Vera Lengsfeld / 12.02.2018 / 06:28 / Foto: Stefan Klinkigt / 48 / Seite ausdrucken

Die Autistin der Macht

Das Interview im ZDF, zu dem sich Kanzlerin Merkel selbst eingeladen hat, um auf das unerwartete Grummeln in der CDU zu reagieren, hat alles übertroffen, was im Nachwahl-Trauerspiel bislang geboten wurde. Es präsentierte sich eine belustigt grinsende Partei- und Staatschefin, die sich selbst dann für alternativlos hält, wenn das Mitgliedervotum in der SPD zuungunsten der GroKo ausgehen sollte.

Lass die Kühnerts strampeln und die Spahns kritteln Merkel steht über allen und allem. Wenn die SPD nicht will, geht sie zum Bundespräsidenten, der muss nach Artikel 63 GG einen Wahlvorschlag machen – sie steht als Kandidatin zur Verfügung. Das hat sie wirklich gesagt! Dann gibt es, davon ist sie felsenfest überzeugt, eine geschäftsführende Regierung bis zur nächsten Wahl. Sie wird die nächsten vier Jahre durchziehen, als Kanzlerin und als Parteivorsitzende.

Wer etwas anderes gehofft hatte, ist einfach naiv. Ich hatte nichts anderes erwartet, allerdings bin ich über die Unverschämtheit verblüfft, mit der sie agiert. Die lästigen jungen Kritiker stellt sie ruhig mit der Ankündigung, dass von ihrer „Seite darauf zu achten“ sein wird, „auch Jüngere zu berücksichtigen“. Das wird den „Jungen“ schlaflose Nächte mit geöffnetem Fenster bereiten, aus Sorge, den Ruf aus dem Kanzleramt zu verpassen.

Als Zugeständnis kann man höchstens werten, dass die Minister vor und nicht, wie ursprünglich geplant, nach dem Sonderparteitag der CDU benannt werden. Der Plan war ja, dass alle wirklichen und eingebildeten Kandidaten dafür sorgen würden, dass ihre Landesverbände dem Koalitionsvertrag möglichst vollständig zustimmen. Nun wird es ein paar frustrierte Gegenstimmen geben. Na und?

Grundsteuer-Erhöhung für Flüchtlingskosten

Merkel gab kund und zu wissen, sie hätte alles „sehr wohl durchdacht“. Sie bemerkt ihren Lapsus selbst und schiebt schnell nach: „gemeinsam mit den Koalitionsverhandlern“. Aber bei der nächsten Gelegenheit spricht sie wieder „von ihrer bewussten Entscheidung“. Um die Partei zu beruhigen, behauptet sie kühn, auch sie empfinde „Schmerz“ über den Verlust des Finanzministeriums. Der dürfte sich allerdings in engsten Grenzen halten, wenn man dann hört, wie sie von den angeblichen „Chancen“ schwärmt, die die Ressortverteilung der CDU biete. Dann wieder: „Ich stehe vollkommen zu dieser Entscheidung“.

Nun müsste schnell mit der Arbeit begonnen werden, um „gute Lösungen“ zu finden und die Koalitionsvereinbarungen schnell umzusetzen. Das sollte jedem, der den Vertrag gelesen und verstanden hat, Schauer über den Rücken jagen. Nur ein Beispiel: „Wir stellen die Grundsteuer auf eine feste Basis …als „Sicherung der wichtigsten Einnahmequelle der Kommunen“.
 
Im Klartext: Wer geglaubt hat, mit einem eigenen Häuschen eine Alterssicherung zu haben, wird demnächst mit einer erheblichen Erhöhung der Grundsteuer für die Flüchtlingskosten, die den Kommunen von der Regierung Merkel aufgebürdet wurden, zur Kasse gebeten. Man kann allen nur raten, sich diesen Vertrag genau anzusehen und zur Kenntnis zu nehmen, welche Zumutungen die Merkel-Regierung für die „Menschen“ plant.

Aber aus Sicht der Kanzlerin wünschten sich die „Menschen“ nichts so sehr wie eine „stabile Regierung, die arbeiten kann“. Genau die sollten wir ihr nicht geben. Merkel hat keine Fehler gemacht, sie empfindet keinen Autoritätsverlust. Ihre Regierung, ob GroKo oder geschäftsführend, wird „das Richtige tun“. Merkel hat sich mit Pattex am Kanzleramt festgeklebt. Es wird eine Überlebensfrage für unser Land, ob es gelingt, Pattex zu lösen.

Foto: Stefan Klinkigt

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Leserpost

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Andreas Winkler / 12.02.2018

Liebe Frau Lengsfeld, irgendwie erinnert die Merkel mich an Honecker und an sein Geschwurbel zum 40. Jahrestag der Gründung der DDR. Das war Anfang Oktober 89. Für Honecker war in der DDR alles in bester Ordnung (abgesehen von ein paar “Verwirrten”, die zu viel Westfernsehen geschaut hatten und sich nun auf der Straße zusammenrotteten- in Analogie zu den heutigen “Rechtspopulisten”/ “Rechtsextremen”/ “Nazis”) ; es gab für Honecker nichts, was er hätte besser machen können. Einen Monat später wurde der Mann aus seinem Amt gefegt. Und wenig später stand er vor Gericht. Ich hoffe inständig, dass sich eines hoffentlich nicht so fernen Tages auch die Merkel für das verantworten muss, was sie während ihrer Kanzlerschaft angerichtet hat. Im übrigen bin ich mir sicher, dass es der Merkel nur noch um eines ging: auf Teufel komm raus Kanzler bleiben. Alles andere war Nebensache. Ich kann mir einfach nicht vorstellen, dass wir Deutschen diese Person noch 4 Jahre als Kanzler ertragen!

Gerd Koslowski / 12.02.2018

Den Merkelismus in seinem Lauf hält weder Schulz noch Steinmeier auf.

Sebastian Hade / 12.02.2018

Diese Frau kriegt zu Lebzeiten niemand aus dem Kanzleramt. Sie hält sich für unersetzlich. Und falls doch jemand anderes zum Kanzler gewählt werden sollte, dann haben wir halt zwei Kanzler ...

Frank Stricker / 12.02.2018

Angela Merkel ist mittlerweile völlig aus der Zeit gefallen. Sie wirkt wie jemand, der mit einer alten Schreibmaschine das Internet beherrschen will…........

Michael Sander / 12.02.2018

Wenn Merkel sich im Falle einer Ablehnung des Koalitionsvertrages vom Bundespräsidenten vorschlagen lässt, dann hätte sie das zwar schon früher haben können, es entspräche jedoch dennoch dem normalen verfassungsgemäßen Gang. Schlüge der Bundespräsident sie zur Wahl vor und sie würde von der Mehrheit der Mitglieder des Bundestages gewählt, würde sie mit der Regierungsbildung beauftragt. Am Ende dieses Prozesses würde also eine gewählte Regierung und keine geschäftsführende Regierung mehr stehen.

Marla Aborgast / 12.02.2018

Das Problem ist nicht Merkel, es sind hundertaussende kleine Merkels und Merkelinnen die das Land verraten. Justiz, Schule, Unis, Medien usw. DA sitzen die geistigen Brandstifter. Merkel ist nur der Kopf der Hydra! Deutschland braucht einen kompletten Neustart.

Mark Schild / 12.02.2018

Letztes Mal hiess es noch: “Sie kennen mich”. Jetzt scheint die Frau zu sagen: “Sie können mich”. Kreuzweise.

Judith Hirsch / 12.02.2018

Dass Frau Merkel keine Grundsätze, Überzeugungen und Werte vertritt, sondern für sie alles beliebig ist, sollte nicht nur allgemein bekannt sein, es dürfte auch in unsere Zeit passen. Dass ihr nichts „ heilig „ ist, wenn es um ihren Machterhalt geht, dürfte eine neue Stufe der politischen „Kultur“ sein, aber auch das gereicht ihr keineswegs zum Nachteil, was bei einem Mann nicht sicher wäre. Ihre Macht - abgeleitet aus reinen Projektionen und Phantasien - hat eine Dimension erreicht, die derartige Aussagen zur Rechtfertigung im Staatsfernsehen sanktionlos erlaubt. Bei Herrn Putin könnte man sich die mediale Reaktion nach einem derartigen „ Interview „ vorstellen, bei der „ guten „ Frau Merkel ist die Ebene zur Transzendenz schon überschritten. Sie kann machen und sagen, was sie will. Es ist egal. Schrecklich !

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