Es ist falsch, zu glauben, China hätte ein sozialistisches Wirtschaftssystem, nur weil die chinesische Regierung es sozialistisch nennt, bzw. genauer: Sozialistische Marktwirtschaft. Das ist reine Augenwischerei, vermutlich dazu bestimmt, die mittleren Nomenklaturaebenen ruhigzustellen. Etwa 70% des BSP wird in China von Unternehmen in Privatbesitz erwirtschaftet. Nur bestimmte Schlüsselindustrien verblieben in Staatsbesitz, etwa Rüstungsindustrien oder die Energieerzeugung. Es wäre doch niemand auf die Idee gekommen, die Bundesrepublik auch nur in Teilen als “sozialistisch” zu bezeichnen, nur weil einst die Deutsche Bundespost und die Deutsche Bundesbahn in Staatsbesitz waren (letztere ist es immernoch). Die Bundesrepublik hat ein kapitalistisches Wirtschaftssystem, und China ebenfalls.
Amos Zweigs Darstellung wirkt ein bisschen schülerhaft und man hat den Eindruck, er kennt die kapitalistische Realität nicht aus eigener Erfahrung. Zunächst: In dem Maße, wie die materiellen Bedürfnisse befriedigt sind, melden sich immaterielle Bedürfnisse. Auf das Wirtschaftswunder der fünfziger Jahre folgte ganz logisch die Forderung nach Arbeitszeitverkürzung und “Humanisierung” der Arbeitsbedingungen. Beide Errungenschaften - die Arbeitszeitverkürzung und die Humanisierung - sind in den letzten zwanzig Jahren rückgängig gemacht worden. Ein großer Teil unserer Mitbürger arbeitet heute wieder so wie um 1960 oder 1965. Im Hinblick auf Normierung und Kontrolle unterscheidet sich ein heutiges Callcenter nicht im mindesten von einem VEB der DDR. Es ist auch eine Menge Personal mit dieser Kontrolle beschäftigt (ein Zahlenvergleich mit dem VEB wäre da interessant.) Zweig macht sehr viel davon her, dass der Kapitalismus nicht nur negative Sanktionen anbietet, sondern auch positive. Aber das galt auch in der DDR: Auch die Hennecke-Aktivisten und “Helden der Arbeit” erhielten Boni. Im übrigen sind die Gehälter vieler Niedriglöhner so angesetzt, dass ihnen ein Überleben nur mit Hilfe der “Boni” möglich ist. In summa: Zweig mag ein richtiges Bild vom Sozialismus haben, aber ein sehr verklärtes vom Kapitalismus.
Der sogenannte ” Sozialismus” ist in seiner Ursprungsform kein Ökonomisches System,sondern ein religiös-ideologisches ! Insofern vergleicht der Autor hier Äpfel mit Bananen. Die Sozialistischen Systeme des Ostblocks waren allesamt Staatswirtschaften und mitnichten “sozialisiert”, d,h. dem Arbeiter /Bauern gehört garnichts. Die heutigen “kapitalistischen” Länder sind ausser Neuseeland (!) schon lange Staatskapitalistische Systeme und mitnichten freie ,liberale Marktwirtschaften ! Und Kriege haben IMMER Politiker, Könige und Kaiser angezettelt, niemals Firmen oder Unternehmer. Sie haben natürlich davon profitiert,das ist wahr. Alles andere ist marxistische Propaganda und Geschichtslüge !
Das Thema ist eigentlich ein bisschen zu groß - dennoch ist es hilfreich, um im Alltag schlagfertige Argumentationslinien zur Verfügung zu haben. Ich wage auch mal ein paar Behauptungen dazu, auch wenn die verwendeten Begriffe schwammig bleiben müssen: Der Kapitalismus ist eigentlich kein System, so wie das die zumeist kommunistischen Gegner immer behaupten, sondern er ist Wettbewerb der Systeme. Dem wollen sich Ideologen natürlich nicht stellen. Das hatte auch die Frankfurter Schule (Adorno, Habermas,..) gewusst, und sie hatte die Überlegenheit allein schon dadurch anerkannt, dass sie den Kapitalismus unterwandern und gewaltsam zerstören wollte. Wenn die Menschen zufrieden sind, brauchen sie keine Revolution. Eine Revolution brauchen immer nur die, die gerne Bonzen werden und darüber nicht diskutieren wollen. Herr Spata erwähnte bereits Roland Baader. “Niemand außer dem Markt und dem Wettbewerb (auch den politischen) kann Leviathan zähmen.” Oder Herbert Giersch: “Es gibt für die Freiheit der Bürger keinen anderen Schutz als den Wettbewerb der Regierungen.” Kapitalismus (also Wettbewerb) verträgt sich nicht nur bestens mit der Demokratie, er bewahrt sie auch. Sozialismus ist nur eine Sonderform des Kapitalismus: Monopol; Fehlende Alternative; Die Nomenklatura ist die totalitäre Firmenleitung, die sich an den Werktätigen nicht nur bereichert, sondern sie regelrecht besitzt. Sozialismus ist die tote Variante des Kapitalismus (vgl. Igor Shafarevich “Der Todestrieb in der Geschichte. Erscheinungsformen des Sozialismus”). Oder besser: Nach innen tot; nach außen kapitalistisch - denn selbstverständlich müssen sie sich mit den anderen Wettbewerbern in der Welt messen. Und bis jetzt haben sie immer versagt. Wie Juliane Mertz schon erwähnte, steht es jedem frei, in einer Markwirtschaft eine sozialistische Firma zu gründen. Viel Spaß! Sozialismus und Nationalsozialismus sind Zwillingsbrüder; sie hocken beide in der erstarrten, toten Ecke!
@Rolf Lindner: Der Chinesische “Sozialismus” hat mitnichten gewaltige Produktivkräfte freigesetzt. Im Gegenteil, die Produktivkräfte wurden erst durch die Abkehr vom Sozialismus freigesetzt. Das heutige System in China ist kein Sozialismus, sondern eine Herrschaft der Mandarine, wie es sie vorher in China schon zwei Jahrtausende gegeben hat. Es hat nur den Namen proforma beibehalten.
@Plönnings: China ist kein sozialistischer Staat nach der genannten Definition, sondern kapitalistisch. China ist auch keine Demokratie, sondern ein Einparteien-Staat sozialiastischer Art und Herkunft. Das hindert China aber nicht, vom Wirtschaftssystem her kapitalistisch zu sein. Kapitalismus erfordert kein spezielles Herrschaftssystem. Kapitalismus gibt es unter Demokratien, wie auch Monarchien, selbst in Ländern mit Clan-Strukturen. Maßgeblich ist neben Eigentumsfragen nur, ob der Markt weitgehend frei zugänglich ist oder ob es Strukturen gibt, die einen freien Handel unterdrücken, kontrollieren, behindern oder verhindern. Im Übrigen möchte ich den Autor darauf hinweisen, dass Sozialismus und Demokratie Herrschaftsysteme sind, die man jeweils mit sozialistischer Planwirtschaft (inkl. Kollektivierung und begrenztem Privateigentum/Unternehmertum) und Kapitalismus als Wirtschaftssystem verbindet. Kapitalismus und Sozialismus zu vergleichen ist in sofern unsinnig.
Aber die Chinesen scheinen mit ihrer Art des Sozialismus wirtschaftlich dem Kapitalismus ebenbürtig zu sein. Daher stellt sich doch heute eher die Frage nach der Freiheit der Menschen als nach den Hungersnöten.
@Martin Ertner: “Sprich stundenlanges Anstehen für einen Sack Kartoffeln oder Rüben, sowie die Selbstversorgung etc.” Der Witz war gut, wohl noch aus den 50ern? Kartoffeln waren spottbillig und nun wirklich ohne stundenlanges Anstehen zu haben! Und mit der Selbstversorgung wäre mindestens die halbe DDR-Bevölkerung verhungert. Die konnten sich gar nicht selbst versorgen, mangels geeigenter Gärten. Wie Herr Reiger schrieb: “Durch seinen Lohnzettel ist noch keiner reich geworden”. Das trifft besonders auf den Kapitalismus zu. Sich irgendwo “zu verwirklichen”, sich “einzubringen”? Ja wo denn? In die managementgesteuerten Unternehmen? Ich war einige Jahre in der Entwicklungsabteilung eines Elektronikkonzerns beschäftigt, als “Leiharbeiter”, für 9,56 €/h. Mit mir ca 60% der Ingenieure, nur “leihweise”. Was glauben die Leute denn, wie die gearbeitet haben? “So, wie wir bezahlt werden”, und das zu recht. Meine Stelle wäre mit fast dem doppelten Lohn dotiert gewesen, da Technikerstelle. “Eingekauft” wurde ich nur als Facharbeiter, kostengünstig halt. Was die gefühlte Armut angeht: gerechnet auf die Verdienstjahre machen die Beitragsjahre im “Beitrittsgebiet” in meiner Rente einen höheren Anteil aus, als die in der reichen Bundesrepublik erworbenen! Und was die “höherwertigen Güter” betrifft: Durch penetrante und aggressive Werbung werden Bedürfnisse suggeriert, die eigentlich bei vielen gar nicht vorhanden wären. Abgesehen vom Statusdünkel, immer etwas Besseres zu sein, als der Nachbar. Die Feudalherren hatten auch geglaubt, unsterblich zu sein. Feudalismus ist längst Geschichte, irgendwann ist auch Kapitalismus Geschichte. Was danach kommt? Keine Ahnung, vielleicht eine Art Sozialismus? China machts vor…
@Dietmar Schubert Was Sie aus Ihrem eigenen Erfahrungsschatz hernehmen, kann wohl kaum als allgemein gültig bezeichnet werden. Auch ich habe in der der DDR tatsächlich keinen Hunger gelitten, wobei man hier ehrlicherweise erwähnen sollte, dass die Versorgung auf diesem Gebiet wahrscheinlich mit die Beste im Ostblock war. Ich kenne aufgrund meines Berufes sehr viele ehemalige Ostblockbewohner aus diversen Ländern und die erzählen mir da teilweise etwas anderes. Auch das kann allerdings erst einmal nicht als allgemein gültig gesehen werden, dort muss man schon verschiedenste Daten zusammentragen um zumindest eine Tendenz zu erkennen. Und was Sie im philosophisch/ethischen Bereich mit MINT wollen, erschließt sich wahrscheinlich nur Ihnen. Denn wie der Name schon sagt umfasst das Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft und Technik, also ist Ihre “Widerlegung” lediglich der Versuch ein z.B. allgemein gültiges physikalisches Gesetz auf einen Bereich der Geisteswissenschaften anzuwenden, was aber nicht möglich ist. Ein Stein wird im Vakuum immer gleich schnell fallen, egal ob es ein kapitalistisches oder sozialistisches “Vakuum” ist, während “Armut” ein völlig subjektives Empfinden ist. Der eine fühlt sich mit einem Butterbrot als König der Welt, der andere denkt “Ja, für mehr hat es halt nicht gereicht”.
Der entscheidende Unterschied ist, daß ” Links ” zuviele Kapos produziert.
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