75 Jahre und zwei Wochen nachdem der staatenlose Adolf Hitler Deutscher wurde, hat sich die niedersächsische SPD-Landtagsfraktion zum Widerstand entschlossen. Sie läßt jetzt allen Ernstes prüfen, ob man dem Führer die deutsche Staatsbürgerschaft nicht wieder aberkennen kann, womöglich wegen schlechter Führung.
In der Tat wurde Hitler im Februar 1932 vom damaligen Land Braunschweig eingebürgert und zum Regierungsrat ernannt, deshalb soll Niedersachsen als Rechtsnachfolger des Landes Braunschweig die Sache rückgängig machen – posthum, was rechtlich nicht ganz einfach ist. Denn im Gegensatz zu einer Ehrenbürgerschaft, die je nach der politischen Zeitstimmung verliehen oder aufgehoben werden kann, ist die Nationalität ein Faktum, an dem sich nicht leicht rütteln läßt. Man kann zwar – wie jetzt in Bad Doberan – versuchen, die peinlich frühe Ehrung Hitlers durch das Stadtparlament zu annullieren, um vor den G8-Chefs, die dort im Juni tagen, nicht so blöd dazustehen, aber daß ein Rechtsstaat rückwirkend an den Regeln seiner Zugehörigkeit herumschraubt, geht eigentlich gar nicht. Bloß wenn es sich um Hitler handelt, würde die niedersächsische SPD-Landtagsfraktion wohl eine antifaschistische Ausnahme machen.
Man kann ja nie genug gegen Hitler tun. Man sollte ihm auch noch eine Steuernachzahlung und ein paar Strafzettel wegen Falschparkens in die Hölle hinterherschicken. Oder wie wäre es mit einer saftigen Schadenersatzforderung für den verlorenen Weltkrieg, vom Holocaust ganz zu schweigen? Allein der Imageverlust, den Deutschland deswegen erlitten hat, kostet ja bis heute einiges. Dafür muß Hitler haften! Dafür muß er bestraft werden, egal wie tot er schon seit 60 Jahren ist!
Nun wird der tote Hitler verschiedene Strafen unterschiedlich schlimm finden: daß sich niedersächsische Sozialdemokraten an ihm abarbeiten, dürfte dabei zu den weniger schwerwiegenden Dingen gehören; daß Juden Juxfilme über ihn drehen, verursacht ihm schon größere Qualen; am schrecklichsten jedoch wäre es, wenn er selber nicht mehr Teil des von ihm angezettelten Deutschtumsprojekts sein könnte. Da haben die niedersächsischen Sozialdemokraten, so einfältig ihr Vorhaben im Jahr 2007 ist, vielleicht den empfindlichsten Punkt getroffen.
Ausgerechnet Hitler das Deutschsein abzusprechen: das hat Pfiff! Statt seine Hoden nachzuzählen oder Nervenleiden zu diagnostizieren, reicht schon eine Betrachtung seines undeutschen Aussehens, um ihn zu disqualifizieren. Wenn Hitler aber gar kein Deutscher war, was dann? Die Österreicher wollen ihn ja auch nicht haben. Hat also ein Staatenloser die Welt ins Unglück gestürzt, ein Niemand, für den niemand zuständig ist?
Da haben also die niedersächsischen SPDler im Bestreben, es Hitler noch mal richtig mit dem Paß zu zeigen, nebenbei eine geniale Lösung für das Hauptproblem der deutschen Nachkriegsgeschichte gefunden. Was wurden hierzulande nicht alles für Anstrengungen unternommen, um die Hitler-Vergangenheit zu entsorgen! Doch jetzt erst fällt es einem wie Schuppen von den Augen: Wenn Hitler gar kein Deutscher war, dann braucht man sich auch nicht für ihn verantwortlich zu fühlen! Ja, sollte der Rückwärtsdreh mit der Staatsangehörigkeit klappen, dann wäre vielleicht festzustellen, daß Hitler, da er ja kein Deutscher war, gar nicht zum Reichskanzler gewählt werden konnte. Das Dritte Reich hat gar nicht stattgefunden, der Holocaust beruhte auf einem Rechtsirrtum, der ganze Nationalsozialismus war einfach ungültig.
Wieso ist uns das nicht früher eingefallen? Wir schmeißen Hitler einfach raus aus Deutschland und damit auch aus der deutschen Geschichte. Zwar nachträglich, aber dafür um so feierlicher. Und die SPDler in Braunschweig und Umgebung versprechen, das nächste Mal 75 Jahre und ein paar Wochen früher auf den Trichter zu kommen.