Benny Peiser / 21.11.2017 / 17:30 / Foto: pixabay / 9 / Seite ausdrucken

Deutschlands Klimakirche ohne Dach

Ein Kommentar zur politischen Lage in Deutschland, von Großbritannien aus betrachtet:

Deutschland steht vor einer politischen Krise, nachdem am späten Sonntagabend die Vier-Parteien-Sondierungsgespräche zur Bildung einer so genannten Jamaika-Koalition gescheitert sind. Zum ersten Mal seit der Weimarer Republik (1919-1933) sind deutsche Parteien mit Parlamentsmehrheit nicht bereit, eine Regierung zu bilden. Niemand weiß, was als nächstes passiert oder wie diese sich vertiefende Krise in absehbarer Zeit gelöst werden kann.

Die Unfähigkeit, sich auf strittige klima- und energiepolitische Fragen zu einigen, sowie die Meinungsverschiedenheiten über Migration haben das Ende der Verhandlungen bewirkt. Bemerkenswert: Die gescheiterte und zunehmend unpopuläre deutsche Klimapolitik steht im Mittelpunkt der Krise. Sie signalisiert auch den Zusammenbruch des jahrzehntealten deutschen Klimakonsenses.

Während die Grünen die sofortige Abschaltung von 10 bis 20 der 180 deutschen Kohlekraftwerke forderten, hielt die FDP an ihrem Versprechen fest, die Energiewende radikal zu reformieren und die Subventionen für erneuerbare Energien abzuschaffen.

Experten des Bundeswirtschaftsministeriums hatten die Teilnehmer der Sondierungsgespräche gewarnt, Deutschland werde seine rechtsverbindlichen Klimaziele für 2020 meilenweit verfehlen und das Erreichen seiner Ziele für 2030 den wirtschaftlichen Wohlstand des Landes gefährden. Das Ministerium warnte auch davor, dass jeder Versuch, eine radikale Reduktion der CO2-Emissionen zu erzwingen, "bis 2020 nur durch eine partielle Deindustrialisierung Deutschlands möglich wäre".

Klimageschäft wie gewohnt ist für die Liberalen keine Option mehr. Die Partei befürchtet, dass ein schneller Ausstieg aus der Kohleverstromung, wie von den Grünen gefordert, gravierende soziale, wirtschaftliche und politische Problemen verursacht. Eine Fortsetzung der radikalen Klimapolitik würde die großen deutschen Kohleregionen treffen, nicht zuletzt in Ostdeutschland, wo die rechtsgerichtete Protestpartei Alternative für Deutschland (AfD) bei den Bundestagswahlen im September deutliche Unterstützung erhalten hatte.

Klimareligion und die grüne Zentralplanung

Die AfD gewann bei der Bundestagswahl im September knapp 13 Prozent der Stimmen und bildet mit über 90 Abgeordneten die drittgrößte Fraktion im Bundestag. Der Erfolg der Partei hat die politische Landschaft in Deutschland verändert und das Ende des grünen Konsenses zwischen den Mainstream-Parteien eingeläutet. Um die Energiekosten niedrig zu halten, setzt sich die AfD für die weitere Nutzung von Kern- und Kohlekraftwerken ein. Sie stellt sich gegen die Energiewende: "Energie muss bezahlbar bleiben und darf kein Luxusgut sein", und versprach in ihrem Manifest die Abschaffung des Erneuerbare-Energien-Gesetzes (EEG) und aller Ökostrom-Subventionen, da Subventionen für erneuerbare Energien nur wohlhabenden Familien und grünen Unternehmen zugute kommen.

Ein kürzlich erschienener Leitartikel des "Wall Street Journal" kommt zu dem Schluss: "Kein Wunder, dass die Wähler in Aufruhr sind. Die rechtsgerichtete Alternative für Deutschland (AfD) gewann überraschend 13 Prozent Stimmenanteil zum Teil aufgrund des Versprechens, die Energiewende sofort zu beenden. Eine neue Studie des RWI Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung kommt zu dem Ergebnis, dass 61 Prozent der Deutschen nicht einmal einen Eurocent mehr pro Kilowattstunde Strom für die Finanzierung von mehr erneuerbaren Energien ausgeben wollen".

Der dramatische Erfolg der AfD führt dazu, dass erstmals eine Partei im Bundestag vertreten ist, die sich den Plänen Deutschlands zur Reduzierung der CO2-Emissionen durch den Umstieg auf erneuerbare Energien widersetzt. Die Skepsis gegenüber Klima- und Ökostrom-Fragen hat in der deutschen Politik Schockwellen ausgelöst. Die etablierten Parteien befürchten, dass sie es sich nicht mehr leisten können, Forderungen der Grünen zu erfüllen, ohne weitere Unterstützung ihrer traditionellen Wähler zu verlieren.

Ohne die Entwicklung einer neuen, pragmatischen Politik und die konsequente Verteidigung einer billigen Energiestrategie angesichts einer rasch verblassenden (und alternden) grünen Bewegung wird sich Deutschland wohl kaum von den grünen Fesseln befreien, die den technologischen und wirtschaftlichen Fortschritt behindern. Ein großer Teil des grünen Ballastes, der Deutschland zurückhält, muss über Bord geworfen werden, wenn das Land politische Stabilität und wirtschaftlichen Pragmatismus zurückgewinnen will.

So wie die sozialistische Zentralplanung Ostdeutschlands kläglich scheiterte, bevor sie gestürzt und durch eine offene Gesellschaft auf der Grundlage von Freiheit und freien Märkten ersetzt wurde, müssen die Klimareligion und die grüne Zentralplanung Deutschlands verworfen werden, damit das Land zu Energierealismus und ökonomischer Vernunft zurückkehren kann.

Achse-Autor Dr. Benny Peiser ist Direktor der Global Warming Policy Foundation (GWPF), einer in London ansässigen, überparteilichen Denkfabrik für Klima- und Energiepolitik. 
Sein Kommentar erschien zuerst in englischer Sprache.

Foto: pixabay

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Martin Landvoigt / 22.11.2017

Weitgehende Zustimmung und Applaus. Zwei Anmerkungen: Die AfD hat keine dramatische Erfolge erzielt, sondern die AfD-Dämonisierungsstrategie. Angesichts der Bundesbürger, die inhaltlich weit über 30 % hinter dem AfD-Programm stehen, ist das Wahlergebnis von unter 13 % eher bescheiden. Dies war nur möglich, in dem man die beständige Nazi-Assoziation auf breiter Medienfront den Wählern einbläuen konnte. Das meilenweite Verfehlen des ‘verbindlichen’ Klimaziels ist weder der AfD, noch dem mangelnden Engagement der alten Regierung anzulasten, sondern dem Umstand geschuldet, dass das Ziel ohne schwere Schäden der deutschen Wirtschaft nicht erreichbar ist. Seit 2009 gab es keine Emissionsreduktion für CO2.

S.Schleitzer / 21.11.2017

Ich finde den Ausdruck bedenklich, dass sich die AFD der “Reduzierung der CO2-Emissionen durch den Umstieg auf erneuerbare Energien widersetzt”, Herr Peiser. Kann man nämlich so oder auffassen - widersetzt sich der Reduzierung oder widersetzt sich der Reduzierung durch erneuerbare Energien? Berichtigen Sie mich, aber wäre nicht die Verlängerung der AKW-Laufzeiten (respektive deren Ausbau) in Deutschland die effektivste Methode zur CO2-Reduzierung überhaupt? So viele E-Autos finden gar nicht Platz in Deutschland, wie man damit sparen könnte. Von den BILLIONEN sinnloser Ausgaben mal ganz abgesehen. Warum pumpt man nicht einfach die Hälfte dieser Wahnsinnssummen in die Erforschung der Kernfusion - wohl unbestreitbar die einzige Energiequelle, die zukünftig einen ständig steigenden Energiebedarf bei steigender Weltbevölkerung und Digitalisierung decken könnte. Warum nicht? Profitieren davon zu wenige, weil man dazu nur ein paar Hundertschaften wirklich gute Wissenschaftler bräuchte und keine 10.000e Personen (wie in Bonn), die nur quatschen können?

Ernst-Fr. Siebert / 21.11.2017

“... die rechtsgerichtete Protestpartei ...” Schade, das entwertet den Artikel etwas in meinen Augen. Solche Wertungen können Sie den Lesern dieses Blogs selbst überlassen. “Protest-” sollten Sie weggelassen und stattdessen das Parteiprogramm lesen, oder auch die Reden im Bundestag anhören. Sehr schön könnte man bei dieser Gelegenheit auch das unterschiedliche Gebaren der konservativen und der sich als fortschrittlich bezeichnenden Mitglieder des Hohen Hauses wahrnehmen. Aber Vorsicht: Danach ist es nicht mehr so, wie davor ;-).

Dietmar Schmidt / 21.11.2017

Ja und nochmals ja Herr Peiser, sie haben total recht mit dem Satz “müssen die Klimareligion und die grüne Zentralplanung Deutschlands verworfen werden” und ich hoffe sehr, dass der Ausstieg der FDP der 1. Schritt war und die AfD sich konsolidiert und für dieses Ziel einsetzten kann und die FDP den Mut findet auf einer sachlichen Basis mit der AfD zusammen zu arbeiten. Gruß D. Schmidt

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