Gastautor / 14.02.2012 / 10:23 / 0 / Seite ausdrucken

Deutschland und der Terroristenstaat

Kevin Zdiara

Mahmoud Abbas, gern gesehener Gast im Schloss Bellevue und umgarnt vom Auswärtigen Amt, dem Entwicklungsministerium und dem Bundeskanzleramt, hat sich dazu entschlossen, dem Friedensprozess endgültig Adieu zu sagen.

Im letzten Jahr hatte er bereits ein Versöhnungsabkommen mit der Hamas geschlossen, nun besiegelte er in der letzten Woche das Ende aller Friedenshoffnungen durch eine Übereinkunft mit eben jener Terrororganisation über die Bildung einer nationalen Einheitsregierung. Diese erlaubt es den Islamisten unter anderem im Wahlkomitee der Palästinensischen Befreiungsorganisation (PLO) – also der international anerkannten Vertretung der Palästinenser – zu sitzen.

Damit ist die Hamas endgültig in den wichtigsten offiziellen Machtstrukturen der Palästinenser angekommen, ohne auch nur eine der Kernforderungen der EU, Deutschlands oder des Nahost-Quartetts erfüllt zu haben. Deutsche Steuergelder fließen in Zukunft also ganz direkt in die Taschen einer Organisation, die von Deutschland und der Europäischen Union zu Recht als eine terroristische Vereinigung eingestuft wird.

Für Mai sind Wahlen angedacht, die nach Meinung von Experten mit ziemlich hoher Wahrscheinlichkeit von der Hamas gewonnen werden. Man erinnere sich: die Hamas hatte bereits 2006 die Wahlen offiziell gewonnen und wurde nur durch die Intervention von Abbas an der Machtübernahme gehindert. Im Anschluss führte die Hamas einen militärischen Putsch durch, der alle wichtigen Fatah-Funktionäre aus dem Gaza-Streifen vertrieb und zu einem blutigen Bruderkrieg zwischen den beiden Fraktionen geführt hat, mit über 400 toten Palästinensern und weit mehr als 1.000 Verletzten. Vor allem dieser letzte Punkt lässt das Lamento vieler Israelkritiker, die Hamas sei ja demokratisch legitimiert, unglaubwürdig erscheinen. Sie war vor der Wahl eine gewalttätige Terrorbande, weshalb sie nie zur Wahl hätte antreten dürfen, und blieb es auch nach der Wahl.

Seitdem regiert die Hamas im Gazastreifen mit harter Hand. Freiheit und Recht haben dort keinerlei Bedeutung mehr und wie unlängst das Beispiel von Mahmoud Abu Rahma gezeigt hat, kann der Einsatz für Meinungsfreiheit und Menschenrechte heißen, dass man mit schwersten Misshandlungen, Verfolgung und eventuell sogar mit dem Tod rechnen muss.

Diese anti-liberale Geisteshaltung ist zwar auch in der Palästinensischen Autonomiebehörde (PA) und insbesondere in der Fatah nichts Ungewöhnliches, doch gab es dort immer auch Strömungen, die aus pragmatischen Gründen zur Zurückhaltung mahnten bzw. denen das Wohl der palästinensischen Zivilbevölkerung näher lag als die ideologische Reinheit. Nicht so die Hamas. Diese setzt auf den bewaffneten Kampf gegen Israel und die bedingungslose Einführung der Sharia in den Palästinensergebieten.

Die Christen im Gazastreifen sind seit dem Putsch in 2007 täglichem Terror ausgesetzt, ihre Häuser und Kirchen werden zerstört und ihre Führer ermordet.  Nicht von ungefähr war eines der ersten Todesopfer nach der Machtübernahme in Gaza Rami Ayyad, der Besitzer des einzigen christlichen Buchladens. Der israelisch-arabische Journalist Khaled Abu Toameh hatte bereits vor drei Jahren davor gewarnt, dass die Hamas Gaza in ein „talibanähnliches islamistisches Gemeinwesen“ verwandeln wolle. Nur naive Friedensfreunde und Apologeten des radikalen Islam wollen nicht hören, was die Hamas Tag für Tag herausschreit, und das nicht nur in arabischsprachigen Medien.

So konnte man am 8. Februar in der Financial Times Deutschland ein Interview mit Mustafa Sawaf lesen, dem stellvertretenden Kulturminister der Hamas und ehemaligem Chefredakteur der Zeitung Filistin. Dieser gab darin ganz offen zu, wie sich die islamistische Organisation die Zukunft des palästinensischen Widerstands gegen Israel vorstellt. Die PA, die in einigen Feldern mit Israel kooperiert hat, wird unter Hamas-Führung einen anderen Kurs einschlagen. Sawaf stellte in dem Gespräch klar: “Unsere wichtigste Bedingung für eine gemeinsame Regierung ist der sofortige Stopp der Kooperation mit den israelischen Sicherheitskräften.“

Mahmoud Abbas sagte in arabischsprachigen Medien zwar oft, dass er den bewaffneten Kampf nicht weiterführen kann, weil die Bedingungen es im Moment nicht zuließen, in westlichen Medien sprach er sich aber bei Gelegenheit gegen einen offenen Krieg gegen Israel aus. Das mag man Doppelzüngigkeit nennen, die Hamas spricht diesbezüglich Tacheles. Abbas war darauf bedacht, westliche Geldgeber zu beruhigen und so sich an der Macht zu halten und das Schicksal des späten Arafats zu vermeiden. Die Hamas hingegen ist eine islamistische Terrororganisation, die weder eigene Verluste scheut noch Skrupel hat den Koran als eine unzweideutige Anleitung zum Morden und zur Zerstörung Israels auszulegen. „Die Hamas kann den bewaffneten Widerstand nicht aufgeben, wie es eine PLO und Fatah gemacht haben“, gab Sawaf dann auch im Interview ganz offen zu, die Hamas sei eine religiöse Bewegung mit unveränderlichen Prinzipien: „Wir könnten uns nur ändern, wenn der Koran sich ändert.“

Wichtiger als diese Einführung in das Einmaleins des islamistischen Terrors sind aber Sawafs Vorstellungen über die Zukunft der palästinensischen Machtstrukturen. Die Hamas sieht die Integration in die PLO und die PA nicht als eine Möglichkeit, um endlich einen palästinensischen Staat in Koexistenz mit Israel aufzubauen und friedlich für ein prosperierendes Palästina zu arbeiten. Vielmehr ist für die Hamas das Ziel „die PLO und die PA zu reformieren und zum Widerstand gegen Israel zurückzuführen“, so der Hamas-Ideologe Sawaf. Der israelische Analyst Jonathan Halevi spricht in diesem Zusammenhang von einer Strategie des trojanischen Pferds, die die Hamas anwende, um an die Schalthebel der palästinensischen Macht zu gelangen und so internationale Anerkennung zu erhalten.

Das langfristige Ziel bleibt hierbei aber die vollständige Auslöschung des jüdischen Staates, selbst ein Palästina in den Waffenstillstandslinien von 1949 wäre nur ein Zwischenschritt. Denn wie der offenherzige Mustafa Sawaf von der Hamas zugibt: „Die Befreiung ganz Palästinas wird auch nach Ausrufung eines Staates und einer eventuellen Waffenruhe mit Israel ein Projekt für die Zukunft bleiben.“

Man möchte Sawafs Worte auf Großplakate drucken und um den Bundestag herum aufstellen, damit deutsche Politiker endlich sehen, mit wem es Israel zu tun hat. Dabei wiederholt er nur, was alle führenden Hamas-Politiker tagtäglich von sich geben. Hamas-Chef Haniye sagte bei einem Treffen mit den ägyptischen Muslimbrüdern im Dezember 2011: „[D]er arabische Frühling wird ein blutiger Winter für die Besatzung… Das zionistische Projekt ist seinem Ende nahe.“ Der zweite Mann der Hamas Mahmud al-Zahar sprach sich am 26. Dezember ebenfalls eindeutig für den bewaffneten Kampf aus, genauso wie der vermeintlich moderatere Führer des Polit-Büros der Hamas Khaled Mashaal am 11. Februar dieses Jahres. In nahezu identischen Worten unterstützte der Außenbeauftragte der Hamas Osama Hamdan den bewaffneten Kampf und von den Führern des bewaffneten Flügels der Hamas Ahmed Jabari und Marwan Issa konnte man sowieso nichts anderes erwarten.

Wie und warum werden solche Aussagen ignoriert? Wie kann ein israelischer Ministerpräsident Netanyahu, der zahlreiche Gesten des guten Willens gegenüber den Palästinensern gemacht hat, als der eigentliche Feind des Friedensprozesses dargestellt werden und die wirklichen Feinde, die Hamas, und ein Mahmoud Abbas, der eben jene Hamas in die Regierung holen will, als friedliebende Tauben? Warum ruft die Bundeskanzlerin empört bei Netayanhu an, wenn dieser einige Häuser in Israels Hauptstadt bauen möchte, schweigt aber, wenn Mahmoud Abbas offen mit Mördern koaliert?

Abbas hat kein Ass mehr im Ärmel. Er klammert sich verzweifelt an die Macht, die ihm zunehmend aus den Finger gleitet. Sein Versuch, durch eine Personalunion des Präsidentenamts und des Amts des Ministerpräsidenten die Hamas von Regierungsfunktion fernzuhalten, bringt die Hamas-Führer im Gazastreifen gegen ihn auf, lässt ihn in der palästinensischen Öffentlichkeit als einen machthungrigen alten Mann dastehen und er beseitigt mit Salam Fayyad den einzigen moderaten und fähigen Palästinenser.

Wie einst Papen und die deutschen Großindustriellen dachten, sie könnten Hitlers Machtstreben durch dessen Einbindung einhegen, glaubt Abbas, die Hamas durch kleine Gesten von der vollständigen Machtübernahme abzuhalten. Das aber ist ein Spiel mit dem Feuer, welches kein gutes Ende nehmen wird. Die Hamas hat gezeigt, dass sie bereit und fähig ist, erworbene Macht nicht mehr aus den Händen zu geben und einmal an der Macht, ihre islamistische, anti-westliche und anti-israelische Ideologie in die Tat umzusetzen.

In dieser Situation hat die deutsche Bundesregierung Anfang Februar einen vollkommen unnötigen Schritt unternommen. Statt die weiteren Entwicklungen zumindest bis nach den geplanten Wahlen im Mai abzuwarten, wurde Abbas‘ zwielichtiges und gefährliches Taktieren von Merkel und Westerwelle sogar noch gewürdigt. Zwar wollte die Bundeskanzlerin im letzten Jahres der einseitigen Ausrufung und Anerkennung eines Palästinenserstaates nicht zustimmen, aber kaum ein Jahr später veranlasste der deutsche Außenminister Westerwelle eine Statusaufwertung der diplomatischen Vertretung der Palästinenser in Deutschland von einer Delegation zu einer diplomatischen Mission, die von einem Botschafter geführt wird. So belohnte die Bundesregierung also Mahmoud Abbas just in dem Moment, in dem er die Terroristen der Hamas in die Verwaltung der Palästinensergebiete einbindet. Das nennt man neudeutsch wohl „timing“.

Man kann sich vorstellen, wie dieses Vorgehen von Abbas und den zukünftigen Führern der Palästinenser gesehen wird: es ist egal, was die Palästinenser tun, sie bekommen von den europäischen Politikern nicht nur meistens Recht, sondern ihnen wird auch Stück für Stück mehr zugestanden.

Von der diplomatischen Aufwertung bis zu einer Anerkennung eines Palästinas ohne Verhandlungen mag es zwar noch ein weiter Weg sein, aber die Entfernung ist durch das deutsche Vorgehen kleiner geworden. Das Abkommen mit der Hamas rückt einen palästinensischen Terrorstaat jedoch ein erhebliches Stück näher. Deutliche Worte wären hier von deutscher Seite nötig gewesen, nicht versöhnliche Gesten.

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