Was vor einer Woche in Connewitz geschah, ereignete sich so unerwartet wie der tägliche Sonnenuntergang. Grund zur Verwunderung gab es allein bei denen, die sich daran gewöhnt haben, alle Gewalt der linken Outlaws aus Überzeugung zu ignorieren. Ist doch der Leipziger Stadtteil seit Jahren eine Brutstätte des Linksradikalismus. Abgeschirmt von politischer und medialer Verschwiegenheit proben die Autonomen den Umsturz der bürgerlichen Gesellschaft, den Klassenkampf mit allen Mitteln. Autos werden abgefackelt, Baustellen verwüstet, Kräne in Brand gesteckt.
Weit über 300 Straftaten verzeichnete die Statistik im vergangenen Jahr. Gewalt gegen Personen verstand sich von selbst. Am Abend des 3. November überfielen Vermummte die Prokuristin einer Immobilienfirma in ihrer Wohnung. Die Frau wurde verprügelt und ins Gesicht geschlagen. Die Täter wollten sie da treffen, „wo es ihr auch wirklich weh tut“, wie sie nachher im Internet stammelten.
Das öffentliche Entsetzen darüber hielt sich in Grenzen. Bedrohlichen Anfängen galt es anderswo zu wehren. In Waldsiedlung, einem 2.527 Einwohner zählenden Ortsteil von Hessisch Altenstadt, war ein Abgeordneter der NPD zum ehrenamtlichen Ortsvorsteher gewählt worden. Ein Thema für viele Tage.
Das letzte Gefecht gegen den Kapitalismus
Wie sich die Connewitzer Revolutionäre währenddessen einen Spaß daraus machten, kurz und klein zu schlagen, was sie nicht aufbauten, fiel dagegen kaum ins Gewicht. Außerdem haben die jungen Leute ohnehin Höheres im Sinn, wenn sie Manöver spielen für das letzte Gefecht gegen den Kapitalismus. Und wer, bitte schön, wer hätte mit ihm nicht sein Hühnchen zu rupfen.
Seit jeher gehört es zu den untrüglichen Kennzeichen dekadenter Zustände, dass die besser gestellten Schichten Sympathie gerade für jene hegen, die ihnen Feuer unter den Hintern machen. Auch die RAF durfte auf die Nachsicht des Bürgertums zählen; auch ihre „Kämpfer“ fanden bisweilen Unterschlupf oder ein Waffenversteck, wo es niemand vermutet hätte. Zu verlockend war der Nervenkitzel, zu groß der Überdruss an der bleiernen Zeit des Wohlstands.
Während die einen mit Krawall für Aufregung sorgten, versuchten Polizei und Geheimdienste, Recht und Ordnung durchzusetzen. Sie sind allemal die eigentlichen Spielverderber, diejenigen, die „über-reagieren“.
Nach den Ausschreitungen des autonomen Mobs in Connewitz stand für die altlinke Jutta Ditfurth fest: Hätte sich die Polizei ferngehalten, „wäre nichts passiert, die wenigen Ärgernisse, die es vielleicht gegeben hätte, hätten die Feiernden selbstverantwortlich regeln können“.
Mehr als über deren Taten erbosten sich Politiker und ein Großteil der tonangebenden Medien darüber, dass es zunächst seitens der Polizei geheißen hatte, ein Beamter habe sich nach dem Einsatz einer „Notoperation“ unterziehen müssen, obwohl sich später herausstellte: Man hatte den Mann nur grün und blau geschlagen.
Dekadenz kennt keine Grenzen
Statt sich nach der gezielten Tötung des iranischen Generalmajors Quasem Soleimani hinter die Amerikaner zu stellen, um den Mullahs in Teheran klarzumachen, dass es Grenzen gibt, deren Überschreitung die Welt nicht duldet, beeilen sich westliche Politiker und Journalisten, allen voran die deutschen, abermals Donald Trump den Schwarzen Peter zuzuschieben. Als habe es sich um die willkürliche Ermordung irgendeines Apparatschiks und nicht darum gehandelt, einen der militärischen Köpfe des islamischen Terrors auszuschalten, ist von einer Anstiftung zum Krieg die Rede.
Postum befördern die Narren der Wohlstandsgesellschaft die Täter zu Opfern. Den schneidig posierenden Abenteurer aus den Nahen Osten nicht anders als die infantilen Gewalttäter aus Connewitz. Entgegen der verbreiteten Auffassung ist die Dekadenz nicht bloß ein Zustand ungezügelter Ausschweifung; sie offenbart sich ebenso in den politischen Zuständen einer Gesellschaft, die lieber spielt, als dass sie die Zeit damit vertut, ihre Existenz zu verteidigen.