Burkhard Müller-Ullrich / 20.10.2017 / 10:52 / Foto: NATO / 12 / Seite ausdrucken

Die Bahncard-Abo-Abzockfalle

Ich habe ein relativ großes Herz für die Eisenbahn, sogar die deutsche. Als lebenslanger Vielfahrer habe ich vielleicht noch nicht alles, aber relativ viel erlebt: Züge, die am planmäßigen Haltebahnhof einfach durchfuhren, weil der Lokführer verpennt hatte zu bremsen; Züge, deren vorderer Teil abfuhr, während der hintere stehenblieb, weil er nicht angekuppelt war; überhitzte Züge, überfüllte Züge und Personal, das eindeutig nach Psychiatrie aussah. Von manchen Mitreisenden ganz zu schweigen.

Ich habe mir dann oft gesagt: so ist das Leben, so ist unsere Gesellschaft, und so ist das mit einem dermaßen gigantischen technischen System: das kann gar nicht glatt laufen; es ist ein eindrucksvolles Wunder, daß die Züge überhaupt fahren und daß nicht ständig etwas Schlimmes passiert. Selbst das Kontrollieren der Fahrkarten scheint einigermaßen zu funktionieren, wenngleich ich glaube, daß viele Kontrolleure nur so tun, wenn sie mit ihrer Scannerbox auf mein Handy mit dem viereckigen Feld aus digitalem Vogeldreck zielen.

Ich habe mir auch wieder eine BahnCard zugelegt, und von der soll jetzt die Rede sein. Denn das Häßliche und Gemeine, das die Bahn auch sein kann, findet sich in dieser Rabattkarte verkörpert. Sie ist ja nicht billig, außer wenn sie billig ist. So bekommt man eine 25-Prozent-Karte zur Zeit entweder für 50 Euro oder für 125 Euro (1. Klasse). Beide Preise werden auf der Webseite der Bahn beworben; man kann sich aussuchen, wo man klickt und eventuell 75 Euro verliert; es gibt nämlich außer dem Preis wirklich keinen Unterschied.

In beiden Fällen hat man allerding ein Abonnement am Hals. Das verlängert sich nach einem Jahr automatisch zum dann gültigen Tarif, sofern man nicht sechs Wochen vorher kündigt. Sechs Wochen! Warum nicht sechzehn Wochen? Doch nicht etwa aus Kundenfreundlichkeit? Wer es im Jahr 2017 noch nötig hat, seine Kunden mit exorbitant irren Kündigungsfristen aufs Kreuz zu legen, ist eigentlich zu bedauern, denn er wird in absehbarer Zeit vom Markt verschwinden – falls es einen Markt gibt. Bei der Deutschen Bahn ist das nicht der Fall. Sie kann sich alles leisten.

Die Bahn als Drückerrkolonne

Und so pflegt dieses Monopolunternehmen eine Abo-Trickserei wie die schäbigsten Zeitschriftenverkäufer an der Wohnungstür. Bei der Bestellung der BahnCard wird man genötigt, alle möglichen Wege der Erreichbarkeit anzugeben: Straßenanschrift, E-Mail-Adresse, Telefonnummer. Die Bahn kann also kommunizieren, wenn sie will. So schickt sie einem alle möglichen Werbebotschaften ins Haus, bloß nicht einen Hinweis wie: „Nächste Woche verlängert sich Ihre BahnCard um ein Jahr. Wenn Sie kündigen wollen, dann tun Sie es bald!“

Die Server der Bahn surren tagein, tagaus; sie erfassen unendlich viele Kundendaten; im Hintergrund läuft das Kundenbindungsprogramm ‚bahn.bonus‘, das unsere Lebensgewohnheiten von der Automiete bis zur Hotelübernachtung registriert und analysiert; in der Bahn-App erscheinen sogar ziemlich korrekte Verspätungsmeldungen für fast jeden Zug, der unterwegs ist.

Da ist es technisch natürlich gar kein Problem, die Kunden automatisch an einen bevorstehenden Kündigungstermin zu erinnern. Bei der schweizerischen SBB ist das eine Selbstverständlichkeit. Daß man es bei uns nicht tut, zeigt, welche Niedertracht hier im Spiel ist. Das Management der Deutschen Bahn AG ist einfach böswillig.

Statt sechs Wochen vorher habe ich fünf Wochen vorher gekündigt und bekam diese Antwort: „Ihrem Wunschtermin können wir leider nicht entsprechen: Eine Kündigung ist nur mit einer Frist von 6 Wochen zum Gültigkeitsende möglich. Wir bitten dafür um Verständnis. Wir bestätigen daher die Kündigung zum 19.11.2018.“

Ich hasse diese niedrige Abzockermentalität bei jedem Geschäftspartner. Ich hasse Sie besonders bei einem Staatsbetrieb. Deutsche Bahn, ich hasse dich. Ich bitte dafür um Verständnis.

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Leserpost

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mike loewe / 20.10.2017

Vielen Dank für diese Erinnerung, die Bahncard zu kündigen! Das wollte ich schon seit Jahren, aber immer wenn die Rechnung kam war es wieder mal zu spät dafür. Jetzt ist ein guter Zeitpunkt!

Karsten Dörre / 20.10.2017

Hinweis aus dem Vertragswesen: schliesst wer einen Vertrag ab, hat er die Vertragsbedingungen akzeptiert und ist selbst für seinen Teil des Vertrages verantwortlich. Wer Verträge nicht selbst händeln und Vertragsbedingungen nicht lesen bzw. nicht verstehen kann, muss sich einen Berufsbetreuer bestellen, der dies für die Person regelt. Ich selbst habe zwei Jahre nacheinander verschlafen rechtzeitig meine Bahncard zu kündigen. Mein Verschlafen habe ich der DB zu keiner Zeit angelastet. Und was den Vielvölkerstaat Schweiz betrifft: andere Länder, andere Sprachen, andere Bräuche :)

Dr. Kari Köster-Lösche / 20.10.2017

Ich habe eine weitere Variante des Abzockens erlebt: Mir wurde eine Bahncard geschenkt. Bei Nachfrage am Schalter erfuhr ich, dass ganze Kontingente verschenkt würden, manchmal an die Bewohner eines ganzen Dorfes. Ich nahm sie also an, da es sich harmlos anhörte.  Kurz vor Ablauf der Karte teilte man mir mit, dass mein Abbonement um 1 Jahr verlängert sei, ich möge jetzt zahlen. Nach meinem Verständnis war ein Geschenk kein Abbonement. Proteste, Erklärungen des Sachverhalts und vorsorgliche Kündigung wurden ignoriert und mit Zahlungsaufforderungen beantwortet Mein Rechtsanwalt erklärte mir, dass allein meine Fahrtkosten zu ihm im nächsten Mittelpunktsort höher seien als die € 25,- für die Bahncard. Ich zahlte also. Seitdem ist die Bundesbahn in meinen Augen ein betrügerisches Unternehmen.

Messner, Wilfried / 20.10.2017

Ob Staatsbetrieb oder nicht. Eine automatische Verlängerung mit 6 Wochen Kündigungsfrist du dann noch fehlende Kulanz wegen nicht Einhaltung des Termins. Das ist kein Kundendienst !!!

Winfried Sautter / 20.10.2017

Naja, auf den Staatsbetrieb Deutsche Bahn zu schimpfen, ist wohlfeil und ein Klassiker des Kleinen Mannes, seinen Unmut zu ventilieren. Und Monopolanbieter ist die DB schon lange nicht mehr, wie die zahlreichen privaten Unternehmen im Regionalverkehr zeigen. Die sind auch nicht besser, nur billiger. Und da sie, wie alle Anbieter im Regionalverkehr, ihre Züge durch die Landesverkehrsgesellschaften, also die öffentliche Hand, gestellt bekommen, sind sie billiger durch geringere Personalkosten.

Kurt Werners / 20.10.2017

Ging mir genau so vor 10 Jahren - seit dem habe ich keinen Zug mehr betreten! Kundenbindung ist was anderes - Sozialverhalten auch - aus welcher Partei kommen nochmal die meisten Bahnmanager? Ach Gut! Egal! Der Zug ist abgefahren….

Alexander Roeske / 20.10.2017

Es bräuchte nur mal einen Mutigen, der die Bahn (oder ein anderes Unternehmen, das sich automatisch verlängernde Abos anbietet) nach versäumter Kündigungsfrist auf Schadensersatz in Höhe des Beitrags für die verlängerte Laufzeit verklagt, und zwar notfalls bis zu letzten Instanz. Das Gesetz gibt mit § 214 Abs. 2 BGB (” Das Schuldverhältnis kann nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.”), der vom Gesetzgeber absichtlich weit und weich formuliert wurde, auch die Möglichkeit, eine solche rechtzeitige Hinweispflicht für Unternehmen gerichtlich zu statuieren. Da das Gesetz modern und schwammig ist, ist eine solches Urteil auch möglich -  aber genauso ein Gegenteiliges. Die vom Autor geforderte Hinweispflicht sollte außerdem genauso für Fälle gelten, in denen Energiegrundversorger Jahre lang keine Abrechnungen stellen und dann aufgrund der Grundversorgung einen extrem hohen Zahlungsanspruch, manchmal für zig Jahre rückwirkend, geltend machen. Von solchen Fällen sind in der Regel gerade “kleine Leute” betroffen, denen das sozialste Mietrecht nichts nützt, wenn sie mit einer nicht zu stemmenden Rechnung eines Energieversorgers betroffen sind.

Petra Simons / 20.10.2017

Einzige Chance: Sofort nach Kauf der Bahncard die Bahncard kündigen. Verlängern kann man gegebenenfalls immer.

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