Redaktion / 05.03.2019 / 17:30 / Foto: Taymaz Valley/Flickr / 20 / Seite ausdrucken

Die ARD versteht plötzlich Spaß

Ein Achgut-Leser leitete uns die unten stehende E-Mail-Konversation zwischen ihm und der ARD-Programmdirektion weiter. Die ARD hat zwar ein sorgfältiges, sprachsensibles Framing für ihre Mitarbeiter erdacht, bei Bedarf kann man aber auch anders. Zum Beispiel wenn es um Donald Trump geht.

Der Leser schrieb am 02.03.2019 an die ARD:

Sehr geehrte Damen und Herren,

Ich sah gestern, am 01.03.19, die Karnevalssitzung in Mainz im ersten Programm. Der erste politische Büttenredner (Name ist mir entfallen) hat meiner Meinung nach die Grenzen der Satire- und Kunstfreiheit überschritten. Das er mit seinen holprigen und ungelenken Reimen die üblichen Verdächtigen, Söder, Seehofer, von Storch und natürlich Trump durch den Kakao zog, ist zwar nicht sehr kreativ, um nicht zu sagen langsam langweilig, aber es ist legitim. Ich bin kein Freund von Herrn Trump, aber der Reim, in welchen der Büttenredner Trump in einem Zusammenhang mit Ratten brachte, ist nicht nur geschmacklos, er ist historisch schwer belastet und völlig inakzeptabel. Da hört der Spaß auf. Stellen Sie sich bitte vor, ein AFD- Mitglied hätte einen solchen Witz über einen Politiker gemacht! Ich bin sehr verärgert und enttäuscht, denn das Publikum hat drüber noch gelacht. Das ist genau so geschmacklos wie der Reim selbst.

Am 03.03.2019 schickte ihm die ARD-Programmdirektion folgende Antwort:

Sehr geehrter Herr XXX,

vielen Dank für Ihre E-Mail und Ihr Interesse am Ersten.

Wir bedauern, dass Sie sich durch die Karnevalssendung "Mainz bleibt Mainz, wie es singt und lacht" in Ihrem Gerechtigkeitsgefühl und Ihren Vorstellungen von Anstand und Moral verletzt sehen.

Die Sendung, die Sie kritisierten, ist als Satire und Karnevalssitzung angelegt. Zu den Eigenschaften dieses Genres gehört, bewusst Grenzen zu überschreiten, um durch Überzeichnung auf bestimmte politische und gesellschaftliche Sachverhalte aufmerksam zu machen.

Vor diesem Hintergrund sind die von Ihnen kritisierten Betrachtungen zu sehen. Im Rahmen der im Grundgesetz garantierten Meinungsfreiheit zeigt Das Erste hin und wieder satirische Programme, in denen die ethischen Empfindungen der ZuschauerInnen auf die Probe gestellt werden.

Satire ist ein minimaler Bestandteil unseres Programms. Wir gehen davon aus, dass unsere mündigen ZuschauerInnen in der Lage sind, diese Angebote von Nachrichten oder Dokumentationen zu unterscheiden. Ihre kritischen Anmerkungen zur satirischen Überzeichnung von Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens haben wir für die zuständige Redaktion der Sendung, die beim Südwestrundfunk (SWR) angesiedelt ist, protokolliert.

Mit freundlichen Grüßen

Lena Wollenweber

Erstes Deutsches Fernsehen
Programmdirektion
Zuschauerredaktion Das Erste

Daraufhin entgegnete unser Leser (bislang ohne Antwort):

Frau Wollenweber,

dafür, dass Sie sich die Mühe gemacht haben auf meine Kritik zu antworten, will ich mich bedanken. Ich bin 67 Jahre alt, Ingenieur mit Hochschulabschluss, mag politisches Kabarett und auch Büttenreden sehr und kann über einen derben Witz, auch wenn sein Ziel meine eigene politische Überzeugung wäre, durchaus lachen. Dies können Sie natürlich nicht wissen, deshalb nehme ich Ihnen die kurze Belehrung in Sachen Grundgesetz, Meinungsfreiheit, Zuspitzung und Satire auch nicht übel. Aber, ich fühle mich doch missverstanden.

Menschen mit Ratten zu vergleichen, wurde in Deutschland im sogenannten dritten Reich, im Film, einer eigentlich künstlerischen Ausdruckform dazu benutzt, Menschen, Juden, als minderwertig und unsauber zu diskreditieren. Damit wurde von den nationalsozialistischen Machthabern eine Saat in den Boden gepflügt, deren Keimen dazu diente, die Deutschen so zu manipulieren, das sie eine Bekämpfung dieser Ratten, dieser Schädlinge und sogar deren Tod als gerechtfertigt und nützlich empfinden. Dies wird oft, und auch zu Recht in den Sendungen und Filmen des Öffentlich rechtlichen Funks verurteilt. Weil Sie doch sonst sehr auf einen korrekten Sprachgebrauch achten, bin ich überrascht, dass Sie auf meine Kritik zwar höflich, aber doch recht unberührt antworteten. 

Auf den letzten Absatz Ihrer Antwort möchte ich gesondert eingehen. Ich bin ein mündiger Bürger und Zuschauer und intelligent genug, um Nachrichten und Dokumentationen, aber auch eine satirische Überzeichnung von einer bösen Diffamierung zu unterscheiden. Nehmen Sie mir diese Belehrung nicht übel, sie dient einem guten Zweck; der Achtung der Menschenwürde, auch von Menschen, die politische Ansichten haben, die Anderen wohlmöglich nicht gefallen.
 
Frau Wollenweber, ich erlaube mir, Ihre und meine Antwort öffentlich zu machen.

Ich grüße respektvoll

 

Foto: Taymaz Valley Flickr CC BY 2.0

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Gudrun Meyer / 05.03.2019

Es ist sinnlos, unsere Fernseh-Vorgesetzten in noch so höflicher, historisch sensibler und sogar entgegenkommender Weise zu kritisieren. Statt es zu versuchen, sollte man sich einen technischen Defekt ausdenken, der keinen Menschen in physische Gefahr bringt, der aber eine absehbare Agitprop-Sendung ausfallen lässt. Ein Dipl.-Ing und ein begabter Hacker dürften gemeinsam in der Lage sein, nach einigen schöpferischen Stunden in dieser Weise die Informationsfreiheit derjenigen Sender einzuschränken, deren Gesinnungshoheit sich allzu aggressiv und historisch allzu kontaminiert gegen politische Gegner richtet.

Hubert Bauer / 05.03.2019

Mir fällt auf, dass fast alle Politiker, Journalisten und auch normale Menschen aus meinem persönlichen Umfeld ständig über Trump schimpfen. Im persönlichen Gespräch frage dann immer nach, was sie denn an Trump so stört. Meist kommt ein “ja überhaupt” und “was der schon für eine Frisur hat”. Mehr kommt von den Comedians auf der Bühne ja auch nicht. Man gackert halt mit der Meute, weiß aber gar nicht, warum die übrige Meute gackert. Wenn es ein sachlicher Vorwurf ist, konnte ich es gegenüber Bekannten bisher immer widerlegen. Irgendwie scheint man (wer auch immer) eine sehr widerliche Medienkampagne gegen einen Mann zu fahren, den man eigentlich nicht viel vorwerfen kann und der sich eigentlich ziemlich korrekt verhält.

Frank Stricker / 05.03.2019

Die lustige Frau Wollenweber , tatsächlich wird doch beim ZDF das “ethische Empfinden” auf die Probe gestellt………. Wer hätte das gedacht , nur komisch , dass das “ethische Empfinden” immer nur in eine Richtung auf die Probe gestellt wird.  Ich darf auch hier an die Karnevalssitzung ,“Mainz bleibt Mainz”, von vor 2 Jahren erinnern . Da wurde Marine Le Pen als “Mißgeburt” betitelt. Astreiner , semantischer Duktus von Göbbels und Freisler ………….Mit dem zweiten hetzt man halt besser……….

Hannes Schmidt / 05.03.2019

Der “Spaß” der Öffentlich Rechtlichen geht doch noch weiter: Bernd Stelters Scherz über AKKs Doppelnamen wurde, meines Wissens nach, gestrichen, aber Trump darf als Ratte bezeichnet werden? AKKs Scherz über Gendertoiletten darf kritisiert und zerrissen werden, aber Trump darf als Ratte bezeichnet werden? “Wir bedauern, dass Sie sich durch die Karnevalssendung „Mainz bleibt Mainz, wie es singt und lacht“ in Ihrem Gerechtigkeitsgefühl und Ihren Vorstellungen von Anstand und Moral verletzt sehen.” Also auf der einen Seite (gegen Trump, Söder, Seehofer, von Storch… etc,) ist es erlaubt, weil es Spaß sein soll und auf der anderen Seite (gegen den “Mainstream” und die “Political Correctness”) nicht? Tja, das ist wohl der Spaß im Reich der Doppelmoralisten! Hauptsache auf Linie und bloß nicht gegen die PC. Aber wer hat anderes von den ÖR erwartet?

Rolf Menzen / 05.03.2019

Gegen Trump und die AfD ist alles erlaubt. Da gibt es keine Grenzen. Der Karneval war immer ein Spiegel des Zeitgeists. Ob in den 30er Jahren oder heutzutage. Hauptsache man heult mit den Wölfen. Im Düsseldorfer Rosenmontagszug gab es dieses Jahr einen Greta-Wagen. Nicht etwa, dass man sich über das von PR-Leuten missbrauchte verstörte Kind lustig gemacht hätte, nein, sie wurde als Vorbild dargestellt und Jacques Tilly, der Erbauer, will ihn den schulschwänzenden Freitagsdemonstranten auch noch schenken.

Jürgen Schäfer / 05.03.2019

Rechtslage in der BRD: Wer Juden (und andere vom Mainstream als schützenswert erklärte Minderheiten) öffentlich als Ratten bezeichnet, ist ein ganz Schlimmer und wird bestraft wegen Volksverhetzung nach § 130 StGB, wer aber das deutsche Volk oder seine Gruppen wie die AfD als Ratten (siehe auch den Köterrassenfall durch einen Türken) bezeichnet, bleibt straffrei, denn letzteres könne juristisch angeblich keine Volksverhetzung sein, weil im Gegensatz zu Juden den Deutschen und der AfD ein klares gemeinsames Merkmal fehle. Was für ein faktenfernes Konstrukt, intern ausgeheckt oder von der Politik so befohlen. Oberstaatsanwalt Galm, Frankfurt, in 1992: “Das deutsche Volk ist keine beleidigungsfähige Größe!” Also sind letztere Kollektive vogelfrei, rechtlos (nur nicht in Einzelfällen, wo eine rein persönliche Beleidigung nachgewiesen werden kann) allen übelsten Schmähungen ausgesetzt, nachzulesen täglich massenhaft bei twitter, wo sich die AfD-Hasser austoben nach Belieben. Ebenso darf die AfD straflos als Nazis, braune Brut beschimpft werden, wehe aber, gleiches würde geäußert gegen Gruppen und Schützlinge des Mainstreams!!  Echt der komplette Rechtsstaat mit allen gleichermaßen zustehender Rechtssicherheit, Gleichheit vor dem Gesetz und Achtung der menschlichen Würde nach Art.1 GG!!

Fritz Neumann / 05.03.2019

Diese Taktik haben wir in letzter Zeit auch schon oft gesehen: Eine Aussage die, würde sie vom regierungskritischen Lager gemacht als 100%-Voll-Nazi eingestuft und skandalisiert würde, ist plötzlich nur noch Satire / Spaß / Humor, wenn sie gegen das regierungskritische Lager gerichtet ist.  Und wer es anders sieht, der wird in süffisantem Ton darüber belehrt, er wäre eine Spaßbremse nicht ganz auf der Höhe der Zeit.

Dr. Hanns-Jürgen Mostert / 05.03.2019

Nun, die Antwort dieser Frau Wollenweber zeigt, daß sie nicht der deutschen Rechtschreibung, und das sollte sie als Mitarbeiter des Staatsfunkes, mächtig ist, zumnindest nicht vollständig. Sie schreibt dort von “ZuschauerInnen “. Das ist nicht nur orthographisch sowas von falsch sondern auch sexistisch. Denn, ich nehme an, daß nicht nur Zuschauerinnen sich den Staatsfunk antun, sondern auch Zuschauer. Und diese werden hier nicht erwähnt. Okay, alte weiße deutsche Männer gucken den Staatsfunk immer seltener, ihr IQ ist wohl zu hoch dazu. In diesem Sinne, Alaaf, morgen ist alles vorbei..

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