Nach Sahra Wagenknecht ist nun auch Andrea Nahles von ihren linken Freunden ins rechte Lager verschoben worden. Die offizielle Linke Wagenknecht hatte schon vor längerer Zeit mal das Flüchtlingsproblem als Flüchtlingsproblem bezeichnet, was ihr sofort das Etikett „rechts“ eingebracht hat. Jetzt hat die SPD-Chefin Nahles die ungeheuerliche Feststellung getroffen, dass „wir nicht alle bei uns aufnehmen können“. Und schwupps kam der Vorwurf, sie bediene sich rechter Rhetorik. Also, ich finde das lustig.
Aber es zeigt über die unfreiwillige Komik hinaus eine hoch interessante Entwicklung. Es wird offenbar immer mühsamer, nicht rechts zu sein. Das tut dem einen oder der anderen Betroffenen natürlich weh, weil links alles Schöne, Edle, Gute und Coole weilt. Die Zeit, als es noch „linke Bazillen“ und „linkische“ Menschen gab, ist vorbei. Wer heutzutage eine Bazille beleidigen will, muss sie zur „rechten Bazille“ machen.
Die Zahl der rechten Bazillen wächst stetig, wenn selbst so ausgewiesene Unrechte wie Sahra Wagenknecht und Andrea Nahles von den Hütern des linken Reinheitsgebots zu ihnen hinzugefügt werden. Nun können sich die beiden wehren und das tun sie auch erfolgreich. Aber der verrückte Mechanismus ist durch sie noch sichtbarer geworden.
Jeder, der merkt, dass die Welt dem so schön ausgedachten linken Reinheitsgebot nicht entspricht und das laut sagt oder leise murmelt, wird zum Verräter. Früher sprach man von Revisionisten oder gar Renegaten, heute heißt das Rechts. Hauptsache, die linke Jungfräulichkeit bleibt unversehrt.
Und so entsteht angeblich rechts ein Riesenhaufen von Leuten, die nichts miteinander zu tun haben, als dass sie von links beschimpft werden.
- Da sind natürlich die Altnazis, eine aussterbende Spezies; und die Neonazis, die eine dünne, aber konstante Sumpfschicht bilden;
- die nazistische Teilmenge in der AfD;
- die Provokateure in der AfD, die Angela Merkel „jagen“ wollen;
- die Konservativen; die mit dem hippen Berliner Getue nichts am Hut haben;
- die Liberalen, die sich gegen die linksgrünen Bevormundungs-Orgien wehren;
- die Frommen, die nicht nur die andere Wange hinhalten wollen, sondern sich ärgern, wenn die Moschee größer ist als ihre Kirche;
- die Heimatlichen, die nicht gerade jubeln, wenn sie ihre Heimat nicht mehr wiedererkennen;
- die ehemaligen Linken, die schon lange nicht mehr im linken Klub mitspielen mögen; die ehemaligen Linken, die den Klub gerade erst verlassen haben; die Verstoßenen, die wegen einer nicht vorschriftsmäßigen Äußerung des linken Paradieses verwiesen worden sind – und schließlich die immer noch Linken, die einfach ein Problem mit gedanklicher Vereinsmeierei haben.
Tja, und das alles muss sich nun mit dem Etikett „rechts“ herumschlagen. Das erinnert mich an die Dummköpfe, die gleich „Nazi-Methoden“ schreien, wenn ein Polizist ihren Ausweis sehen will. Damit machen sie aus den echten Nazi-Verbrechen einen Vogelschiss, um einen der hässlicheren Rechten zu zitieren.
Die Nazis waren kein Vogelschiss, und die „Rechten“ sind kein Ratatouille aus Leuten, die nicht das sagen, was man in Berlin gerne hört. Neonazis sind Neonazis. AfDler mit nazistischen Neigungen sind echte Rechte. Der große als rechts beschimpfte Rest sind Leute mit unterschiedlichen Heimaten, die ihr Recht auf Meinungsfreiheit wahrnehmen.
Darum ist es im Zweifel eine Ehre, von Linksaufpassern als rechts bezeichnet zu werden. Dass diese Ehre auch Sahra Wagenknecht und Andrea Nahles widerfahren ist, wollen wir netterweise als einen lustigen Ausrutscher betrachten. Aber auch als einen entlarvenden.