Die 10 besten Musikalben der Corona-Zeit

Die Zeit der Lockdowns war für Viele auch eine Zeit der Ruhe, in der nicht zuletzt auch einiges an interessanter Musik erschien.

Kaum zu glauben, aber dieser Tage ist es schon wieder fünf Jahre her, dass die Welt wegen des sogenannten Coronavirus aus den Fugen geriet. Ab Mitte März 2020 beschlossen viele Länder rund um den Globus tiefgreifende Einschränkungen des öffentlichen Lebens. Ende März wurde in Deutschland das erste Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite verabschiedet.

Bei allem, was hier und anderswo kritisch über Sinn und Unsinn der Corona-Maßnahmen gesagt wurde (und wird), erlaube ich mir auf diese Zeit auch einen ganz persönlichen Blick. Es war für mich nicht nur eine Zeit der Verunsicherung und der Angst um Familie und Freunde – nicht zuletzt auch um die eigene Gesundheit. Es war für mich auch eine Zeit der Entschleunigung, des Herunterkommens – ja, der Erholung! Einer Erholung von den Nötigungen des Alltags.

Ich habe es geliebt, morgens nicht aus dem Haus zu müssen und von daheim aus arbeiten zu können. Seit meiner frühen Kindheit – praktisch bevor ich in den Kindergarten kam – habe ich nicht mehr so lange Zeit ohne Wecker geschlafen. Nun ist es keinesfalls so, dass ich mit meinem Job unglücklich wäre. Es ist vielmehr der tägliche Arbeitsweg, der mich wurmt und Tag für Tag zweieinhalb Stunden meiner Lebenszeit (über 500 im Jahr!) verschlingt. Ganz zu schweigen von dem ganzen Generve mit den öffentlichen Verkehrsmitteln.

Lockdown-Nostalgia

Ganz ehrlich: Ich müsste lügen, wenn ich sagte, dass ich die Zeit der sogenannten Lockdowns nicht auch sehr genossen hätte. Und offenbar bin ich damit nicht allein. Für die behaglichen Erinnerungen an die Ruhe und das gemütliche (hyggelige) Leben in der Zurückgezogenheit (Cocooning) wurde inzwischen der Begriff Lockdown-Nostalgia geprägt.

Aber bitte: Es liegt mir fern, irgendetwas zu relativieren oder herunterzuspielen. Und ich möchte selbstverständlich auch niemandes Leid und Ängste in Frage stellen. Ich spreche hier nur von meinen persönlichen Empfindungen als jemand, der in der glücklichen Lage war, sich um Arbeitsplatz und Gehalt keine Sorgen machen zu müssen. Ich hatte auch zu keiner Zeit die Befürchtung, dass irgendwer die Grundrechte abschaffen und eine Diktatur errichten wollte.

Dennoch fand ich es gut, dass Menschen auf die Straße gingen und mahnend das Grundgesetz hochhielten, und ärgerte mich darüber, wie sie reflexartig von Politik und Medien pauschal in die rechte Schmuddelecke gestellt wurden. Ich persönlich fühle mich jedoch politisch zu wenig anschlussfähig, um bei was auch immer für einer Demonstration mitzulaufen. Lieber igelte ich mich daheim ein, glotzte, las und hörte Musik.

Dabei machte ich durchaus einige interessante Entdeckungen. In der nachfolgenden Liste sind meine persönlichen Album-Highlights aufgeführt, die in der Corona-Zeit entstanden sind und – mehr oder weniger – davon beeinflusst waren.

Platz 10: „The New Abnormal“ von The Strokes

Bestimmt nicht ihr bestes Album, aber trotzdem schön, dass die Jungs mal wieder was von sich hören haben lassen. Die letzte Scheibe der New Yorker war auch schon wieder sieben Jahre her. Und immerhin gab sich diesmal Kult-Produzent Rick Rubin die Ehre.

Platz 9: „Inside“ von Bo Burnham

Eigentlich der Soundtrack zum Netflix-Comedy-Special des US-Amerikaners, das er während des Lockdowns in seiner Wohnung produziert hat. Spritziger Singer-Songwriter-Pop à la Ben Folds mit witzigen, zuweilen bissig-ironischen Texten.

Platz 8: „McCartney III“ von Paul McCartney

Eines der besseren Alben des Ex-Beatle nach der Jahrtausendwende. Und auch wenn seine Stimme schon sehr schwächelt, so blitzt an einigen Stellen doch beatlesque Genialität auf. Mir jedenfalls hat seine dritte, in Eigenproduktion fabrizierte Solo-Scheibe Weihnachten 2020 gerettet.

Platz 7: „Latest Record Project, Vol. 1“ von Van Morrison

Auch der irische Altmeister hat das Cocooning dazu genutzt, einen Stapel neuer Songs zu schreiben. Bei einigen der 28 Albumtracks nimmt er kein Blatt vor den Mund, wie er die politische Lage sieht; worüber sich einige Mainstream-Journos furchtbar das Maul zerrissen.

Platz 6: „Music for Animals“ von Nils Frahm

Das dreistündige Epos braucht Zeit – und nimmt sich die Zeit. Es plätschert dahin, wie die Tage und Wochen im Lockdown. Keine besonderen Vorkommnisse. Keine herausragenden Ereignisse. Nur ruhiges Fließen. Die klangliche Untermalung des bloßen Seins.

Platz 5: „How Long Do You Think It's Gonna Last“ von Big Red Machine

Justin Vernon aka Bon Iver und Aaron Dessner von The National ist mit illustren Gästen wie Taylor Swift, Ben Howard oder Robin Pecknold (Fleet Foxes), ein sehr schönes, modernes Indie-Pop-Album gelungen, das mit „Phoenix“ meinen Lieblingssong der Corona-Zeit beinhaltet.

Platz 4: „The Other Side of Life: Piano Ballads“ von Beach Fossils

Als wegen Corona ihre Tour platzte, fand Sänger Dustin Payseur endlich die Zeit, um mit Ex-Drummer und Multiinstrumentalist Tommy Gardner die alten Songs in neuen, Bar-Jazz-inspirierten Klavierversionen einzuspielen.

Platz 3: „Man in the Hot Seat“ von James Taylor Quartet

Mit dem ursprünglichen Quartett hat das rein gar nichts mehr zu tun. Vielmehr klingt das Album so, als hätte der britische Hammond-Orgler zusammen mit Lalo Schifrin den Geist von John Barry beschworen, um den Soundtrack zu einem neuen James-Bond-Streifen zu fabrizieren.

Platz 2: „The Vivian Line“ von Ron Sexsmith

Während der Corona-Zeit hatte der Chopin der Popmusik wieder die Muse, neue Musik für eines seiner entzückenden, unaufgeregten Alben zu komponieren. Niemand hat in den letzten 25 Jahren so elegante und intelligente Popsongs geschrieben, wie der begnadete Kanadier.

Platz 1: „A Very Lonely Solstice“ von Fleet Foxes

Fleet Foxes-Sänger Robin Pecknold nur mit Gitarre und seiner einzigartigen Stimme zur Wintersonnenwende 2020 in einer Kathedrale in Brooklyn; nur Tage, nachdem in New York der Ausnahmezustand verhängt worden war.

Hans Scheuerlein verarbeitet auf der Achse des Guten seit 2021 sein Erschrecken über die Tatsache, dass viele der Schallplatten, die den Soundtrack seines Lebens prägten, inzwischen ein halbes Jahrhundert alt geworden sind.

Foto: Tim Maxeiner

Achgut.com ist auch für Sie unerlässlich?
Spenden Sie Ihre Wertschätzung hier!

Hier via Paypal spenden Hier via Direktüberweisung spenden
Leserpost

netiquette:

Sabine Heinrich / 17.03.2025

Nachtrag in letzter Minute: Der Name des jungen sympathischen Sängers, dessen Lieder uns Spaziergängern Mut gemacht haben und der uns aus dem Herzen gesungen hat,  ist TAYLOR LUC JACOBS.

Sabine Heinrich / 16.03.2025

@Wilfried Düring - zur Klärung: Ich schätze Selma Lagerlöf sehr.  Dennoch meine ich, dass wir uns bei der Namensgebung z.B. von Schulen zunächst auf deutsche “Kulturschaffende” besinnen sollten - schließlich haben wir genug davon! - Aber vielleicht gibt es ja demnächst eine nach einem berühmten Kinderbuchautoren benannte R-H - Schule! O je - mein Bademantel ist noch nicht trocken!

Alfons Hagenau / 16.03.2025

@Wilfried Düring: Falsch! Nils Frahm from Hamburg, Germany, living in Berlin.

Walter J. Kovacs / 16.03.2025

Muse: Will of the People K.G.S.: Vereinigte Corona-Werke

Hans Manser / 16.03.2025

Das einzig wirklich grossartige Lied, mit seiner subtilen Sanftheit, gleichzeitig spitz gegen Macrönchen formuliert, wird nicht erwähnt: “Danser encore” (Kaddour Hadadi). Der komplett talentlose Schunkelbassist der Beatles natürlich schon. Jedem das Seine.

Wilfried Düring / 16.03.2025

@Sabine Heinrich: Ich wollte keineswegs das ‘Kinde mit dem Bade ausschütten’. Aber 10:0 halte ich schon für einen etwas fragwürdigen Mix. Nichts gegen Selma Lagerlöf! Die steht ja wegen ihrer ‘nicht mehr zeitgemäßen’ Weihnachts- und Christkind-Geschichten (z.B. ‘Warten aufs Christkind’, ‘Heilige Nacht’, ‘Ein Weihnachtsgast’) doch eher ‘unter Verdacht’. Und Englisch war vor 120 Jahren auch noch nicht die alles niederkonkurrierende Weltsprache. mit den Geschichten von Nils Holgerssson und den Wildgänsen hat Selma Lagerlöf Millionen Kindern Stunden voller Freude beschert (auch dank der 1980-er Trickfilmserie und der genialen Musik von Karel Svoboda). Das darf man schon mal anerkennen! Obwohl oder weil Heimat und Heimatliebe ja in der woken Agenda auch nicht mehr wirklich das vorkommen. Also einer Schule noch dazu in Nord-Deutschland den Namen Selma Lagerlöf zu geben -> ich finde, das paßt. Das ist kindgemäß! Und die Lütten sollen es einerseits gut haben - anderseits aber für das Leben was lernen - ganz so wie die große schwedische Dichterin ihren Roman konzipiert hat.

Alfons Hagenau / 16.03.2025

Meine 4 Alben der Plandemie sind leider nicht gelistet, und das kann nur daran liegen, daß der ansonsten sehr geschätzte und geschmackssichere H. Scheuerlein da eine popmusikalische Bildungslücke entwickelt hat (Nebenwirkung??? ;-) )—- 4. Public Image Limited - End Of World—- 3. Muse - Will Of The People—- 2. Feu! Chatterton - Palais d’Argile—- 1. Fehlfarben - ?0??——Aber eigentlich höre ich seit 2020 fast nur noch Klassik und Jazz, da sich die meisten meiner musikalischen Helden meiner Jugend nun doch als Poser entpuppt haben. Wer aus der Reihe tanzte, wurde in Deutschland sowieso aus Airplay und Verträgen gecancelt, so daß hier nur wenige Kandidaten überhaupt in Frage kommen. Die als Ikone der Linken geltenden Fehlfarben musste man aber wohl gewähren lassen; da sie sich nicht explizit positioniert haben, reichte es wohl, die Texte von zahlreichen Musikjournalisten seltsam interpretieren zu lassen.

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Hans Scheuerlein, Gastautor / 06.04.2025 / 14:00 / 20

Ambros: 50 Jahre „Es lebe der Zentralfriedhof“

Eines seiner Markenzeichen ist seine derbe, aber ehrliche Ausdrucksweise, die damals schon nicht mehr politisch korrekt war. Oder ist das nur der vielgerühmte Wiener Schmäh?…/ mehr

Hans Scheuerlein, Gastautor / 02.03.2025 / 14:00 / 0

Jeff Beck: 50 Jahre „Blow by Blow“

Spätestens mit seinem ersten Soloalbum gelang dem Guitar Hero der maßgebliche Schritt in seiner Entwicklung zu einem der größten Gitarristen der Rockgeschichte. Diesen Monat bietet es sich…/ mehr

Hans Scheuerlein, Gastautor / 16.02.2025 / 11:00 / 4

Lieder für die Ewigkeit: „If I Can Dream“

Walt Disney hat einmal gesagt: „Wenn du es träumen kannst, kannst du es auch tun.“ Elvis singt in seinem Song davon, dass es so einfach…/ mehr

Hans Scheuerlein, Gastautor / 02.02.2025 / 16:00 / 22

Die 10 coolsten Sprüche von Theodor W. Adorno

Der Philosoph und Soziologe war der Star der Frankfurter Schule und ihrer Kritischen Theorie – auch und gerade deshalb, weil ihn kaum jemand verstand. Adorno…/ mehr

Hans Scheuerlein, Gastautor / 02.02.2025 / 11:00 / 6

Status Quo: 50 Jahre „On the Level“

Die Könige des Boogie-Rock sind dafür bekannt, ohne Kompromisse ihr Ding durchgezogen zu haben. Tatsächlich fingen sie aber ganz anders an. Und das schon ziemlich…/ mehr

Hans Scheuerlein, Gastautor / 04.01.2025 / 14:00 / 1

60 Jahre „Four Tops“

Wie kann man das Jahr besser beginnen, als mit etwas Sweet Soul Music? Im Januar 1965 erschien mit dem ersten Album der Four Tops eines…/ mehr

Hans Scheuerlein, Gastautor / 29.12.2024 / 10:00 / 30

„What the World Needs Now Is Love“

In der Musik muss die Liebe nur allzu oft als Allheilmittel gegen alles Schlechte in der Welt herhalten. Aber kann die Liebe wirklich die Welt…/ mehr

Hans Scheuerlein, Gastautor / 08.12.2024 / 16:00 / 9

Frankie Goes to Hollywood: 40 Jahre „Welcome to the Pleasuredome“

Mit ihrem Debüt legte die Liverpooler Band ein überraschend vielseitiges Werk vor, dass nicht nur soundtechnisch neue Maßstäbe setzte, sondern auch musikalisch überzeugte. Frankie Goes…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com