Henryk M. Broder / 20.04.2021 / 11:00 / Foto: Pixabay / 71 / Seite ausdrucken

Deutschland und das Rumpeln unter der Haube

Liebe Leserinnen und Leser, oder wie wir in Deutschland inzwischen sagen: Liebe Lesende, versuchen Sie bitte, sich Folgendes vorzustellen:

Sie fahren ein schon älteres, aber durchaus verkehrstaugliches Auto. Alle zwei Jahre kommt es ohne Mühe durch den TÜV, dazwischen müssen Sie nur das Öl wechseln. Eines Tages aber hören sie ein seltsames Geräusch, als würden zwei Metallteile aufeinanderschlagen. Sie fahren das Auto zur Werkstatt, der Chefmechaniker tritt im Leerlauf voll auf das Gaspedal und sagt: „Kann nur eine Kleinigkeit sein, kommen Sie morgen wieder.“

Am nächsten Tag sind Sie wieder da. Der Mechaniker gibt ihnen die Autoschlüssel zurück und sagt: „War nur eine Kleinigkeit, eine Kerze war locker.“ Sie freuen sich und fahren los. Nach 10 Minuten ist das Geräusch wieder da, stärker als beim ersten Mal.

Sie wenden und bringen das Auto wieder in die Werkstatt. Der Chefmechaniker sagt: „Ich schau noch mal nach. Es könnte auch der Anlasser oder die Lichtmaschine sein.“ Sie sind schon etwas genervt, lassen es sich aber nicht anmerken. Der Mechaniker erneuert den Anlasser und tauscht die Lichtmaschine aus. Und tatsächlich: das Geräusch ist weg. Sie fahren heim, stellen das Auto in der Garage ab und schämen sich ein wenig, weil Sie schon mit dem Gedanken gespielt haben, die Werkstatt zu wechseln. 

Nur: Kaum haben Sie tags darauf die Garage verlassen, rappelt es wieder unter der Motorhaube…

Jetzt ist Schluss

Sie ahnen, worauf ich hinauswill. Das Auto ist Corona, der Chefmechaniker ist Angela Merkel und der Autofahrer, das bin ich, der Bürger, der sich darauf verlässt, dass seine Regierung weiß, was sie tut. Aber jetzt ist Schluss. 

Mindestens neunzehnmal – zuerst am 12. März 2020, zuletzt am 23. März 2021 – beriet die Konferenz der Ministerpräsidenten mit der Kanzlerin über Maßnahmen gegen die Corona-Pandemie, physisch im Kanzleramt oder digital im Netz, aber immer bis tief in die Nacht, um jedes Mal am Ende die frohe Kunde zu verbreiten, man sei einen „guten Schritt“ vorangekommen.

Letzten Montag, am 12. April, wollte man sich wieder treffen. Der Termin wurde am Wochenende abgesagt, weil sich die Ministerpräsidenten nicht auf eine Tagesordnung einigen konnten. 

Mehr als ein Jahr nach dem ersten festgestellten Fall in Deutschland, Ende Januar letzten Jahres, sind wir „back to square one“. Mitten in der „dritten Welle“ und dem dritten Lockdown hat die Kanzlerin beschlossen, dass es so nicht weitergeht und die „Notbremse“ gezogen. Die Große Koalition will noch im Laufe dieser Woche das „Infektionsschutzgesetz“ der Lage anpassen.

Dazu braucht sie zwei Drittel der Stimmen im Bundestag, mehr als sie selbst auf die Waage bringt. Deswegen wirbt sie um Hilfe aus der Opposition. Gelingt der Coup, für den das Grundgesetz geändert werden muss, könnte die Regierung mit Hilfe von „Rechtsverordnungen“ durchregieren, vorbei am Bundestag und ohne Rücksicht auf die 16 Bundesländer, die ihre Zuständigkeiten für die Speisepläne der Kitas und die Pausenzeiten an den Schulen behalten dürfen.

Auf eigenes Risiko

Es wäre das Ende des föderalen Systems und der Anfang von etwas, das an die Weimarer Republik erinnert, die in ihrer Endphase mit „Notverordnungen“ regiert wurde. Die Bundesrepublik ist auf dem Weg zu einem „failed state“, nicht nur weil Deutschland „nach 16 Jahren Merkel in vielen Bereichen ein Sanierungsfall“ ist, wie es der Industrie-Manager Wolfgang Reitzle zurückhaltend formuliert, sondern weil es sich der Fiktion hingibt, eine politische, wirtschaftliche und moralische Großmacht zu sein. Dabei ist das Land nur der Zahlmeister der EU, der sich die Treue seiner „Partner“ durch teure Geschenke erkauft – zum Beispiel. die „Europäisierung“ ihrer Schulden. 

Das eigene Versagen beim Ankauf der Impfstoffe und der Organisation der Impfkampagne wird als Absage an den „Impfnationalismus“ verklärt. Man habe sich nicht „vordrängeln“ wollen, wie es Großbritannien und Israel getan haben, sagt der sächsische Ministerpräsident in einer Talk-Show. 

Das alles funktioniert nur – oder: hat bis jetzt funktioniert –, weil ein großer Teil der Vierten Gewalt die Politik der Regierung vorbehaltlos unterstützt. So hat z.B. die hessische Sektion des Deutschen Journalisten Verbandes zu einer Demo gegen eine Querdenker-Demo vor der Zentrale des Hessischen Rundfunks aufgerufen. Die Querdenker seien „Verschwörungstheoretiker“ und würden behaupten, „dass es keine freie Presse in Deutschland“ gibt. Das könne man nicht hinnehmen. „Wir lassen unsere Pressefreiheit nicht verunglimpfen.“ 

Die Teilnahme an der Demo gegen die Querdenker-Demo war eine Art Mutprobe. Deswegen wurden die Teilnehmer vorgewarnt: „Teilnahme erfolgt auf eigenes Risiko.“

 

Dieser Beitrag erschien zuerst in der Weltwoche.

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Leserpost

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Gabriele Klein / 20.04.2021

Was machen wir eigentlich, als rechtstreue Bürger,  wenn Frau Dr. Merkel ihren Beschluß mit großer Minister Party drinnen und Feuerwerk draußen besiegelt,  um die Covid Geister samt Viren die sie in ihren Laboren gebären, endgültig zu vertreiben?Dass sich so manche Meinung gerade nach Beschluss ändert (auch bei jenen die ihn fassten….) hat es in der Geschichte schon öfter gegeben.. Was machen wir nun?  Und, das mit dem Vertrauen ist auch so ein zweischneidiges Schwert,  Wie kommen wir eigentlich dazu einer Regierung zu vertrauen die uns nicht vertraut?

Michael Hofmann / 20.04.2021

Bitte lassen Sie nichts auf unsere guten Automechaniker kommen. Es gibt aber einen Unterschied zur derzeitigen   Murkselpolitik. Der Handwerker hätte längst seinen Job verloren und wäre wohl in die Politik untergekommen

Markus Knust / 20.04.2021

Wer glaubt, die Medien würden die jetzige Regierung mit Samthandschuhen anfassen, wird noch staunen, wenn die Kanzlerin Baerbock heißt. Aus diesem Grund unterstützen sie auch das Ermächtigungsgesetz, welches das perfekte Instrument für die grün lackierten Kommunisten darstellt. Es sei denn natürlich, ihre Majestät arbeitet längst daran, die schwächlichen Satrapen - Laschet und Söder - auflaufen zu lassen. Wenn die Union weiter fällt, werden bald erste Stimmen laut werden. Die Erhabene und Mutter der Gläubigen hat sicherlich noch viele Schachtelsätze in Reserve, die von ihren Bosheiten ablenken. Und wer weiß schon, was in Davos ausgekungelt wurde oder Xi Jinping am Telefon riet. Dessen Statthalter, Senilokrates, in Washington, tanzt schließlich auch schon an Pekings Fäden. Die Gesalbte dürfte wesentlich billiger einzukaufen sein, wo man doch dieselben Werte teilt.

Harald Hotz / 20.04.2021

Vermutlich fahren schon zu viele in diesem Land nur noch Fahrrad oder sind intellektuell mit dem Rollator unterwegs. Da rumpelt nix mehr auch nicht im Kopf! Ich bin mir sicher, die Medien und die Kirchen werden Annalena als eingeborene Tochter der Allmächtigen anpreisen und die debilen Wohlstandskindischen werden sie wählen weil sie so nett ist, eine Frau ist, so unverdorben ... so ihr nicht werdet wie die Kinder ...und selig sind die Armen im Geiste ... Armin dagegen wird bald entlarft werden als hinterhältiger Handlanger des kapitalistischen Satans, der hinterrücks den tapferen Söder gemeuchelt habe und dessen falsche Freundlichkeit uns nur ins Klimaverderben führen kann. Aber es ist gut so! Ab und zu muß man auch mal so richtig auf die Schnauze fallen in einem Land, in dem die Lehrer anscheinend sowieso keine Lust mehr haben zu unterrichten - Corona hin oder her - in dem das bedingungslose Grundeinkommen für 2/3 der Bevölkerung bereits eingeführt wurde und nur noch zählt, was sich gut anfühlt. Die Deutschen haben der Menscheit schon eine Menge Schwachsinn aufgebürdet, angefangen bei Luther über den deutschen Idealismus, Hegel, Marx, die deutsche Romantik, den Nationalssozialismus, die Klimareligion alles aus derselben kleingeistigen Sauce angerührt.

Fritz Irmgardson / 20.04.2021

Wie heißt es so schön: Gestern standen wir direkt vor dem Abgrund. Heute sind wir einen bedeutenden Schritt weiter. Oder: Wir sehen das Licht am Ende des Tunnels. Es könnte allerdings auch der entgegen kommende Zug sein. Ich werde in diesem Land noch verrückt.

Ernst Dinkel / 20.04.2021

@Hans-Jörg Dunkel: Ihre Ausführungen haben mir meinen inneren Frieden zurück gebracht; ich ahnte ja nicht, wie gut Deutschland dasteht. Welche Vitamine Sie auch nehmen, nicht absetzen!

Thomas Müller / 20.04.2021

Anderer Vergleich: Das Auto fährt ganz normal, aber bei der jährlichen Inspektion schlägt der Mechaniker die Hände über dem Kopf zusammen, weil “die Karre jeden Moment auseinanderfliegen könnte”. Gut soll er machen. Am nächsten Tag hat er irgendwas gewurstelt, aber kann den Wagen unmöglich herausgeben, “weil irgendwie alles noch viel zu gefährlich sei”. Nachdem sich das Spiel tagelang wiederholt, reicht es und man will sein Auto endlich wiederhaben. “Nein, das ist unmöglich!” Die Karre würde wohl fahren, aber der Mechaniker hätte “Verantwortung und kann das Ding jetzt unmöglich herausgeben”! Er wüsste zwar nicht nicht, “was damit wäre und wie lange es noch dauern würde”, aber der Besitzer “dürfe es zu diesem Zeitpunkt auf keinen Fall zurückbekommen…!”

Max Biber / 20.04.2021

“Dabei ist das Land nur der Zahlmeister der EU, der sich die Treue seiner „Partner“ durch teure Geschenke erkauft – zum Beispiel. die „Europäisierung“ ihrer Schulden. ” - Es ist ja noch viel schlimmer: Bisher wurde D nach seiner Zustimmung gefragt. Wird die Klage von Bernd Lucke zurückgewiesen, dann zahlt D weiterhin, wird bei Beschlüssen aber nicht mehr gefragt, weil es wie Malta nur eine Stimme hat. Dann machen die Südländer was sie wollen. Großbritannien hat Weitsicht bewiesen ...

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