Peter Grimm / 12.02.2018 / 06:18 / 30 / Seite ausdrucken

Die Ansprache der Bundeskanzlerin zum Rosenmontag

Bislang wandte sich die Bundeskanzlerin immer nur am Vorabend eines neuen Jahres mit ihrer Neujahrsansprache an die Bürger. Aber in Zeiten, in denen jeder Karnevalsprinz und jedes Funkenmariechen seriöser und verantwortungsbewusster erscheinen als das Spitzenpersonal der Möchtegern-GroKo, ist es durchaus angebracht, wenn sich „Mutti“ am Vorabend des Rosenmontags an die Narren wendet.

Als Nicht-Narr, Nicht-Karnevalist und ohne den in diesen Tagen in den Karnevalshochburgen gültigen Alkohol-Normalpegel glaubte man ja nicht so recht, dass die nur schlecht als Interview getarnte Ansprache mit Stichwortgeberin, zu der sich die Landesherrin, wie man hörte, selbst eingeladen hat, wirklichen Unterhaltungswert bieten könne. Obwohl sie sich zur Verkündigung zum Rosenmontag das ZDF, mithin eine Anstalt aus einer Karnevalshochburg ausgesucht hatte, ließ sich kaum erhoffen, dass sie Narren und/oder Nicht-Narren hätte zum Lachen bringen können.

Auch einen Informationswert oberhalb des Wir-schaffen-das-Levels trauten ihr wohl die Wenigsten zu. Und tatsächlich, genau diese Erwartungen enttäuschte Angela Merkel mit ihrem Auftritt in Berlin direkt im ZDF nicht. Um Inhalte ging es einfach gar nicht. Die drängendsten Problemfelder, wie die unkontrollierte Zuwanderung, das Auseinanderdriften der EU, die Zinsentwicklung oder die Euro-Krise, kamen nicht einmal mit einer Andeutung vor. Daran hat die Kanzlerin kein Interesse und ihre ZDF-Stichwortgeberin sah sich offenbar auch in einer eher staatstragenden Rolle. Nur wegen des Unmuts in den Parteien der abgewählten und neuen Möchtegern-Koalition oder der Stimmung unter den Wählern, bei denen die „Große“ Koalition nicht einmal mehr eine einfache Mehrheit bekäme, muss man sich die Gesprächsstimmung offenbar nicht verderben lassen.

Der Plan B scheint klar

Wer allerdings tatsächlich einen Anflug selbstkritischer Demut oder nur den Hauch eines Anscheins, der Anerkennung der Möglichkeit erwartet hatte, sie selbst könne irgendeinen kleinen Fehler gemacht haben, wurde mit jeder Silbe eines Schlechteren belehrt. Auch wenn es weder Stichwortgeberin noch Kanzlerin explizit aussprachen: Um jeden Preis müssen Neuwahlen vermieden werden. Die Wähler zu fragen, daran lässt sie keinen Zweifel, das wäre das Allerletzte. Verständlich, denn die würden ihr mittlerweile nicht noch einmal die Chance geben, sich an einer Regierungsbildung zu versuchen und nebenbei würden die Bürger ihre Möchtegern-Koalitionäre mit Stimmenentzug an den Rand des Zusammenbruchs befördern.

Deshalb ist „Muttis“ Botschaft an ihr Volk, nein Verzeihung, natürlich an die Bevölkerung: Sie will mindestens noch vier Jahre Kanzlerin bleiben. Sie hätte sich der Bevölkerung schließlich für eine Legislaturperiode verpflichtet. Wen interessiert es schon, ob die Bürger sie verpflichten wollen? Ihr Plan B ist klar: Scheitert die Regierungsbildung am SPD-Mitgliederentscheid, dann – so sagte sie am Schluss des ZDF-Gesprächs ganz klar – ließe sie sich auch vom Bundespräsidenten für eine Minderheitsregierung ins Rennen schicken. Ob das eine Botschaft an die stimmberechtigten Sozialdemokraten war? Vielleicht wollte sie ihnen sagen: Egal, wie Ihr abstimmt, die Kanzlerin Merkel könnt ihr nicht verhindern. Stimmt ihr zu, dann gibt‘s immerhin auch für euch ein paar Posten zu verteilen.

Und die Signale an die eigene murrende Partei? Mit Kanzlerin Merkel wird es jetzt die Erneuerung von Angelas Gnaden geben, denn sie wird auch einige junge Talente mit an den Kabinettstisch holen. Wer also in allernächster Zeit noch etwas werden möchte, sollte mit dem Rebellieren vorsichtig sein.

Wär doch am Aschermittwoch alles vorbei

Und dass das Finanzministerium weg ist, dass bedauerte sie ja auch, aber ein Finanzminister unter ihrer Führung könne ohnehin nicht machen, was er wolle. Letztlich, das sprach aus jedem Satz, geht in ihrer Welt nichts, ohne dass sie ihren Platz im Kanzleramt behält. Gedanken an mögliche Nachfolger oder vorzeitiges Aufhören empfindet sie sichtbar als völlig absurd.

Sie setzt also immer noch darauf, weiter die Kapitänsmütze auf Deutschlands Kommandobrücke zu tragen. Dass das Publikum angesichts dessen an ein Narrenschiff denkt, hat allerdings nun wirklich nichts mit dem Rosenmontag zu tun. Das ist eigentlich schade, denn mittlerweile dürfte es auch viele Nicht-Narren geben, die sich wünschten, die deutsche Politik würde sich mehr nach den Regeln des Karnevals richten.

Dass Andrea Nahles am Faschingsdienstag die kommissarische Übernahme der Resterampe einer einst großen stolzen und mutigen Volkspartei mit einem dreifachen „Bätschi“ feiern kann, könnte als Bestandteil närrischer Rituale selbst hartnäckige Karnevals-Verweigerer noch zum Schmunzeln bringen. Aber nur, wenn dann am Aschermittwoch alles vorbei wäre. Ach, hätte uns die Kanzlerin das doch in ihrer Rosenmontags-Ansprache versprochen. Nicht nur die Narren hätten ihr zugejubelt.

Dieser Beitrag erschien auch hier auf sichtplatz.de

Achgut.com ist auch für Sie unerlässlich?
Spenden Sie Ihre Wertschätzung hier!

Hier via Paypal spenden Hier via Direktüberweisung spenden
Leserpost

netiquette:

Dirk Jungnickel / 12.02.2018

Was echauffiert ihr euch ?  Der Dame sind Einsichten nicht fremd, oder habt ihr das übersehen ?  Sie hat doch immerhin eingeräumt, dass wir in keinem Feudalstaat mehr leben.  Mit ihrem ihr eigenen Witz und ihrer Ironie hat sie klar gemacht, dass wir derzeit andere Verhältnisse haben.  Auch sollte man ihre Opferbereitschaft honorieren. Sie würde sogar, wenn’s der Bundespräsinden empföhle, Kanzlerin einer Minderheitsregierung werden.  Da war ob der Schönwetteraussichten sogar die versierte Moderatorin Frau Schausten für eine Schrecksekunde sprachlos.

Andreas Bitz / 12.02.2018

Und Frau Schausten: Handzahm, sie hatte sichtlich Probleme das im Privaten bei ihr übliche “Du, Angela” zu vermeiden.

peter luetgendorf / 12.02.2018

Sehr geehrter Herr Grimm, gut nachgedacht. Mit der Minderheitsregierung kann das doch gut klappen, wenn man bei Bedarf die Stimmen der Afd nutzt. Gruß peter luetgendorf

Karla Kuhn / 12.02.2018

“Und die Signale an die eigene murrende Partei? Mit Kanzlerin Merkel wird es jetzt die Erneuerung von Angelas Gnaden geben, denn sie wird auch einige junge Talente mit an den Kabinettstisch holen. Wer also in allernächster Zeit noch etwas werden möchte, sollte mit dem Rebellieren vorsichtig sein.” Oh, als “junges Talent” wäre ich aber vorsichtig, ich würde mich weigern ins Merkel Kabinett einzutreten.    Vielleicht ergeht es ihnen dann genau so wie einigen anderen “nicht mehr so jungen Talenten ?” Wenn es ein Narrenstreich wäre, könnte ich wenigsten noch versuchen zu lachen aber so bleibt es mir im Halse stecken. Der Frau scheint wirklich nichts peinlich zu sein. 

Michael Richartz / 12.02.2018

Nun, es wollen aber nach den letzten Umfragen immer noch deutlich mehr Bürger Frau Merkel als Kanzlerin haben als die Parteien der GroKo Stimmen auf sich vereinigen. Wie paßt das zu all den tatsächlichen oder nur herbeigeschriebenen Verfehlungen der geschäftsführenden Kanzlerin seit der Wahl? Bei aller tiefempfundener Zustimmung für einzelne Punkte des Artikels: Diese reine Schwarzmalerei ist offensichtlich eine Mindermeinung.

Heiko Jahn / 12.02.2018

Fällt diese Parallele nur mir auf? Der Zustand des Landes ähnelt der Situation vor ca. 75 Jahren. Damals dachte der “gewählte” und durch von Hindenburg ernannte Kanzler auch, er wüsste selbst alles besser, übernahm den Oberbefehl und fuhr den ganzen Laden mit Schwung vor die Wand. Die Wunderwaffen heißen heute natürlich nicht mehr so, aber es gibt ja wieder Projekte, die alles schlagartig zum Besseren wenden sollen. “Bildungsoffensive” zum Beispiel. Oder “Energiewende”. Wie Pispers so schön sagte: “Der Zug rast auf den Abgrund zu und wir dürfen alle 4 Jahre den Lokführer austauschen…”. Alternativlos.

Dr. Hans D. Lauk / 12.02.2018

Warum nur wird die Frau nicht endlich aus dem Amt gejagt? Es gibt in der CDU genügend Leute, die den Job weitaus besser machen würden. An Peronal ist kein Mangel, nur an Mut!

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen

Es wurden keine verwandten Themen gefunden.

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com