Ramin Peymani, Gastautor / 07.11.2018 / 06:10 / 26 / Seite ausdrucken

 Die Angst vor Friedrich Merz 

Nun ist sie eben weg – zumindest als CDU-Chefin. Kaum hatte Angela Merkel verkündet, im Dezember nicht wieder für den Vorsitz zu kandidieren, holten Deutschlands Journalisten ihre lange vorbereiteten Liebesbriefe aus der Schublade. Jeder hatte gewusst, dass dieser Tag nicht mehr fern sein würde, und alle waren bestens vorbereitet. Lobhudeleien an der Grenze zur Peinlichkeit begleiteten den Rückzug einer Frau, die nach den heftigen Turbulenzen in Bayern und Hessen den Notausstieg genommen hat, bevor andere den Schleudersitz aktivieren konnten. Kaum ein Presseorgan, das nicht in den Jubelchor einstimmen wollte. In Windeseile trafen die Gefälligkeitsadressen aus der ganzen Republik auch von Schauspielern, Musikern und Sportlern ein. Ganz so, wie man es aus den Staaten kennt, in denen die Günstlinge des Systems ihrer Führung unverbrüchliche Treue schwören.

Manch öffentlich-rechtlicher Fernsehmoderator schien gar mit den Tränen zu kämpfen, ähnlich wie in Nordkorea, wenn sich die Nachrichtensprecher heulend vom geliebten Führer verabschieden. Nur nächtliche Fackelzüge oder die obligatorische Militärparade hätten die Wirkung noch steigern können. Eine Parade wäre aber ohne ausländische Hilfe sowieso nicht möglich gewesen, verfügt die Bundeswehr doch weder über Personal noch Gerät für einen zünftigen Vorbeimarsch am Konrad-Adenauer-Haus. Im Ausland verspürte man allerdings wenig Lust, sich an den Feierlichkeiten zum Abgang einer Parteivorsitzenden zu beteiligen, deren Abschied als Regierungschefin nun sehnlichst erwartet wird.

Anders als hierzulande, waren die Reaktionen vielerorts eher gemischt. Wer genau hinsah, konnte hier und da gar ein gewisses Maß an Erleichterung herauslesen. Nicht so in Deutschland. Bestürzt zeigt sich ob des Abtritts ihrer Ikone vor allem die “Generation Schneeflocke”, die nie etwas anderes erlebt hat als die Willkommenskanzlerin und die CDU für die Schwesterpartei der Grünen hält.

Die an ihrem Stuhl klebt wie ein alter Kaugummi

Währenddessen zollt das Heer der Medienvertreter Merkel Respekt für den angeblich “würdevollen und selbstbestimmten” Rückzug. Dass dieselben Journalisten über Wochen gefordert hatten, die Unbelehrbare möge es endlich gut sein lassen, verdeutlicht die ganze Bigotterie der Branche. Selbstbestimmt war an der Aufgabe des Vorsitzes ohnehin nichts. Merkel wusste nur zu gut, was ihr beim CDU-Parteitag im Dezember geblüht hätte. Mit peinlicher Unterwürfigkeit werden nun ausgerechnet jener Frau blumige Wortgirlanden für ihre Bereitschaft zum Rückzug gebunden, die an ihrem Stuhl klebt wie ein alter Kaugummi.

Dass sie Kanzlerin bleiben will, auch um der UN einen letzten Dienst zu erweisen und ihre Verfassungsbrüche der letzten Jahre nachträglich zu legitimieren, macht deutlich, wie wenig sie daran denkt loszulassen. Allerdings könnten ihre Tage im Kanzleramt gezählt sein, sollte ihr tatsächlich ihr früherer Gegenspieler Friedrich Merz nachfolgen und nicht eine ihrer Kabinettsmarionetten. Der Schleudersitz könnte aber auch so zünden, denn der CDU stehen wichtige Wahlen bevor, deren Brisanz die in Bayern und Hessen noch übersteigt.

Brandenburg, Sachsen und Thüringen werden im Herbst kommenden Jahres ihre Landtage neu wählen. Ohne eine Veränderung im Kanzleramt wird es der CDU kaum gelingen, die AfD dort in Schach zu halten und aus dem Umfragetief herauszukommen. Schon die Europawahl im Mai dürfte schmerzhaft enden, sollte Merkel bis dahin immer noch regieren. Derweil machen Deutschlands Medien gegen Merz mobil. Sie hätten gerne eine der Getreuen als Nachfolgerin. “Merkels Plan” gehe nur mit Annegret Kramp-Karrenbauer auf, ließ der Spiegel seine Leser vielsagend wissen. Was wie eine Drohung klingt, darf durchaus als solche gewertet werden, wenn das auch innerhalb der Spiegel-Redaktion sicher niemand so verstanden wissen will.

Denn mit AKK an der CDU-Spitze könnte Merkel ungestört weiterarbeiten am Umbau eines Landes, dessen Schicksal ihr vor 13 Jahren anvertraut worden war und das schon heute kaum mehr wiederzuerkennen ist. Vor allem könnten Partei und Presse irgendwann den würdevollen Abschied vom Kanzleramt inszenieren, den sie uns jetzt schon beim Vorsitz vorgaukeln. Für die SPD wäre Merz hingegen ein Glücksfall. Zwar wäre der Bruch der “Großen Koalition” vorgezeichnet, doch hätte man endlich wieder ein Feindbild im Unions-Lager. Die Grünen hingegen brauchen Angela Merkel. Noch haben sie nicht die Mehrheit. Sicher sollen die journalistischen Merkel-Hymnen daher auch die Delegierten des CDU-Parteitags beeindrucken, denen das Kreuz hinter dem Namen Merz nur allzu leicht von der Hand gehen könnte.

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

HaJo Wolf / 07.11.2018

Merz ist ganz sicher keine Alternative zu Merkel. Merz ist nur ein formatloser Opportunist. Hätte er Rückgrat und politisches Format, hätte er sich nicht einfach kalt stellen lassen, sondern sich gegen Merkel gestellt, hätte versucht, den Abbau (Umbau ist das nicht, das ist Abbruch!)  Deutschlands zu verhindern. Mit Merz an der Spitze wird sich kaum etwas ändern. Wir brauchen einen Trump oder einen Kurz. Leider ist ein solcher nicht in Sicht.

Frances Johnson / 07.11.2018

Sie müssen es wie Nachrufe einordnen. Dann passt es. De mortuis nihil nisi bene. Das Kanzleramt muss ihr entwunden werden. Das kann nur die CSU, indem sie aussteigt. Aber leider (Dobrindt) ist davon nichts zu sehen. Zu viele Leichen im Keller? SPD? Auch Leichen, spätestens bekannt seit Maaßens Brief. Also will man den Filz weiter weben. Armes Deutschland.

H.Milde / 07.11.2018

Die CVs(-> Wiki) von einigen lobhudligen Journalisten sprechen für sich. Gerade die “ZEIT” ,früher selbst gern gelesen, die ja durch Helmut Schmidt; im Grabe rotiernder ExKanzler und SPD-Urgestein, einige erninnern sich?; mit “groß” gemacht wurde, hat sich leider zu einem veritablen selbstunkritischen ideologischen Hofmedium entwickelt. Es wird wohl langsam eng im Endverdaungstrakt der gehuldigten Politgrößen, werden bei den Koprophagen schon Einlasskärtchen verteilt, und Phiolen mit deren Speichel als Reliquien vertickt/verehrt? Bei Honneckers Erben knallen die Bourgeoisbrausekorken.

C. Harnisch / 07.11.2018

Ihre Legitimation ist und bleibt doch ihr sog. ‘humanitaerer Imperativ’. Bis heute darf sie weiter Rechtsbrueche begehen, ohne jegliche Konsequenzen zu fuerchten - auch ohne Pakt.—- ‘Eine Parade wäre aber ohne ausländische Hilfe sowieso nicht möglich gewesen, verfügt die Bundeswehr doch weder über Personal noch Gerät für einen zünftigen Vorbeimarsch am Konrad-Adenauer-Haus.’ Wenn dies keine Realsatire waere, koennte man hier wirklich herzlich lachen. Just in diesem Moment darf unsere ‘Kanonen-Uschi’ zukuenftig noch mehr Geld zum Fenster rauswerfen. Moeglicherweise wird dieses benoetigt, um kuenftige Lasttiere zu zuechten…

Walter Naumann / 07.11.2018

Die Untersuchungen gegen Blackrock kommen Frau Merkel wie gerufen. Die zuständige Staatsanwaltschaft Köln ist der NRW-Regierung unterstellt. Deren Chef heißt Laschet. Und der wiederum ist begeisterter Merkel-Fan .... und hat seine Sympathie für die Kandidatur von AKK gar nicht groß verheimlicht. Alles klar ?

A. Witzgall / 07.11.2018

Selbst bei der BILD-Zeitung geht das Thema, mit dem auf einem Kreuzfahrtschiff verlustig gegangenen Prominenten??,  seinem medialen Ende entgegen. Wie dankbar wird nun ein “Merz-Sturm” entfacht, nachdem der Schulz-Zug krachend gegen die Mauer gefahren ist. Die CDU, später noch die Republik,  können sich doch Wahlen glatt sparen. Kandidaten werden auf dem medialen Marktplatz “gemacht”. Demokratische Prozesse sind dabei (wie derzeit bei fast allen Entscheidungen) nur hinderlich. Keinem fällt offensichtlich auf, dass man geradezu einheitlich darauf hofft, dass er Millionen AfD Sympathisanten wieder heim holt, “ins Reich??”, quasi sie entnazifiziert. Aber ein einziger Merz-Sturm garantiert noch keine anhaltende Änderung der Großwetterlage. Die heftigen Medienblitze deuten nur darauf hin, dass der Donner nicht ausbleiben wird. Merz wird ohne die Nennung von “Eckpunkten” seiner zukünftigen Politik nicht allzu lange warten können. Egal wie er sich entscheiden wird. Mit “weiter so” könnte auch KKK ihren Job behalten,( der im Saarland ist ja eh weg), politische Arbeitslosigkeit steht vor der Tür. Oder er wird tatsächlich mehr konservativ, dann droht ihm der Nazi-Stempel von allen Seiten. Diese Merkel-Karre ist schon so gewaltig verfahren, dass ihn die Besitzer selbst nach einem Wechsel des Kutschers ohne fremde Hilfe nicht mehr fort bekommen. Die Wähler werden sich vielleicht für eine neue Karre entscheiden.

Regina Dexel / 07.11.2018

Wie lange ist es schon her, dass sich die Medien stramm auf Kurs hinter einen Kanzler stellten? Sich gemein machten mit ihm, der dann auch das ganze Land in den Untergang riss? Danke für diesen Artikel. Ich fand diese ganzen anbiedernden Lobeshymen einfach nur Brechreiz erregend. Besonders den Artikel „Was Merkels Kinder denken“ vom Welt Autor Frédéric Schwilden. „Merkels Kinder“ muss man in der Headline lesen! So wie damals, „dem Führer ein Kind schenken“?

Wolfgang Kaufmann / 07.11.2018

Stellen wir uns vor, eines Tages würde Herr Maaßen Generalbundesanwalt. Wen müsste er wegen Verletzung der Verfassung vor den Kadi bringen? Immerhin hat Hans-Jürgen Papier erst jüngst wieder einige Dinge beim Namen genannt. – Seit aber die Alt-68er in Amt und Würden sind, ist es in diesem Land völlig aus der Mode gekommen, für Untätigkeit, Rechtsbrüche oder Strafvereitelung Verantwortung zu übernehmen.

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Ramin Peymani, Gastautor / 27.05.2022 / 14:00 / 22

„The Deal“: Blick in eine dystopische Zukunft

Der soeben erschienene Film „The Deal“ ist ein Meisterwerk der Produzenten von „Independence Day“. Verstörend real wirkte das Gezeigte angesichts der letzten beiden Jahre, und…/ mehr

Ramin Peymani, Gastautor / 04.05.2022 / 06:15 / 61

Warum Boris Becker besser in die Politik gegangen wäre

Boris Becker wird mindestens die nächsten 15 Monate wegen Insolvenzverschleppung im Gefängnis verbringen. In der Politik wäre der deutschen Tennislegende das nicht passiert. Es war…/ mehr

Ramin Peymani, Gastautor / 25.02.2022 / 16:00 / 16

Der Dämon des Parteienstaates

Das 1967 geschaffene Parteiengesetz war ein Wendepunkt. Es gab den Parteien viel weitergehende Befugnisse und Einflussmöglichkeiten sowie Zugriff auf die Gelder der Steuerzahler. Seither hat…/ mehr

Ramin Peymani, Gastautor / 29.12.2021 / 16:00 / 22

An die Diskursfeinde

Wie kann es sein, dass einer, der aus eigener Erfahrung weiß, wie unangenehm eine Corona-Erkrankung sein kann, als „Corona-Leugner“ diffamiert wird, nur weil er die…/ mehr

Ramin Peymani, Gastautor / 06.12.2021 / 16:00 / 13

Gottloses Weihnachtstheater

Die besinnliche Zeit ist immer auch eine Zeit der Tränen, dieses Jahr mehr denn je. Zum zweiten Mal gibt es staatlich verordnete Einsamkeit, die Familien…/ mehr

Ramin Peymani, Gastautor / 30.11.2021 / 11:00 / 28

In der Impfpflicht-Talkrunde bei Servus TV

Reisen bildet. Schon Mark Twain wusste: „Man muss reisen, um zu lernen.“ Und so bin auch ich mit vielen Eindrücken und Erkenntnissen aus Salzburg zurückgekehrt.…/ mehr

Ramin Peymani, Gastautor / 23.11.2021 / 15:00 / 38

Unheilvolle Signale: Die Schrecken der Impfpflicht

Es ist aber auch wirklich vertrackt mit dem Totalitarismus. Er nutzt immer nur einigen wenigen. Und immer nur eine begrenzte Zeit. Das sollten die Hetzer…/ mehr

Ramin Peymani, Gastautor / 16.11.2021 / 11:00 / 23

Klimagipfel: Das programmierte Scheitern der Heuchler

Auch der 26. Weltklimagipfel war nicht mehr als das Schaulaufen der Heuchler. 14 Tage lang durfte nach Herzenslust CO2 produziert werden, mehr vielleicht als es…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com