Eran Yardeni, Gastautor / 21.02.2016 / 14:00 / 22 / Seite ausdrucken

Die AfD - Das Thermometer der deutschen Politik

Eran Yardeni

In dem Kasperletheater der deutschen Politik fallen im Moment zwei Puppen besonders auf: Klöckner und Oppermann. Die eine unterstützt „ausdrücklich“ die Flüchtlingspolitik von Frau Merkel, die keine Obergrenze kennt, gleichzeitig aber lobt sie die von Österreich eingeführte Obergrenze von maximal 80 Asylanträgen am Tag.

Der andere nennt in einem Interview mit der Stuttgarter Zeitung (22. Januar 2016) die Obergrenze „Augenwischerei“, sitzt aber er bei Maybrit Illner (18. Februar 2016) ziemlich gelassen und bequem da und mahnt, dass die Integration der Flüchtlinge nicht gelingen kann, wenn wir jedes Jahr eine Million Flüchtlinge aufnehmen werden. Also doch Obergrenze.

Diese politische Schizophrenie ist nicht nur in der SPD und der CDU/CSU verbreitet. Die Linken haben daraus schon längst eine Ideologie gemacht.

Diese Partei sollte das eiserne Schutzschild der Unterschichten sein, der Armen, der Schwachen, derjenigen, die durch die herrschende hemmungslose Wirtschaftskultur  dazu verdammt wurden, am Rande der Gesellschaft zu vegetieren. Sie sollte ihre Interessen verteidigen, die Ursachen ihres endlosen Elends bekämpfen und vor allem die soziopolitischen Fehlkonstruktionen der Gesellschaft entlarven, die der ökonomischen und kulturellen Ausgrenzung der Unterschichten die trügerische Form einer Naturkatastrophe, eines Schicksalsschlags geben. Und dann kam die Flüchtlingssintflut und hat uns das Gegenteil bewiesen.  

Bis auf Sarah Wagenknecht, die schon längst richtig erkannt hat, dass die massenhafte Aufnahme von Flüchtlingen die Unterschichten und die unteren Schichten des Mittelstandes in unmögliche Verteilungskämpfe versetzt, verraten die anderen Fraktionsmitglieder, geführt und getrieben von Katja Kipping, die Interessen ihrer politischen Klientel. Diese Klientel wird für die heutige Politik den höchsten Preis bezahlen. Und es hat schon begonnen: Im Moment tun sich der Bund und die Krankenkassen mit der Frage schwer, wer für die Kosten der medizinischen Versorgung der Flüchtlinge aufkommen muss. Aus dem Blickwinkel der Geringverdiener aber ist es völlig egal, ob sie dann mehr Steuern oder mehr Krankenkassenbeiträge bezahlen werden – in beiden Fällen bleibt am Ende des Monats weniger Geld in ihren Taschen.

Dazu gehört auch der Kampf um Wohnräume und Arbeitsplätze für Unqualifizierte. Je mehr Flüchtlinge kommen – und nach Einschätzungen sind ca. 70% von ihnen unqualifiziert -, desto größer wird der finanzielle Druck auf die Unterschichten und auf die unteren Schichten des Mittelstandes sein. Aber wer kümmert sich um sie?

Dass viele von ihnen früher oder später bei der AfD landen werden – ob aus ideologischen Gründen oder als Protest – , sollte uns auf gar keinen Fall wundern. Rechts vom Zentrum ist eine politische Wüste entstanden – links vom Zentrum ist keiner da, der gegen Merkels Politik steuern will oder kann. Welche Alternative haben die Leute denn?

Diese politische Schizophrenie, die totale Entstellung und Destabilisierung der politischen Ordnung und der Homogenität der deutschen Politik, die wiederum bei immer mehr Menschen das Gefühl erweckt, politisch nicht vertreten zu sein, bilden im Moment die größte Gefahr für die Bewahrung des sozialen Gefüges der deutschen Gesellschaft.

Die AfD – so radikal, fremdenfeindlich und vulgär diese Partei auch sein mag - ist höchstens das Thermometer der deutschen Politik. Die Ursachen für die Krankheit muss man bei den etablierten Parteien suchen.  

 

    

 

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Leserpost

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Raoul Schmalfeldt / 21.02.2016

“Die AfD – so radikal, fremdenfeindlich und vulgär” - Die AfD ist weder radikal noch fremdenfeindlich noch vulgär. Solche Aussagen behindern die politische Willensbildung.

Rudolf Stein / 21.02.2016

Mit Verlaub: die AfD ist weder radikal, fremdenfeindlich und vulgär. Sie ist kritisch im Hinblick auf die offizielle Asylantenpolitik und keinesfalls vulgärer als die Nazi-, Rassisten-, Dumpfbacken- und Packschreier. Sie zertrümmert auch keine Stadtviertel und feiert Sexorgien auf öffentlichen Plätzen. Die Hysterie derjenigen, die an den Fleischtöpfen dieses Staates sitzen, übersteigt jegliche Vorstellung.

Hinrich Mock / 21.02.2016

Das Problem mit der AfD ist, dass sie tatsächlich etwas vulgär daherkommt, dass sie relativ russlandfreundlicher und amerikakritischer ist als CDUCSUSPDGRÜNE und dass sie ansonsten den Etablierten die Pfründe streitig macht. In mancherlei Hinsicht. Sie ist aber weder radikal noch fremdenfeindlich. Auf englische Verhältnisse bezogen ist sie am ehesten mit den Torys vergleichbar und sitzt ja in Straßburg folgerichtig mit diesen (und weder mit der Front National noch mit der CDU) in einer Fraktion (EKR, Europäische Konservative und Reformer). Der Unterschied zur Absplitterung ALFA ist eben jene amerikakritische Haltung, die z.B. TTIP ablehnt (ALFA ist dafür) ebenso wie Bundeswehreinsätze außerhalb des NATO-Gebiets und die Hinwendung zu Russland als faktischem Partner in Europa unter Vermeidung von Kritik an den inneren Verhältnissen dort. Die AfD taugt durchaus als Sammelbecken für den Protest, ob sie auch als seriöse politische Kraft im eigentlich anspruchsvollen konservativen Spektrum sich bewähren kann ist eine schwierige Frage bei einem Parteialter von gerade einmal drei Jahren.

Frank Jankalert / 21.02.2016

Den allermeisten Politkern der Linken und Grünen bis hinein in die SPD (ebenfalls Gewerkschaften) geht es kaum um die Vertretung der berechtigten Interessen ihrer Wähler. Neben den finanziellen Anreizen überwiegt da die Lust an Gesellschaftskontrolle und Gesellschaftsgestaltung, Machterlangung und moralischer Dominanz. Der Autor hat völlig Recht damit, dass die kleinen Leute die Zeche für die unkontrollierte Masseneinwanderung zahlen. Übrigens gilt dies schon seit Jahrzehnten. Weiter ist die “Frendemfeindlichkeit” nur dann verwerflich, wenn die Fremden mich nicht gefährden oder mir etwas wegnehmen. Leider diskutiert man das in Deutschland noch nicht einmal ehrlich.

Jonas Wolf / 21.02.2016

Ap­ro­pos “politische Schizophrenie”. Schizophren ist übrigens auch Ihr obiger Artikel, Herr Yardeni. Bedenken Sie mal: falls irgendeine politische Gruppe, Partei oder Person in Deutschland mal irgendetwas von sich gibt was nicht dem üblichen, parteiübergreifenden Herumgedruckse entspricht, was nicht mit der rekursiven Idiotie zum Thema “Flüchtling” einhergeht, was dann? Dann wird diese umgehend als “radikal, fremdenfeindlich und vulgär” dastehen. Sie wird ohne Differenz, Distanz und Widerspruch von nahezu Allen und jeder öffentlichen Stimme in dieser Art und im Chor diffamiert und gebrandmarkt. Wie auch von ihnen, Herr Yardeni.

Karl Baumgart / 21.02.2016

Werter Herr Yardeni, Ihren Artikel habe ich mit Zustimmung gelesen. Zu ihm eine Anmerkung und eine Frage: Anmerkung: Am Anfang des vierten Absatzes schreiben Sie über ide Partei Die Linke, dass sie “das eiserne Schutzschild der Unterschichten” sein solle. Das Substantiv ‘Schild’ gibt es im Deutschen sowohl als Maskulinum als auch als Neutrum. Als Maskulinum ist es die Bezeichnung für den seit frühester Zeit bis ins Mittelalter verwendeten zumeist runden, von römischen Legionären aber auch mit rechteckiger Form einhändig getragenen Schutz, der Verletzungen durch Schwerter, Pfeile oder Lanzen verhindern sollte: DER große Schild bewahrte den bedrängten Legionär vor den Verletzungen, die sein Gegner ihm mittels seines Schwertes zufügen wollte. Sein Glück, denn weil er tapfer gekämpft hatte und zudem die Charaktereigenschaften eines Führers besaß, wurde er, da der Anführer der Legion getötet worden war, von den Legionären zu dessen Nachfolger bestimmt und - als für alle sichtbares Zeichen seiner neuen Würde - auf DEN Schild gehoben. DAS Schild heißt es hingegen, wenn man sich auf das Verkehrszeichen (beispielsweise) bezieht, welches die Höchstgeschwindigkeit innerhalb eines Wohngebietes auf 30 km/h beschränkt. Frage: “Die AfD - so radikal, fremdenfeindlich oder vulgär diese Partei aus sein mag - ...” schreiben Sie im letzten Absatz. Tun Sie mir doch bitte den Gefallen, mir Beispiele für diese Attribute zu nennen. Anfang Dezember war ich in Berlin anlässlich der Demonstration gegen die Zuwanderungspolitik der Kanzlerin. Mehr als drei Stunden habe ich mit mir bis dahin nicht bekannten Menschen verbracht. Radikal war von denen aber niemand. Radikal waren sehr viele der vielen tausend Gegendemonstranten, die vulgäre Sprüche und Handzeichen hören und sehen ließen und zudem versuchten, die polizeilichen Absperrungen zu durchbrechen und unser aller Recht auf Versammlung unter freiem Himmel sowie politische Meinungsäußerung zu nehmen. Dabei flogen auch Gegenstände. Und Fremdenfeindlichkeit habe ich auch nicht wahrgenommen. In meinen Augen ist es keine Fremdenfeindlichkeit, wenn sich autochthone Deutsche gegen die unkontrollierte Zuwanderung von Menschen ohne geeignete Qualifikationen und mit Wertvorstellungen, die den unseren diametral widersprechen, wenden. Ich halte das für umständehalber gebotenen Selbstschutz. Würden Sie ‘den Kanadiern’ oder ‘den Australiern’ Fremdenfeindlichkeit unterstellen, nur weil sie so klug sind, ihre Vorgehensweise nach einem Einwanderungsgesetz zu richten?

Max Weil / 21.02.2016

Die AFD ist genauso fremdenfeindlich wie SIE Herr Yardeni! Denn offenbar sehen sie auch ein Problem mit der Masseneinwanderung. Und das Wagenknecht wirklich sagt was sie denktn glauben sie doch wohl nicht wirklich?Alles nur Wahlkampf!

Thomas Schlosser / 21.02.2016

Wenn man sich anschaut, mit welchen Worten und mit welchen (teilweise auch gewalttätigen..!) Mitteln die AfD bekämpft wird, dann weiß man, wie radikal und vulgär die etablierten Parteien und ihre Helferlein in den Medien in Wahrheit sind. Der AfD Fremdenfeindlichkeit vorzuwerfen, weil sie eine Rückkehr zu Verträgen, zu Recht und Gesetz, fordert, heißt, der Feuerwehr vorzuwerfen, dass es brennt und sie gekommen ist, um zu löschen…..

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