg e.V. und die Irrenoffensive ihre Hauptquartiere eingerichtet haben. Und damit das Kulturelle nicht zu kurz kommt, finden im Haus der Demokratie auch literarische Darbietungen statt. Morgen zum Beispiel lesen dort Autoren ohne Auto aus ihren Werken. 

Also, nichts wie hin. Aber bitte nur mit öffentlichen Verkehrsmitteln.

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Michael Lorenz / 14.12.2018

“... es gebe „keinen muslimischen Antisemitismus“, sondern nur „einen Antisemitismus unter Muslimen“ ...” - zugegeben: um diese feine Differenzierung auch wirklich verstehen zu können, muss man schon in den 70igern mit Monty Python aufgewachsen sein: seit “Leben des Brian” wissen wir doch: die “Judäische Volksfront” kannst du total vergessen, natürlich geht nur die “Volksfront von Judäa”! (Oder war es umgekehrt ...?)

Karla Kuhn / 14.12.2018

“Das ist etwa so, als würde man beim Max Planck Institut für Biochemie anfragen, ob dort jemand bekannt wäre, der einen Haufen Hundescheiße auf seine Zusammensetzung hin analysieren könnte.”  Ich glaube bei so vielen"elitären” Denker/innen kann man nur noch mit der “Keule” antworten.  Es wird gedreht und gewendet auf Teufel komm raus, es fehlt nur noch die Aussage die “Einzelfälle und die Einmannfälle ”  sind “Einzelfälle. ”  Millionen Menschen waren - für mich gewollt- während der Nazizeit blind und haben hinterher erstaunt gefragt, WIE konnte das bloß passieren.  Daß heute wieder über “Einzelfälle” diskutiert wird, ist- für ich- an Chuzpe kaum noch zu überbieten.  “Morgen zum Beispiel lesen dort Autoren ohne Auto aus ihren Werken. Also, nichts wie hin. Aber bitte, nur mit öffentlichen Verkehrsmitteln.” Wir sind vor lachen schon unter den Tisch gerutscht. ”  Hat man denen den Führerschein entzogen ? Mir fällt gerade der Spruch über die Dummheit von Tucholsky ein. Herrlich. Nicht nur Frankreich scheint verloren, für Deutschland, besonders Berlin, würde ich keine Wette mehr abschließen.

Robert Jankowski / 14.12.2018

Wäre es nicht sinnvoller gewesen, wenn man das Gutachten an Frau Chebli gegeben hätte? Die hätte das Geld dann für eine weitere Rolex ausgeben können. Was Gutachten angeht: ein ergebnisoffenes wird Niemand finanzieren. Also ist doch klar, dass bereits mit Auswahl des Gutachters klar ist, was in dem Gutachten stehen soll.

Waldemar Kiefer / 14.12.2018

Nur eine Frage: Herr Boder, wie halten Sie das nur aus?

Daniel Gildenhorn / 14.12.2018

...ah verstehe! Der Job von Dr. Klein besteht darin, an regierungskonforme Gutachter zu verweisen, damit bloß kein echtes Gutachten angefertigt wird. Das hätte man sich aber auch sparen können. Da wimmelt es nur von Spezialisten. Angefangen bei Fr. Özoguz über den Herrn Mazyek und schlußendlich ankommend bei Der Fachfrau schlechthin, dem berliner Reh ...na, Sie wissen ja schon, wen ich meine. Nur eine Frage bleibt bei mir unbeantwortet: Wie schläft Herr Dr. Klein? Keine Alpträume und so was? Dann ist ja gut!

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