Der gelungenste und weitläufigste Import eines Desasters gelang der deutschen Regierung im Jahr 2011. Damals erlebte in etwa 10.000 Kilometern Entfernung das japanische Kernkraftwerk Fukushima einen Super-Gau. Um der unmittelbar drohenden atomaren Ansteckungsgefahr bei uns zu entgehen, beschloss die Bundesregierung, die deutschen Atomkraftwerke abzuschalten und sich künftig auf Strom aus Sonne, Wind und benachbarten störanfälligeren Reaktoren zu verlassen. Das war ein gelungener, weil höchst populärer Katastrophen-Import.
Man hätte den Coup schon Jahre vorher nach der etwas näher gelegenen Katastrophe von Tschernobyl landen können. Aber damals fehlte der Regierung noch der notwendige Mitte-Links-Populismus. Viel mehr als Warnungen vor Rot- und Schwarzwild-Braten gab es nicht.
Man muss aber Katastrophen gar nicht von so weit her, wie zuletzt aus Japan, nach Deutschland importieren. Auch die aktuelle politische Katastrophe bei unseren österreichischen Nachbarn ist vielversprechendes Import-Material.
So war es folgerichtig, dass sich deutsche Politiker mehr als alle anderen über den korruptionswilligen und blöd hereingelegten FPÖ-Politiker Heinz-Christian Strache aufregten. Sie taten so, als seien sie in Wien und nicht in Berlin zu Hause. Eine imperiale Zuständigkeitsausdehnung, die den in diesem Fall zu recht so genannten Piefke an der Donau nicht unbedingt beliebter macht.
Die FPÖ-Pleite nur heim ins Reich holen
Es ist wohl ein notwendiger Kollateralschaden. Denn die lauthals Empörten haben es gar nicht so gemeint. Den deutschen Empörungs-Spezialisten ging es gar nicht darum, in Österreich politisch einzumarschieren. Im Gegenteil. Eigentlich wollten sie die FPÖ-Pleite nur heim ins Reich holen. Sie schlugen doch nur auf die FPÖ und ihren verunglückten Strache in der Hoffnung ein, damit die heimische AfD zu treffen. Entsprechend der Gleichung: Was die FPÖ für Österreich ist, das ist die AfD für Deutschland. Mit dem kleinen Unterschied, dass in Wien die FPÖ zuletzt mit der ÖVP, also mit der Ösi-CDU, in der Regierung saß.
So weit ist die AfD, also die Piefke-FPÖ, noch nicht gekommen. Um aber ihr weiteres Anwachsen zu verhindern, importiert man hoffnungsvoll die Wiener Katastrophe nach Berlin. Quasi als warnendes Fukushima gegen unseren Rechtspopulismus, der ja die häufigst genannte Form des Populismus ist. Der Linkspopulismus spielt im Vergleich ein öffentliches Schattendasein. Das hat wohl auch damit zu tun, dass man ihn eines Tages womöglich noch für eine Regierungsbildung braucht. Das wiederum hat die FDP, die nicht mit der FPÖ zu verwechseln ist, dazu veranlasst, einer einstigen Volkspartei den Vorwurf des SPD-Populismus zu machen.
Aber das nur am Rande. Ob sich der FPÖ-Katastrophen-Import lohnt, wird sich schon am Wochenende bei den Wahlen zum EU-Parlament zeigen. Wenn die AfD abschmiert, hat sich der Import und die dazugehörige stellvertretende Empörung bewährt. Sollte sie aber trotz der Wiener Pleite kräftig zulegen, sollte man die Importware aus Wien ungeöffnet wieder zurücksenden und nach anderen Gegengeschäften Ausschau halten.
Oder einfach mal den Mund halten.