David Harnasch / 09.03.2007 / 14:28 / 0 / Seite ausdrucken

Die Angst der Woche (regulär): Telephonphobie

(Nicht zu verwechseln mit der Mobilfunkphobie, die gesondert getestet werden wird)

Zielgruppe: Alle, die ungern telefonieren. Laut SPIEGEL online besonders Helen Mirren: „Die ‚Queen’-Darstellerin sagte, sie habe eine panische Abneigung vor dem Telefonieren, berichtet ‚The Sun’. ‚Ich rufe nie, nie zurück. Ich habe große Angst vor dem Telefon. Wenn irgendmöglich, nehme ich auch den Hörer überhaupt nicht ab’, so die 61-Jährige.“

Sozialprestige:
In den USA gilt eine schlechte „reachability“ mindestens als Ausweis fehlender Manieren, wenn nicht als komplett asozial. Im ebenso standesbewussten wie traditionell fortschrittsfeindlichen europäischen Bildungsbürgertum kokettiert man hingegen mit der Unfähigkeit, selbst einfachste technische Geräte zu bedienen. Das soll als distinguiert fehlverstanden werden.
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Wahnwitzfaktor:
Kein Mensch käme auf die Idee, aus grundsätzlicher Technikfeindlichkeit seine Wäsche von Hand im Fluss zu waschen oder über offenem Feuer zu kochen. Selbst die finstersten Ökoapokalyptiker wissen um die verheerende Ineffizienz und Umweltbilanz früherer Alltagsgestaltung. Ein Datenpaket von nicht mal zehn Kilobyte aber mit Tinte auf Papier (Bäume!) zu schreiben und dann von Menschen in Autos, Flugzeugen und Zügen quer durch die Welt transportieren zu lassen, gilt seltsamerweise dennoch uneingeschränkt als besonders „persönlich“ und edel.
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Persönlicher Nutzen:
Ausgerechnet Angehörige der Berufsgruppe, deren „Freunde“ in Wirklichkeit ihre schlimmsten Feinde sind, können von denen ständig und immer belästigt werden: Berufspolitiker nutzen selbst Toilettengänge zum Abhören der Mailbox. Ausnahme: Gerhard Schröder, der noch 2005 kein Händie besaß – dafür aber einen Steinmeier.
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Gesellschaftlicher Schaden:
Selbstgenügsame Geister heroisieren ihren Autismus als Auflehnung gegen den als kapitalistische Neuerung empfundenen „Zwang zur ständigen Verfügbarkeit“. Einem wohlwollenden Fremden oder - schlimmer noch - einem Freund ohne besondere Gründe die Kontaktaufnahme zu erschweren ist dabei in Wirklichkeit eine Unverschämtheit. Wer meint, so außergewöhnlich hoch über seinen Mitmenschen zu stehen, dass er dies als sein Recht ansieht, dem sei gesagt, dass selbst die (echte) Queen nach Auskunft ihrer Enkel nicht nur in der Lage ist, per SMS zu kommunizieren, sie beherrscht sogar die hierbei üblichen Abkürzungen („cu l8r“). Und über der Queen steht nur Gott.
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Fazit:
Eine Angst nur für Logopädiepatienten und egozentrische Idioten, deren Freundeskreis sich hierdurch völlig zu recht minimiert. Wir empfehlen sie niemandem, der auf unsere Freundschaft wert legt.
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