Walter Schmidt / 08.02.2007 / 21:19 / 0 / Seite ausdrucken

Die Angst der Muslime vor der Mehrheitsgesellschaft

Der großartige Bassam Tibi hat einst das Wort von der “verordneten
Fremdenliebe” geprägt, die das Weltbild der meisten deutschen Islamexperten
kennzeichne, die - so Tibi - es nach der Erfahrung des Holocausts an den
europäischen Juden aus Angst vor dem Vorwurf einer
vermeintlichen “Islamophobie” nicht wagten, fundamentalistische
Tendenzen innerhalb des Islams offen zu kritisieren und das Konzept einer
multikulturellen Gesellschaft grundsätzlich in Frage zu stellen.

Was Bassam Tibi mit seinem Wort von der “verordneten Fremdenliebe”
konkret meinte, konnten die Leser der “Berliner Zeitung” vom 07.02.2007
mehr oder weniger deutlich am Beispiel eines Interviews im Feulleton mit
dem Ethnologen und Islamexperten Werner Schiffauer studieren.

Unter dem Motto “Die Muslime haben Angst vor den Deutschen” versucht
Werner Schiffauer uns die hierzulande lebenden Muslime als die “Juden von
heute” zu präsentieren, denen u.U. sogar ein neuer “Holocaust”,
zumindest jedoch vereinzelte Pogrome vonseiten der sog. “deutschen
Mehrheitsgesellschaft” drohten.

O-Ton Werner Schiffauer:

“Seit dem 11. September 2001 wird das Islambild in der Öffentlichkeit
zunehmend von einer Assoziationskette bestimmt, die den Islam mit
Islamismus und Islamismus mit Terrorismus gleichsetzt. Es ist in weiten
Teilen der Bevölkerung eine Islamophobie entstanden, die im Kern bedeutet:
Wir wollen keine Muslime als Staatsbürger in Deutschland. Auch die
Ausländerbehörden reagieren zunehmend zögerlich, wenn es darum geht,
Muslimen die Einbürgerung zu bewilligen. Der umstrittene
Einbürgerungsfragebogen von Baden-Württemberg ist nur die Spitze des Eisbergs, das
Mißtrauen, das er artikuliert, spiegelt die bundesweite Praxis wider.
Die Loyalitätsprüfung zur Verfassung läßt viel Spielraum für
individuelle Beurteilungen, sie hat den Einbürgerungsbehörden die Tür weit
für einen Abgrenzungsdiskurs gegen Muslime geöffnet.”

Nun ja, daß viele Muslime sich permanent durch irgendetwas
beleidigt fühlen, scheint ganz offensichtlich zum Weltbild des Islam zu
gehören. Daß dieser Dauerzustand des Beleidigtseins jedoch analog zum
Bau zahlreicher neuer Moscheen in Deutschland nicht ab- sondern eher
noch zunimmt, sollte allerdings auch ernstzunehmenden Islamexperten
eigentlich zu denken geben, nicht so Werner Schiffauer, der sich stattdessen
weiterhin in der bewährten hohen Kunst der Empathie mit den
beleidigten Muslimen hierzulande versucht.

O-Ton Werner Schiffauer:

“Die Botschaft, daß man als Muslim, vor allem als rechtgläubiger
Muslim, in diesem Land, in dem man aufgewachsen ist und dessen Sprache man
spricht, nicht willkommen ist, hat etwas unglaublich Kränkendes. Das
führt dazu, daß man sich zurückzieht und zunehmend Angst hat, die
türkische Staatsbürgerschaft aufzugeben.”

Wenn es also sog. “Ehrenmorde” und “Zwangsverheiratungen” in sog.
“Parallelgesellschaften” hierzulande gibt, so ist daran - nach Werner
Schiffauer - v.a. die sog. “deutsche Mehrheitsgesellschaft” schuld -
und nicht die fundamentalistischen Muslime, die sich weniger am Grundgesetz
als vielmehr an der Scharia orientieren.

Schließlich wird Werner Schiffauer angst und bange bei der Frage, was
passieren würde, wenn es hierzulande einen von Muslimen zu
verantwortenden Terroranschlag gäbe.

O-Ton Werner Schiffauer, der sich an dieser Stelle seines Interviews
mit der “Berliner Zeitung” vom 07.02.2007 in die Gemütslage hiesiger
Muslime hineinversetzt:

“‘Wie wird es (...) erst, wenn etwas passiert? Wie sicher sind wir dann
in diesem Land? Werden wir die türkische Staatsbürgerschaft
vielleicht noch brauchen, nicht jetzt, aber in fünf oder zehn Jahren, wenn sich
die Dinge so weiter entwickeln?’ - das sind Fragen, die in den
Gemeinden diskutiert werden. Es werden auch Erinnerungen an den Holocaust (!)
zitiert, die sich etwa an den zum Teil hysterischen Reaktionen auf den
Van-Gogh-Mord in Holland festmachen.”

Nun ja, wenn Muslime zumindest die Faktizität des Holocaust mehr als
sechzig Jahre nach Auschwitz endlich anerkennen, so ist dies natürlich
schon ein beträchtlicher Fortschritt, den man nicht geringschätzen
sollte. Sich selbst jedoch als “Opfer eines nuen Holocausts” (!) in
Holland hinzustellen, nur weil es nach dem Mord an Theo Van Gogh vielleicht
einige durch nichts zu rechtfertigende militante Reaktionen der sog.
“holländischen Mehrheitsgesellschaft” gegen einzelne Moscheen sowie
gegen einzelne muslimische Mitbürger in den Niederlanden gab, ist schon
reichlich starker Tobak.

Wie könnte man nun, ginge es nach Werner Schiffauer, einer weiteren
Diskriminierung der Muslime hierzulande entgegenwirken und der Gefahr
eines neuen “Holocausts” zuvorkommen?

Nur wenn der Islam aus der “Schmuddelecke” herauskommt und zu einer
wahren “Bürgerreligion” (für alle?) wird, ist nach Werner Schiffauer
Besserung in Sicht. Und erst wenn der erste bekannte fromme,
rechtgläubige und wertkonservative Muslim endlich als frei gewählter Abgeordneter
im Deutschen Bundestag sitzt, wäre, so Schiffauer, der Islam wirklich
in Deutschland angekommen.

Daß es dazu vermutlich erst dann kommen wird, wenn die Muslime
hierzulande durch eine möglichst geschickte Bevölkerungspolitik von der
Minderheit zur Mehrheit geworden sind und die Scharia nicht allein in
Nordrhein-Westfalen sondern bundesweit gilt, verschweigt unser
Islamexperte Schiffauer wohlweislich.

Stattdessen vergleicht er die Schwierigkeiten des moderaten Islams mit
seinen fundamentalistischen Glaubensbrüdern und -schwestern mit den
Geburtswehen der grünen Bewegung in Deutschland, die sich einst im
streit zwischen “Fundis” und “Realos” aufrieb und schließlich entzweite.
Leider versäumt es Schiffauer an dieser Stelle darauf hinzuweisen, daß
selbst eine Jutta Ditfurth es wahrscheinlich niemals in Erwägung
gezogen hat, sich selbst und mit ihr zahlreiche unschuldige Opfer per
Suicide Attack ins Paradies - oder sollte man bei den GRÜNEN besser sagen in
den Rousseauschen Garten - zu befördern.

Jedenfalls gebührt die “Goldene Burka” des Monats Februar in puncto
Empathie mit den Muslimen als den “Juden von heute” zweifellos dem
Ethnologen und deutschen Islamexperten - oder sollte man
besser sagen Islamversteher - Werner Schiffauer, der sich mit seinem
Interview im Feuilleton der “Berliner Zeitung” vom 07.02.2007 nachhaltig für
eine der kommenden Talk-Shows zum Thema “Muslime unter Generalverdacht”
im deutschen Unterschichtenfernsehen empfohlen hat.

P.S.: Das ganze Interview mit Werner Schiffauer ist nachzulesen unter
folgender Internetadresse:
http://www.berlinonline.de/berliner-zeitung/print/feuilleton/626846.html

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