Von Jesse Ausubel.
Forstwirte sprechen von einer „Forest Transition“, wenn eine Nation wieder mehr Waldflächen gewinnt als verliert. Frankreich verzeichnete 1830 die erste Forest Transition. Seitdem hat sich dort nicht nur die Bevölkerung verdoppelt, sondern auch die Größe der Wälder. Anders gesagt: Der Waldverlust hat sich von der Bevölkerungsentwicklung entkoppelt. Legt man die Anzahl der Bäume zugrunde, erlebte Amerika schon 1950 seine Forest Transition, flächenmäßig schließlich dann im Jahr 1990. Die Forest Transition begann bereits im Jahr 1900, als Connecticut und dutzende andere Staaten beinahe keine Waldflächen mehr besaßen. Teddy Roosevelt würde das satte Grün in New England, Pennsylvania und New York heute kaum mehr wiedererkennen. Er kannte die Staaten als Weizenfelder, Weideflächen für Schafe und nackte Berghänge, die Holzfällern zum Opfer gefallen waren.
Genauso wie das Erreichen des Scheitelpunkts in der Ackerlandnutzung fordert die Forest Transition Anstrengungen von der Nachfrage- und der Angebotsseite. Forstwirte können das Holzangebot durch die Verbesserung von Ernte und Anpflanzungen optimieren. Allein schon bevorzugt Holz in warm gelegenen, schnell wachsenden Wäldern zu ernten, als in kühl gelegenen, langsam wachsenden Wäldern, kann einen großen Unterschied machen. Ein Hektar amerikanischen Waldes in kühler Lage bringt 3,5 Kubikmeter Holz pro Jahr. Dagegen liefert ein Hektar in warmer Lage jährlich eine Ernte von 7,4 Kubikmetern! Eine Verlagerung der amerikanischen Holzernte zwischen 1976 und 2001 von kühleren Regionen in den warmen Südwesten hat die abgeholzten Flächen von 17,8 Millionen auf 14,7 Millionen Hektar reduziert. Das ist mehr als die Waldfläche des Yellowstone-Nationalparks (0,9 Millionen Hektar) oder der von Connecticut (1,3 Millionen Hektar).
In Waldkulturen lässt sich Holz deutlich effizienter produzieren als in Wäldern, die nicht entsprechend verwaltet werden. Sie können eine steigende Nachfrage besser erfüllen und schonen andere Wälder zum Zwecke der Biodiversität und für andere Vorzüge. Der Anbau in Plantagen statt in natürlichen Wäldern hat auf den Holzertrag übrigens einen noch größeren Einfluss als die warme oder kühle Lage des Waldes. Brasilianische Eukalyptus-Plantagen liefern jährlich 40 Kubikmeter Nutzholz pro Hektar: fünfmal so viel wie ein natürlicher Wald in warmer Lage und zehnmal so viel wie ein kühler, nördlich gelegener Wald. In den letzten Jahren stammte rund ein Drittel der Holzerträge aus Plantagen. Sollte sich dieser Anteil auf 75 Prozent erhöhen, könnte sich die Fläche der abgeholzten natürlichen Wälder um die Hälfte reduzieren. Allein die Tatsache, dass Bäume in Plantagen doppelt so schnell wachsen wie in Wäldern, bedeutet, dass die Ernte eines Hektars Plantagenholz zwei Hektar natürlichen Wald verschont.
Das „Eiserne Pferd“ war tatsächlich ein hölzernes
Ähnlich aufschlussreich sind die Vorgänge auf der Nachfrageseite: Früher nutzten wir Holz, um unsere Häuser zu heizen und zum Beispiel – diese Nutzung ist heute fast vergessen – für Eisenbahnschwellen. Das „Eiserne Pferd“ war tatsächlich ein hölzernes – seine Schienen waren auf zahllose Bäumen gebettet, aus denen Schwellen und Brücken gearbeitet waren. Auch die Züge selbst bestanden aus hölzernen Waggons. Leland Stanford, der Präsident der Southern Pacific Railroad und der Central Pacific Railroad während ihrer größten Expansion, war vermutlich der fleißigste „Abholzer“ in der Geschichte der Menschheit. Es ist keine Überraschung, dass er deshalb einer der größten öffentlichen Befürworter für den Erhalt der Wälder war; er wusste schließlich, wie sehr ihnen der Eisenbahnbau zusetzte. Die Forstverwaltung der Vereinigten Staaten wurde um 1900 gegründet, was vor allem aufgrund des erwarteten Nutzholz-Mangels durch die Erweiterung der Eisenbahnen geschah.
Zum Glück für die Natur war das Schienennetz irgendwann groß genug. Durch Teeröl konnte das Holz länger konserviert werden und Beton ersetzte es schließlich. Schaut man sich die drei größten Nutzungsbereiche für Holz an – Brennstoff, Baumaterial und Papier – so wird deutlich, dass es als Energierohstoff und Baumaterial seit 1960 an Bedeutung verloren hat. Die Weltproduktion insgesamt ist gesättigt. Die Papiernachfrage stieg beständig. Allerdings, nach Jahrzehnten unerfüllter Prognosen über eine „papierlose“ Gesellschaft ließen Westküsten-Magnate wie Steve Jobs und Jeff Bezos mit ihren E-Readern und Tablets den Markt für Zellstoff und Papier – dem letzten starken Sektor für Holzprodukte – bröckeln. Zeitungskiosks und Schreibwarenläden sind Relikte vergangener Zeiten. Viele Papierprodukte wie Stenoblöcke oder Endlospapier sind inzwischen als Exponate im Technikmuseum zu bestaunen. E-Mails haben die Briefpost abgelöst. Expresszustellungen in Amerika sind allein zwischen 2007 und 2012 um ein Viertel zurückgegangen. Als Angestellter der Rockefeller-Universität würde ich an dieser Stelle gerne anmerken, dass John D. Rockefeller die Wale gerettet hat, indem er Walrat durch Petroleum ersetzte. ARPANET und die Erfinder der E-Mail verdienen einen Orden für die Rettung der Wälder!
Globale „Ergrünung“
Fortschritte in der Land- und Forstwirtschaft sowie neue Technologien, die den Bedarf bestimmter Rohstoffe wie Holz senken, führen zu einer globalen „Ergrünung“, dem wichtigsten ökologischen Trend für unsere Erde. Die Biosphäre an Land wird Jahr für Jahr größer, und das in einer Größenordnung von über zwei Milliarden Tonnen. Forscher finden heutzutage wöchentlich Beweise hierfür, in den wüstenhaften Regionen Australiens und Afrikas ebenso wie im feuchten Deutschland und den nördlichsten Wäldern. Der wahrscheinlich offensichtlichste Grund hierfür ist die Zunahme von Treibhausgasen in der Atmosphäre. Tatsächlich leiten Landwirte Kohlendioxid in ihre Gewächshäuser, damit die Pflanzen besser gedeihen. Die meisten Pflanzen brauchen Kohlendioxid, um sich wohl zu fühlen. Außerdem hilft es Pflanzen dabei, bei gleichem oder sogar geringerem Wasserbedarf schneller zu wachsen.
Charles David Keeling und Ralph Keeling aus Kalifornien fertigen seit 1958 detaillierte Aufzeichnungen über das Kohlendioxidgehalt in der Biosphäre an. Die immer größer werdende Amplitude, welche die jahreszeitlichen Schwankungen des Kohlendioxidgehalts erfasst – im Winter entlässt die Biosphäre CO2 in die Umwelt, im Sommer nimmt sie CO2 auf –, ist ein weiteres Zeugnis der beständigen Zunahme des Kohlendioxidgehalts. Dabei handelt es sich um ein globales Phänomen, welches das Potenzial hat, in vielen Regionen der Welt zu einer Vergrößerung der Biosphäre beizutragen.
In manchen Gegenden, vor allem in höheren Lagen der nördlichen Hemisphäre, hat sich wohl aufgrund der globalen Erwärmung die Anbausaison verlängert. Die längeren Wachstumsphasen der Pflanzen lassen sich besonders gut in Finnland beobachten. Manche Regionen, unter anderem in Afrika südlich der Sahara, berichten von mehr Regen und mehr Vegetation. Vergleiche von Satellitenbildern durch Ranga Myneni und Kollegen zeigen für die Biosphäre von 1982 bis 2011 wenige braune, dafür enorme Ausdehnungen grüner, vegetationsreicher Flächen.
Lesen Sie morgen: Die Dematerialisierung Amerikas
Professor Jesse H. Ausubel ist Leiter des Programms für menschliche Umwelt und Senior Research Associate der Rockefeller Universität in New York. Bei dieser Serie handelt es sich um eine Übersetzung aus dem Amerikanischen.
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