Thilo Schneider / 23.08.2018 / 13:00 / 15 / Seite ausdrucken

Dicke Lippe in Dubai

Die ZEIT, das Magazin für freundliche Multikultureinhornträume, hat ein Interview mit der Mode-Bloggerin und Designerin Anum Bashir, die in Dubai lebt und arbeitet, unter dem Titel „Verschleierung ist kein Verbrechen“ geführt. Das stimmt. Verschleierung ist kein Verbrechen. Weder in Saudi-Arabien, noch in London. Das wusste Frau Bashir richtig. Leider vergaß die Redakteurin und Mode-Bloggerin Claire Beermann, Frau Bashir zu fragen, in welchem Land KEINE Verschleierung ein Verbrechen ist, aber so streng und hinterfotzig wollten wahrscheinlich weder das für arabische Verhältnisse schwer multikulturelle Modell (indisch-pakistanische Abstammung) noch die lustige Wahlberlinerin sein. 

Immerhin verkündet Frau Bashir, dass sie „die ganze Diskussion über Frauen und ihre Rechte“ ein „Missverständnis“ ist. Frau Bashir kennt nämlich in ihrer Society-Blase eine ganze Menge Frauen, die „an ihrer Doktorarbeit schreiben“ oder „ihr eigenes Unternehmen gründen“ und klingt dabei ungefähr so wie die Frau eines Südstaatlers um 1860, die „jede Menge Frauen kennt, die Sklaven abgeschafft und als Angestellte wieder eingestellt haben“. 

Allerdings gibt Frau Bashir zu, doch sehr behütet in einer Privatschule unterrichtet worden zu sein, und weil sie „das Leben da draußen“ kennenlernen wollte, ging sie zuerst einmal in die USA, weil doch da „die echte Welt“ ist. Speziell in der „Carnegie Mellon University“ in Pittsburgh, Pennsylvania, in der elftteuersten Universität der USA, für die Papa das Almosen von 46.000 Dollar jährlicher Studiengebühr abdrücken durfte und die, Gott wollte es, einen Ableger in Qatar hat. 

An so einer Armenschule studieren zu müssen, hat natürlich schon zur Erdung von Frau Bashir beigetragen. Aber jene Universität ist immerhin so liberal, dass Frauen gerne auch mal die sogenannten Doktorenhüte tragen dürfen – wenn sie ein Kopftuch drunter tragen –, und ich kann mich des leisen Verdachts nicht erwehren, dass Frau Bashir den Campus der Uni in Qatar als exterritoriales Gebiet der USA missverstanden hat. Aber na gut: Ich stand ja auch neulich auf dem Parkplatz der Universität Heidelberg, kann also jetzt, ohne rot zu werden, behaupten, ich sei „an der Uni in Heidelberg“ gewesen.

Für 46.000 Dollar Jahressalär nicht die hellste Kerze auf der Torte

Auf die für die Verhältnisse des Interviews schon fast hinterhältige Frage, ob Frauen und Männer in Dubai die gleichen Chancen haben, antwortet Frau Bashir strikt mit dem Wort „absolut!“. Weil sie nämlich im Bekanntenkreis „Mütter, Frauen und Unternehmerinnen“ hat. Sie hat auch „nie eine Frau getroffen, die gesagt hat, ihr Mann lasse sie nicht arbeiten oder verbiete ihr andere Sachen“. Dass sie derartige Frauen deswegen nicht getroffen hat, weil deren Männer ihnen verboten haben, alleine das Haus zu verlassen, kommt Frau Bashir nicht. Was mich zur Vermutung bringt, dass man für 46.000 Dollar Jahressalär nicht unbedingt die hellste Kerze auf der Torte sein muss, um einen Uni-Abschluss zu bekommen. 

Außerdem hat sie einen namenlosen „sehr guten Freund beim Fire-Station-Museum in Doha“, der politischer Karikaturist und Blogbetreiber ist, und der hatte, „obwohl die Medien in diesem Teil der Welt“ plötzlich „stark kontrolliert sind“, nie „Probleme gehabt“. Das könnte ich mir durchaus auch glaubhaft vorstellen, wenn Freund Namenlos beispielsweise Teilnehmer der prominenten und beliebten Holocaust-Karikaturen-Ausstellung war. 

Frau Beermann bleibt jedoch diesmal hartnäckig und fragt, ob Frau Bashir vielleicht nicht doch die eine oder andere Frau kennt, die sich wegen ihres Ehemannes komplett verschleiern muss. Worauf Frau Bashir anmerkt, dass „viele arabische Frauen Verschleierung nicht als Verbrechen ansehen“, was keine Antwort auf die Frage war, aber sich ziemlich gut und weltoffen macht.

Nein, Frau Bashir ist schon der Meinung, dass die allermeisten jungen Frauen den Schleier gerne tragen – was ich auch tun würde, wenn die Alternative dazu öffentliche Stockschläge wären. Außerdem – und jetzt wird es etwas seltsam – tragen die gleichen Frauen, die in Dubai Schleier tragen, in Paris Couture. Das ist eben so eine „kulturelle Sache“, weiß Frau Bashir.

Was sie vielleicht nicht weiß, ist, dass neben ihren reichen promovierten Unternehmerfreundinnen aus der Upper-Class kaum eine Frau in Arabien die Chance hat, unbewacht mal eben so vor die Türe zu gehen, geschweige denn nach Paris zu fliegen. Aber das interessiert ja auch niemanden unter den ZEIT-Leserinnen. Und die dummen Iranerinnen, die sich derzeit unter Lebensgefahr die Kopftücher vom Leib reißen, haben einfach die Freuden der Verschleierung noch nicht so richtig verinnerlicht. 

Immerhin kann man aber in Dubai Shorts anziehen

Gut, Frau Bashir läuft jetzt auch nicht gerade „mit Ausschnitt“ (ich wollte mich um das Wort „Dekolleté“ herumdrücken) herum, aber nicht, weil sie nicht dürfte, sondern weil sie nicht „so eine Art Frau“ ist – was entweder bedeutet, dass sie ein nicht vorzeigbares Dekolleté hat, oder aber Dekolletés für nuttig hält. Das mag sich der Leser aussuchen. Immerhin kann man aber in Dubai Shorts anziehen – sofern diese maximal einige Zentimeter übers Knie reichen. Das sind dann zwar keine Shorts mehr, aber auch da wollte die wohlmeinende Freundin Beermann nicht weiter nachhaken.

„Kleidungsvorschriften“, die es laut Frau Bashir offiziell gar nicht gibt, sind im Übrigen „einfach eine Form des Respekts vor der Gesellschaft“, was mich als Liberalen noch einmal überlegen lässt, ob ein „Burkaverbot“ nicht doch eine gute Idee wäre, wenn es dabei doch lediglich um „Respekt vor der Gesellschaft“ geht. Wer sich nämlich „der Kultur nähert, der kann das besser nachvollziehen“, so Frau Bashir. Allerdings sollten er oder sie beim Annähern vielleicht besser „eine Armlänge Abstand“ halten, sonst wird das sehr schnell missverstanden, so ich. Wahrscheinlich kennen die Orientalinnen ihre Männer und verschleiern sich deshalb. 

Inzwischen sind dann die beiden intellektuellen Bloggerdesignerinnen der finanziellen Oberschicht anscheinend beim fünften Aperol angekommen und Frau Beermann fragt, ob denn das Klischee stimme, dass arabische Männer dominant seien. Da muss Frau Bashir schon fast lachen, denn das, was „der Westen als Unterdrückung ansieht“, ist nämlich in Wahrheit „eine Form von Liebe und Schutz“, wie diverse wegen angeblicher Ehrverletzungen getötete Frauen sicher gerne bestätigen werden. Das Ganze ist ein Missverständnis. 

Natürlich kann Frau Bashir sich auch „frei äußern und ihre Meinung kundtun“, aber sie ist froh, sich nicht öffentlich zu Innen- oder Außenpolitik äußern zu müssen, worüber zumindest ich nach ihrem bisher Gesagten ebenfalls froh bin. Ob sie ihre Meinung immer mitteilen muss? „Nein“, sagt Frau Bashir, denn in den freiesten aller arabischen Länder können einem sonst – oh Wunder des Orients – irgendwelche nicht näher bestimmten „Probleme entstehen“, zumal „die Kultur des Orients von großer Höflichkeit geprägt ist“, wie viele Mädchen und Frauen auch in Deutschland mittlerweile freudig bestätigen werden. Denn, so erfahren wir von Frau Bashir, „in dieser Kultur wird nicht viel kritisiert“. 

Jedenfalls nicht von Frauen. Was Sinn macht. Denn: Ruckzuck ist die Lippe dick.  

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Peter Wachter / 23.08.2018

Sehr geehrter Herr Schneider, ich war nicht nur an der Uni HD, sondern sogar beruflich in der Uni HD (DBP wegen Btx). Außerdem habe ich in meiner Jugend und in meiner Ausbildung auch viele Sprüche gelernt, u.a. auch: Wenn Dummheit weh tue tät, müsste die Beiden, den ganzen Tag schreien. Über das mit Hiebe ist eine Form von Liebe, haben die Ärzte 2000 gesungen (Manchmal, aber nur manchmal, haben Frauen ein kleines bißchen Haue gern), doch dafür gibt es eine Lösung, wer weiß sie noch. Doch darauf werden diese emanzipierten Multikultivas natürlich nicht kommen bzw. kommen dürfen!

R:E.Rath / 23.08.2018

Man fragt sich wie die ehemals angesehen ZEIT dazu kommt, ein derartig merkwürdiges Interview zu drucken.

A. Witzgall / 23.08.2018

Da wäre es doch an der Zeit, dass Frau Anus Bashir eine GRÜNE Partei in Dubai gründet, einen Imam heiratet, der die Kinder versorgt und im Haushalt hilft. Die Feministinnen(im Exil) aller arabischen Länder werden sie für die Einführung der Frauenquote feiern. Man sieht, es geht aufwärts.

Steffen Knossalla / 23.08.2018

Die Frau argumentiert wie ein Beinamputierter, der es super praktisch findet, nur einen Schuh putzen zu müssen. Auch wenn dieser Vergleich jetzt hinkt.

Gabriele Schulze / 23.08.2018

Diese Art von Blödheit entspricht dem, was ich hier mehr als einmal erlebt habe. Auf meinen Bericht über unangenehme migrantische Begegnungen wird mir von PC-Damen mitgeteilt, das läge dann wohl an mir. Denn: ihnen sei das noch nicht passiert. Ohne die Migrationskrise hätte ich wohl nie erfahren, wie ungeheuer blöd gebildete Leute hier sein können. Ob das nun ein Gewinn ist….Bloss - wem kann ich noch irgendwas erzählen?

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen
Thilo Schneider / 30.01.2024 / 16:00 / 20

Jahrestag: Die Schlacht von Stalingrad geht zu Ende

Heute vor 81 Jahren ernannte Hitler General Paulus, der mit seiner 6. Armee in Stalingrad dem Ende entgegensah, zum Generalfeldmarschall. Denn deutsche Generalfeldmarschälle ergaben sich…/ mehr

Thilo Schneider / 26.01.2024 / 16:00 / 20

Anleitung zum Systemwechsel

Ein echter demokratischer Systemwechsel müsste her. Aber wie könnte der aussehen? Bei den Ampel-Parteien herrscht mittlerweile echte Panik angesichts der Umfragewerte der AfD. Sollte diese…/ mehr

Thilo Schneider / 18.01.2024 / 16:00 / 25

Neuer Pass für einen schon länger hier Lebenden

Ich will einen neuen Reisepass beantragen. Doch um ihn zu bekommen, soll ich den abgelaufenen mitbringen, ebenso meine Heiratsurkunde und Geburtsurkunde. Warum muss ich mich…/ mehr

Thilo Schneider / 16.01.2024 / 15:00 / 73

Zastrow-FDP-Austritt: „Ich will den Leuten noch in die Augen schauen können“

Holger Zastrow, Ex-Bundesvize der FDP, kündigt. In seiner Austrittserklärung schreibt er: „Als jemand, der in der Öffentlichkeit steht und durch seinen Beruf mit sehr vielen…/ mehr

Thilo Schneider / 11.01.2024 / 14:00 / 64

Was würden Neuwahlen bringen?

Kein Zweifel, die Ampel hat fertig. „Neuwahlen!“ schallt es durchs Land, aber was würden die angesichts der aktuellen Umfrageergebnisse bringen, so lange die „Brandmauer“ steht…/ mehr

Thilo Schneider / 10.01.2024 / 14:00 / 35

Das rot-grüne Herz ist verletzt

Die Leute begehren auf, vorneweg die Bauern. Es wird viel geweint. In Berlin, Hamburg, München und Stuttgart. Aus Angst. Aus Angst, von den Futtertrögen des…/ mehr

Thilo Schneider / 24.12.2023 / 12:00 / 25

Meine Agnostiker-Weihnacht

Herrgottnochmal, ich feiere tatsächlich Weihnachten. Wenn es doch aber für mich als Agnostiker eigentlich „nichts zu feiern gibt“ – warum feiere ich dann? Die Geschichte…/ mehr

Thilo Schneider / 02.12.2023 / 12:00 / 15

Jahrestag: High Noon bei Austerlitz

In der auch „Drei-Kaiser-Schlacht“ genannten Schlacht in Mähren besiegt Napoleon Bonaparte am 2. Dezember 1805, genau ein Jahr nach seiner Kaiserkrönung, eine Allianz aus österreichischen…/ mehr

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com