Gunnar Heinsohn / 30.05.2014 / 14:51 / 3 / Seite ausdrucken

Die Armen und die Reichen

Besteht eine Nation aus zwei Ehepaaren A und B, von denen jeder Partner eine Million Vermögen hat, besteht zwischen den vier Betroffenen vollkommene Vermögensgleichheit.

Betrachtet man diese Nation eine Generation später, gibt es nach einem typischen Bevölkerungsrückgang aufgrund der Geburtenverminderung gerade bei den hoch qualifizierten Leistungsträgern nur noch drei Bürger, von denen einer über ein Vermögen von zwei Millionen verfügt, während die beiden anderen jeweils bei einer Million verharren.

Beim Zweifachmillionär handelt es sich um das einzige Kind von Ehepaar A, dem das volle Erbe zugefallen ist. Bei den beiden Einfachmillionären handelt es sich um die beiden Kinder von Ehepaar B, die sich das elterliche Erbe teilen mussten.

Ein schleichendes Gefühl der Ungerechtigkeit breitet sich aus. Aus einem rein demografischen Grund ist eine dramatische Ungleichverteilung des Reichtums eingetreten. Ein schmales Drittel der Bevölkerung hält plötzlich die runde Hälfte aller Vermögen (zwei Millionen von vier Millionen).

Betrachten wir eine zweite Nation, die neben unseren zwei Ehepaaren A und B auch noch zwei arme Bürger aufweist. Die beiden sind ohne Vermögen, das sie verkaufen oder für einen Kredit verpfänden könnten, um über diese Wege liquide zu werden. Mangels Qualifikation können sie auch keine Geldeinkommen für den Erwerb eigenen Vermögens erzielen.  Aufgrund ihrer Hilf- und Mittellosigkeit beziehen sie Sozialhilfe-Einkommen von den vier Reichen. Die können den erforderlichen Betrag aus ihrem Einkommen überweisen, so dass nur dieses sinkt, ihr Vermögen aber ungeschmälert bleibt.

Sehr schnell bekommen die beiden Armen sechs Kinder. Zwar werden sie vermögenslos geboren. Aber bei der Menschenwürde stehen sie mit den Reichen von Beginn an gleich. Damit haben sie in den modernen Sozialstaaten Anspruch auf einen Teil der Erträge aus deren Vermögen. Statt bisher lediglich zwei beziehen die Armen deshalb jetzt acht und – für die Verbesserung der Lebensbedingungen –- zugleich um drei Prozent erhöhte Sozialhilfe-Einkommen.

Die acht Armen stehen beim Prokopfeinkommen jetzt drei Prozent besser da als zuvor. Die vier Reichen behalten zwar jeweils eine Million Vermögen, stehen aber beim laufenden Einkommen schlechter da, weil sie an die acht Armen Sozialbezüge abtreten müssen.

Obwohl es den Armen besser geht und die Reichen mehr abgeben sowie niemand Böses getan hat, gibt es aus rein demografischen Gründen eine Zuspitzung der Vermögenskonzentration. Halten vor Fortpflanzung der Armen zwei Drittel der Bevölkerung (die vier Reichen gegenüber den beiden Armen) 100 Prozent aller Vermögen, so fallen nunmehr 100 Prozent aller Vermögen auf nur noch ein Drittel aller Bürger. Hingegen stehen nicht mehr nur 33, sondern plötzlich volle 66 Prozent vermögenslos da. Forderungen nach einer General-Debatte über die echten oder vermeintlichen Gefahren ungerecht verteilter Vermögens dürfen dann niemanden überraschen.

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Leserpost

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Max Wedell / 31.05.2014

Sehr guter Artikel Heinsohns. Von ihm lese ich hier besonders gerne, es ist jedesmal ein Gewinn. @Lahnstein Ist das ihr Ernst? Oft bin ich mit Unmündigen konfrontiert, die mir gegenüber die aufgehende Schere zwischen Arm und Reich belamentieren, wie das ja heutzutage auch bei jenen üblich ist, die ansonsten nicht bis drei zählen können. Wenn ich dann Statistiken zur Hand nehme, um die Sachlage zu relativieren, heißt es ganz oft: Statistiken sei ja ohnehin nicht zu trauen. Ach ja. Der Statistik, daß die Schere zwischen Arm und Reich aufgeht, glaubt man unbesehen, aber Statistiken, die dies relativieren und eine Einsicht in die genauen Vorgänge dazu vertiefen, sind dann Kokolores. Solche Reaktionen fallen eindeutig in die Kategorie: “Ich glaub halt nur, was ich glauben möchte.” Wer Statistiken prinzipiell nicht glaubt, kann sich nicht gewinnbringend an Diskussionen beteiligen, die über die Verhältnisse im Land gehen, über die man verlässlich praktisch ausschließlich anhand von Statistiken informiert ist. Die gängige und ganz verbreitete Praxis der Medien, anhand von Hans Müller oder Erna Schmidt (Name von der Redaktion geändert) zeigen zu wollen, was im Lande los ist, ist reine Gehirnwäsche. Wer das dort Behauptete glaubt, den Statistiken aber nicht, ist eindeutig ein bedauernswertes Gehirnwäscheopfer. Heinsohns Hinweis, daß Konzentrationsprozesse von Vermögen eben nicht nur durch die wirtschaftstheoretischen Faktoren erfolgen, die aus der marxistischen Kapitalismuskritik leidlich bekannt sind und die die Diskussion heute bestimmen, sondern auch durch demographische Gegebenheiten wie etwa die statistisch sehr signifikanten Geburtenüberschüsse ökonomisch schlechter gestellter Bevölkerungsschichten. Zöge man in der heutigen Situation Einfluß von Demografie und Armenimport ab, gäbe es wohl keine “aufgehende Schere” mehr, obwohl das hierzulande recht gehobene Niveau der “Armut” selbst auch ein Magnet hin zur Armut ist - ein weiterer Faktor, der die Aufgehende-Schere-Statistik begünstigt (neben anderen gesellschaftlichen Trends wie z.B. der zur Alleinerziehung). Diese differenzierten Diskussionen gibt es in Deutschland momentan praktisch nicht. Die aufgehende Schere ist ein Produkt des “Neoliberalismus”. Punkt. Alle erstarren in Erfurcht! Diesem “Modell” traut keiner, zu widersprechen.

Martin Lahnstein / 30.05.2014

Inzwischen machen mich Modelle noch mißtrauischer als Statistiken.

Werner Geiselhart / 30.05.2014

Und da in den unteren Einkommensschichten mehr geraucht wird, steht dann in der Presse, dass diese Schichten wesentlich mehr indirekte Steuern bezahlen müssen als die da oben. Das Wort indirekt wird dann oft noch vergessen.

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