Die Andersgrünen: Energiemythen (4)

Von Michael Shellenberger.

Stellen wir das Thema Strahlung in einen noch größeren Zusammenhang. Wer in einer Großstadt wie London, Berlin oder New York lebt, erhöht sein Sterberisiko um 2,8 Prozent, alleine durch Luftverschmutzung. Wer mit einem Zigarettenraucher zusammenlebt, erhöht sein Sterberisiko um 1,7 Prozent. Aber wer bei den Reinigungsarbeiten in Tschernobyl mitgemacht hat, erhöht sein Sterberisiko um gerade mal 1 Prozent. Das liegt einfach daran, dass die Strahlenbelastung nicht so hoch war, wie viele dachten.

Ich komme aus dem US-Bundesstaat Colorado, wo die jährliche Strahlenbelastung in etwa so hoch ist wie die von Menschen, die in der Nähe von Tschernobyl wohnen. Das ist alles wirklich elementare Wissenschaft und einfach im Internet abrufbar, aber keiner weiß es. Nur acht Prozent aller befragten Russen konnten die Todesrate von Tschernobyl korrekt schätzen, und null Prozent die von Fukushima.

Derweil gibt es sieben Millionen vorzeitige Todesfälle pro Jahr durch Luftverschmutzung, und die Hinweise auf Schäden durch Feinstaub werden immer stärker. Darum kommt jede größere Fachzeitschrift, die sich mit der Atomenergie beschäftigt, zu dem Schluss, dass sie die sicherste Art und Weise ist, Elektrizität zu erzeugen. All dies führt uns zu einer unbequemen Schlussfolgerung – einer, zu der auch der Klimawissenschaftler James Hansen vor kurzem kam: Atomenergie hat tatsächlich 1,8 Millionen Leben gerettet. Darüber hört man nicht so viel.

Solarenergie erzeugt 200- bis 300-mal so viel toxischen Müll wie Atomenergie

„Aber was ist mit dem Müll?“, werden viele fragen. Das Wichtigste am Atommüll ist, dass er der einzige Müll aus Stromerzeugung ist, der an einem sicheren Ort eingeschlossen wird. All der andere Müll aus Stromerzeugung geht in die Umwelt, einschließlich dem von Kohle, Erdgas und – noch eine unbequeme Tatsache – dem von Solaranlagen. Außerhalb der EU gibt es keine Pläne, Solaranlagen zu recyceln. Das heißt, dass all unsere Solaranlagen in Kalifornien zu Abfall werden. Und dieser Abfall enthält schwere, giftige Metalle wie etwa Chrom, Kadmium und Blei. Wie viel toxischen Solarabfall gibt es? Um eine Ahnung davon zu bekommen, sollte man beachten, dass sehr viel mehr Material nötig ist, um Energie aus Solar- und Windkraftanlagen zu erzeugen als aus Atomkraftwerken. Daher erzeugt Solarenergie tatsächlich 200- bis 300-mal so viel toxischen Müll wie Atomenergie.

Was ist mit der nuklearen Proliferation? Falls irgendein Risiko bestünde, dass mehr Atomenergie die Gefahr eines Atomkrieges erhöhen würde, wäre ich dagegen. Ich glaube daran, dass Diplomatie fast immer die richtige Lösung ist. „Aber was ist mit Nordkorea?“ Korea zeigt, dass ich Recht habe. Um Atomkraft zu bekommen – und so ist es schon seit 50 Jahren – muss man zusagen, dass man keine Atomwaffen anstrebt. Das ist der Deal.

Südkorea wollte die Atomkraft. Sie waren damit einverstanden, dass sie dann keine Atomwaffen bekommen würden. Sie haben auch keine. Nordkorea wollte die Atomkraft. Ich denke, sie hätten sie bekommen sollen. Wir haben sie ihnen verwehrt, aus verschiedenen Gründen. Sie haben Atomwaffen entwickelt. Sie testen Raketen, die Japan erreichen können und bald auch Kalifornien. Hinweise, dass Atomenergie zu Atombomben führt, werden Sie also weder in Korea noch sonst irgendwo finden.

Wohin führt uns das alles? Zu noch mehr unbequemen Wahrheiten. Zum Beispiel: Wenn Deutschland nicht seine Atomkraftwerke abgeschaltet hätte, wäre der deutsche CO2-Ausstoß 43 Prozent niedriger, als er heute ist. Und wenn Ihnen der Klimawandel Sorgen macht, ist das etwas, womit Sie sich zumindest auseinandersetzen müssen – insbesondere angesichts der Tatsachen, die ich hier vorgestellt habe, über die Gesundheitsauswirkungen der verschiedenen Energieträger.

Ich möchte schließen mit einem Zitat von jemand anderem, der auch seine Meinung zur Atomkraft geändert hat. Jemand, der auch ein großer Held meiner Kindheit war, und das ist Sting: „Wenn wir die globale Erwärmung wirklich in den Griff kriegen wollen, ist Atomkraft der einzige Weg, um massenhaft Energie zu erzeugen.“

Michael Shellenberger ist US-amerikanischer Umweltaktivist und Leiter des Breakthrough Institutes. Bei dieser Serie handelt es sich um die Übersetzung eines Vortrages, den Michael Shellenberger im November 2017 in Berlin gehalten hat.

 

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Foto: Pixabay

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Leserpost

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Sabine Schönfelder / 25.12.2018

Genauso ist es @ Herr Precht. Eine Behauptung jagt die nächste, und so behaupte ich, daß solche Aussagen nicht wirklich objektivierbar sind. Man kann aber einfach selbst vergleichen und beobachten, und da trägt alles was brennt, eindeutig zur CO2-Belastung bei. Das spricht für Atomstrom, der mittlerweile sowohl mit geringeren Halbwertszeiten, als auch mit weniger Müllproduktion betrieben werden kann. Ist die Klimaerwärmung menschgemacht?  Das ist ebenso spekulativ, wie die Prognosen hinsichtlich der Lebenserwartung. Vergleicht man das Klima von heute mit den Klimata vergangener Zeiten, gibt es keinen Grund zur Besorgnis. Man muß sich die Frage stellen, warum man dennoch weltweit an der Durchsetzung dieser Mutmaßung arbeitet. Darüber sollte sich der intelligente Mensch Gedanken machen.

R. Nicolaisen / 25.12.2018

“Umweltaktivist” als Beruf ist mir dann doch etwas sehr zu mager! In Wikipedia (Anglo) findet man keinerlei qualifizierende Berufsausbildung unter “Career”. Was ist er also mehr als irgendein anderer Schwärzer, der sich gut zu vermarkten versteht?

E. Thielsch / 25.12.2018

Da stimmt einiges nicht:1. Reaktoren, die mit ‘schnellen’ Neutronen Kerne spalten (Und fast alle geplanten Reaktoren deriV. Generation beruhen auf diesem Prinzip) sind nicht nur bei der Brennstoffnutzung100 mal effizienter, sie ‘verbrennen’ auch die abgebrannten Kernbrennstäbe aus den Leichtwasser-Reaktoren, die wir gerade abschalten. Die sind alsokein ‘Abfall’, sondern sehr wertvoller Brennstoff für die Zukunft! Was aus diesen ‘Schnellen Brütern’ herauskommt, ist nach nur 300 Jahren nicht mehr radioaktiv, es braucht also kein ‘Endlager’ - das ist nur ein Popanz der Grünen. Näheres auf der Seite ‘Nuklearia Die Freiheitsmaschine’. Zum anderen ist WINDKRAFT die wirklich üble Verseuchung. Für die Generatoren braucht man Magnete aus Neodym (Für die Motoren von E-Mobilen übrigens auch). Neodym ist in seinen Lagerstätten mit Uran und Thorium vergesellschaftet und diese radioaktiven Elemente sind zwangsläufig im ‘Abfall’ des Bergbaus enthalten und werden auf Halden gelagert und gelangen so in die Umwelt. Die Schäden in China, den grössten Neodym-Produzenten, können als eine der grössten Umweltkatastophen aller Zeiten angesehen werden: Radioaktivität und andere Gifte haben dort Landstriche verwüstet, und tausende Menschen starben bereits daran. ‘Das schmutzige Geheimnis sauberer Windräder’ zeigt dies - Und wenn erst Millionen von E-Mobilen unterwegs sind, wird diese Umweltkatastrophe unermessliche Ausmasse annehmen!

Gottfried Meier / 25.12.2018

....wäre der CO2-Ausstoss um 43% niedriger. Ist diese Zahl verifiziert? Das wäre wirklich ein Hammer.

Lef Kalender / 25.12.2018

Ich meine auch (wie Kommentar #1), dass sich der Schreiber mit diesen Zahlen disqualifiziert. Nur ein Beispiel: “Derweil gibt es sieben Millionen vorzeitige Todesfälle pro Jahr durch Luftverschmutzung, und die Hinweise auf Schäden durch Feinstaub werden immer stärker.” Man könnte Zahlen als vage Schätzung nennen, aber diese Zahlenspielereien sind absolut unseriös. Umgekehrt könnte gerade Umweltschmutz aller Art (und hier auch radioaktive Belastung) als Erhöhungsfaktor der Lebenserwartung genannt werden - rein statistisch sicherlich belegbar. “Den Teufel mit dem Beelzebub vertreiben” ist nicht der richtige Ansatz - schade.

Rafael Sterzer / 25.12.2018

@ Emmanuel: Natürlich liegt das Sterberisiko bei jedem Menschen bei 100% Im Artikel wir jedoch über eine Risikoerhöhung geschrieben. Das ist wohl ein Unterschied. Also ist die Wahrscheinlichkeit zu sterben 100%, ob ich jedoch früher sterbe hängt von Faktoren, die im Artikel beschrieben wurden und die mein früheres Ableben begünstigen oder eben auch nicht. So verstehe ich das.

Emma W. in Broakulla, Schweden / 25.12.2018

Der Atomkraft habe ich sehr lange kritisch gegenüber gestanden sehe sie inzwischen aber differenzierter und stimme Herrn Shellenberger weitgehends zu. Was die globale Erwärmung angeht könnten wir sie mit Atomkraft jedenfalls am besten in den Griff bekommen -  wenn sie denn menschengemacht wäre. Das die Klimaerwärmung menschengemacht ist wird aber aus gutem Grund angezweifelt. Eine sichere Energieversorgung ( bezogen auf die Stromversorgung) ist auf die Dauer nur mit Atomkraft möglich aber wie kann ein nicht menschengemachter Klimawandel damit verhindert werden?

jo pabst / 25.12.2018

Dafür gibts in D Politik im Pippi Langstrumpf Stil. Die entsprechenden Zitate, aus dem Buch wohlgemerkt, kann sich jeder selbst suchen.

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