Heinz Horeis, Gastautor / 01.03.2018 / 06:20 / Foto: Pixabay / 17 / Seite ausdrucken

Deutschland steigt aus (3): Weg mit der Kohle!

Von Heinz Horeis.

Die Energiewende gilt als Erfolg. Windräder und Voltaikanlagen haben kräftig zugelegt; es gibt nur noch wenige Landstriche in Deutschland mit freier Sicht auf den Horizont. Aber mit jedem neuen Windrad, mit jedem neuen Solarpanel treten die Probleme der erneuerbaren Energien schärfer hervor. Da gibt es die sogenannten Dunkelflauten – kaum Wind, ein bisschen Sonne und das tagelang. Schön, wenn man dann Kohle- und Kernkraftwerke hat.

Oder das andere Extrem: Zu viel grüner Strom zur Unzeit, für den es keinen Bedarf gibt. Dann wird der Grünstrom verramscht. Bei den Herbststürmen im Oktober 2017 zahlten die Netzbetreiber zeitweise bis zu 100 Euro pro Megawattstunde an Kunden in Österreich oder Frankreich, damit sie den Strom abnahmen. So gut haben es die deutschen Haushalte nicht: Sie zahlen inzwischen die zweithöchsten Strompreise in Europa.

Bislang hat die Energiewende fast 200 Milliarden Euro verschlungen. Ergebnis: Die Erneuerbaren tragen nur knapp zehn Prozent zur gesamten Energieerzeugung Deutschlands bei, die Hauptkostentreiber Wind und Sonne sogar nur drei Prozent. Die angestrebte totale Energiewende – 100 Prozent erneuerbare Energie in Haushalt, Industrie und Verkehr – dürfte Kosten im Bereich von Multi-Billionen Euro verursachen. Ist das Geld gut investiert? Nein. Die Energiewende bewirkt eine gigantische Fehlallokation volkswirtschaftlicher Ressourcen. Denn das Neue, das sie bringt, ist eben nicht besser als das Alte. Das vorhandene Energiesystem mit Kohle, Erdöl und Erdgas hat über zwei Jahrhunderte hinter sich; es hat sich bewährt, sich stetig verbessert und erneuert. „Never change a running system“, diese Lehre sollten nicht nur Programmierer beherzigen.

Wie sich der Theologe das vorstellt

Der Fusionsreaktor Sonne beliefert die Erdoberfläche tagein, tagaus durchschnittlich 170 Watt pro Quadratmeter. Insgesamt macht das 87.000 Terrawatt (TW) – etwa das 6000-fache dessen, was die Gattung Mensch global an Energie verbraucht. Das ist eine enorme Menge, frei Haus und zudem von dem „guten Stoff“, den die Grünen so schätzen. Energieproblem gelöst, oder? So einfach, wie sich der Theologe das vorstellt, ist die Sache nicht. Die solare Strahlungsenergie muss erst einmal mittels Technologie in eine ­– für das Leben – nutzbare Form umgewandelt werden.

Dazu haben wir Photosynthese. Dank ihr gibt es Leben auf der Erde. Pflanzen produzieren aus Wasser, Kohlendioxid und Sonnenlicht Glucose und Sauerstoff. Aus Glucose, einem Traubenzucker, stellt die Pflanze Fette und Eiweißstoffe her. Sie speichert diese Stoffe oder nutzt sie, um zu wachsen. Den Sauerstoff braucht sie nicht, für Tiere und Menschen ist er allerdings unerlässlich. Sauerstoff hilft ihnen dabei, das pflanzliche Material zu verarbeiten, von dem sie sich ernähren.

Es ist eine geniale „Erfindung“: Die Photosynthese veredelt simple Strahlungsenergie regelrecht zu komplexen Strukturen. Es ist, wenn man so will, ein neg-entropischer Vorgang, der lokal zu höherer Ordnung in der Hierarchie von Lebensformen führt. All diese Wesen sind letztlich Energieumwandler. Tiere fressen Pflanzen, werden von anderen Tieren gefressen. Der Mensch isst – stilvoller – alles. Jeder konkurriert um Energie, direkt oder indirekt um Sonnenlicht. Das Ergebnis dieses Wettbewerbs – der Evolution – ist eine ungemein vielfältige und wandlungsfähige Biosphäre.

Die Biosphäre kommt seit Urzeiten mit der Photosynthese gut zurecht. Doch dem Neuankömmling Mensch, der schon früh aus dem Rahmen fällt, setzt diese Technologie enge Grenzen. Denn sie ist sehr ineffizient. Global gemittelt wandeln Pflanzen nur 0,3 Prozent der ohnehin sehr dünnen Sonnenstrahlung in Pflanzenmasse um (1). „Grüne“ Energie, gemessen an menschlichem Bestreben und Bedarf, ist also knapp.

Seit dem Kohlezeitalter geht es rapide aufwärts

Bis zum Beginn der Neuzeit lebten die menschlichen Gesellschaften, trotz diverser Fortschritte, immer mit dieser Knappheit. Ihnen standen nur dünne Energieflüsse zur Verfügung: ein bisschen Wind, ein bisschen Wasser, aber vor allem Holz und die Muskelkraft von Tieren und Menschen. Sklavenarbeit war die notwendige Folge und stets gegenwärtig. Ständige Herausforderung war die Bereitstellung von gespeicherter Energie, in Form von haltbarer Nahrung und Holz, um Kälte, Dürre und andere Unbilden der Natur zu überstehen.

Die übergroße Mehrheit der Menschen – mit der Ausnahme von kleinen Eliten – lebte schlecht und kurz und – nach heutigem Maßstab – in absoluter Armut. Die nutzbare Energie war zwar „erneuerbar“, erlaubte aber weder dauerhaftes Wachstum noch grundlegend bessere Lebensbedingungen. Über viele Jahrtausende ging es im Schneckentempo voran, bis zum „Big Bang“ vor etwa 250 Jahren: dem Beginn des Kohlezeitalters. Seitdem geht es rapide aufwärts.

Ein paar Zahlen: Von 1750 bis 2009 hat sich die Lebenserwartung von 26 auf 69 Jahre mehr als verdoppelt, die Weltbevölkerung verachtfachte sich von 760 Millionen auf 6,8 Milliarden und das durchschnittliche Jahreseinkommen wuchs von 640 US-Dollar auf 7300. Niemals zuvor hatte die Menschheit – genauer ihr innovativer Anteil – derart große und schnelle Fortschritte erlebt.

Die Energie aus Kohle ermöglichte den Siegeszug der Dampfmaschine und eröffnete das Industriezeitalter. In englischen Manufakturen und Haushalten lieferte Kohle bereits um 1700 die Hälfte der Energie, die andere Hälfte stammte noch aus den traditionellen erneuerbaren Quellen, Muskelkraft und Holz. Und um 1800 bestritt Kohle in England bereits 80 Prozent der Energieversorgung (2). Mit Holz als Energiequelle wäre diese Entwicklung nicht möglich gewesen. Hätte man 1850 in England und Wales Kohle durch Holz ersetzen wollen, so der Historiker Edward Wrigley, wäre dafür 150 Prozent der gesamten Landfläche erforderlich gewesen.

China stieg mit der Kohle auf

Trotz Erdöl und Erdgas ist Kohle immer noch die wirtschaftlichste und zuverlässigste Quelle der Stromerzeugung. Und erneut ist sie Motor von Industrialisierung – diesmal in den sich entwickelnden Ländern. Herausragendes Beispiel ist China, das sich in den vergangenen drei Jahrzehnten zur zweitgrößten Volkswirtschaft der Welt entwickelt hat – vor allem dank Kohle. Zeitweise ging in dem Land jede Woche ein neues Kohlekraftwerk in Betrieb. Indien – zuvor erneuerbar ausgerichtet – folgt Chinas Beispiel, ebenso wie Vietnam, Indonesien und weitere.

Die Welt wird reicher! Ab etwa 1970 geht weltweit der Anteil derer dramatisch zurück, die in extremer Armut leben. Damals lebten sieben von acht Menschen in absoluter Armut, vierzig Jahre später, 2010, war es nur noch eine von sieben Personen. Innerhalb von weniger als einer Generation hat sich das Verhältnis nahezu umgekehrt.

Warum Kohle? Kohle ist, wie Holz, gespeicherte Bioenergie, enthält aber etwa doppelt so viel Energie (8–10 vs. 4 kWh/kg, Kilowattstunden pro Kilogramm). Noch besser: Kohle, Erdöl und Erdgas findet man in konzentrierten, großen Vorkommen. Mittels Technologie sind diese natürlichen Energiespeicher leicht und zu geringen Kosten gewinnbar und jederzeit verfügbar. Bis weit ins nächste Jahrhundert dürften sie mindestens noch reichen.

Der Unterschied zum vergangenen Zeitalter der „erneuerbaren Energien“ liegt auf der Hand: Heute sind wir, zumindest in den Industrienationen, nicht länger auf die langsame Akkumulation von Sonnenlicht in Pflanzenmasse angewiesen; wir müssen nicht mehr Jahrzehnte warten, bis ein geschlagener Wald nachgewachsen ist. Hier müssen Claudia Roth oder Katrin Göring-Eckardt nicht mehr, wie es Millionen indischer oder afrikanischer Frauen noch heute tun, stundenlang Brennholz sammeln und über weite Strecken nach Hause tragen.

Zurück unter die Knute einer launischen Natur

In den reichen Ländern hat man vergessen, was (Energie-)Armut bedeutet und welchen Fortschritt uns die fossilen Brennstoffe gebracht haben. Wie sonst könnte man so töricht sein, eine rückwärtsgewandte Energiewende überhaupt in Erwägung zu ziehen? Die Energiewende bedeutet die Kehrtwende zurück unter die Knute einer launischen Natur. Sie ist in der Konsequenz auch eine Absage an die moderne Industriegesellschaft. Neu ist das nicht. Vor einem halben Jahrhundert propagierte Amory Lovins vom Sierra Club den „sanften Weg“ mit Sonnenenergie und Windrad, während in Deutschland große Teile der ehemals stramm linken Studentenbewegung gegen Brokdorf marschierten.

Damals hieß das „small is beautiful“. Nunmehr haben wir grüne Großtechnik mit 200 Meter hohen Windrädern, großen Solarfeldern und riesigen Maisäckern. Doch auch die technisch aufgebrezelten Windmühlen von heute laufen, wie früher, immer noch mit Wind. Abhängig von Wetter und Klima, mit geringer Leistungsdichte, gelingt ihnen nur eine unzuverlässige und ineffiziente Energieversorgung. Für moderne Gesellschaften sind sie ungeeignet.

Vergleicht man die Leistungsdichten unterschiedlicher Energiequellen zeigt sich: Öko- und moderne Energien liegen um den Faktor 1.000 und mehr auseinander – Watt versus Gigawatt. Das bedingt einen immens höheren Material- und Flächenverbrauch seitens der neuen ineffizienten Energiequellen. Eine Großstadt wie New York hat eine Verbrauchsdichte von 55 W/m2 (Watt pro Quadratmeter). Wollte man diese Energie mit Sonne, Wind und Biomasse bereitstellen, benötigte man an Fläche mehr als das Zehnfache der Stadtfläche. Die als umweltfreundlich beworbenen Ökoenergien haben also einen energetischen Fußabdruck, der um ein Vielfaches größer ist als der ihrer effizienten Konkurrenz.

Moderne Industriegesellschaften benötigen eine unterbrechungsfreie, stetige Stromversorgung. Vor allem brauchen sie Gigawattmengen. Windräder und Photovoltaik-Anlagen (PV-Anlagen) sind dazu nicht in der Lage. Ihre Leistung schwankt, sowohl in kurzen als auch langen Zeitintervallen, in Abhängigkeit von Klima, Wetter, Jahreszeiten und Tageslauf. Ökostrom ist deshalb auf Krücken angewiesen – Speicher und konventionelle Kraftwerke, um die großen Lücken zu füllen. Oder Lastabwürfe, wenn sonst nichts mehr geht. Alles ist teuer und unwirtschaftlich. Wieso drehen sich dann trotzdem fast 30.000 Windräder im Wald, auf Äckern und Feldern? Wieso gibt es über eine Million PV-Anlagen?

  • Weil sie per Gesetz privilegiert sind (der Strom hat im Netz Vorrang) und subventioniert werden, bezahlt vom Verbraucher. Einem Wettbewerb müssen sie sich nicht stellen.
  • Weil es konventionelle Kraftwerke gibt. Diese stellen die Grundlast, halten das Netz stabil und liefern, wenn Wind und Sonne ihre Arbeit einstellen. Die Erneuerbaren sind Trittbrettfahrer. Ohne Kohle- und Kernkraftwerke gäbe es keinen Ökostrom. Der Umkehrschluss gilt nicht.

Wohlfühlenergien für betuchte Bürger

Und nicht zu vergessen: Für viele, zumeist betuchte Bürger sind erneuerbare Energien Wohlfühlenergien. Man tut etwas Gutes, für das Klima und den Planeten. Und es tut ihnen nicht weh, wenn sie in „Europas Energie-Schrebergarten“(4) monatlich 300 statt 100 Euro für Strom zahlen.

Und hartnäckig hält sich der Glaube, dass alle Welt auch in diesen Garten drängt. Als Beleg zieht die Ökolobby gerne das Beispiel China heran. Denn dort gebe es inzwischen mehr installierte Windenergieleistung als in Deutschland. Das stimmt. Aber ebenso richtig ist, dass im aufstrebenden Reich der Mitte ein Vielfaches der Kohlekraftwerke hierzulande arbeitet bzw. gebaut wird (5)

Die Datenwolke benötigt dreimal so viel Energie wie Deutschland

Die Hauptaufgabe einer Energieversorgung kann nicht sein, CO2-Emissionen zu vermeiden. In erster Linie muss sie große Mengen an Energie effizient und günstig bereitstellen. Das ist in Zukunft nicht anders. Weltweit wächst der Energiebedarf, auch bei den Wohlhabenden. Digitalisierung und Industrie 4.0 – allein das erfordert immense Mengen an Strom. Die globale Datenwolke, so kann man bei Greenpeace nachlesen, benötige pro Jahr dreimal so viel Elektrizität wie Deutschland. Nach Schätzung des Analysten Markus P. Mills vom Manhattan Institute dürfte sich diese Leistung im kommenden Jahrzehnt mehr als verdoppeln (6).

Der größte Bedarf besteht natürlich in Afrika und Asien, wo die Menschen Licht, Elektroherde und Kühlschränke haben möchten, Jobs, Krankenhäuser, Schulen und Universitäten für ihre Kinder. Realistisch gesehen, lässt sich dieser Bedarf nur mit Kohle decken. China hat es vorgemacht. Indien folgt. „Wir brauchen sehr große Mengen an Grundlaststrom, und das geht nur mit Kohle“, sagt Piyush Goyal (7), indischer Minister für Eisenbahn und Kohle.

Die „fossile Zukunft“ sieht gut aus: Die Kohlevorräte reichen noch weit ins nächste Jahrhundert; die lang gehegte Endzeitvision „Peak Oil“ hat sich in Luft aufgelöst. Dank Fracking sind US-Firmen in atemberaubendem Tempo dabei, neue, immense Öl- und Erdgasvorkommen zu erschließen (8). Heute fördern die USA fast ebenso viel Öl wie die Spitzenreiter Saudi-Arabien und Russland. Der Einfluss des arabisch dominierten Ölkartells OPEC auf Energiepreise und Weltpolitik wird in Zukunft kräftig schrumpfen. Ein Schaden für die Welt wäre das nicht.

Fossile Energie bleibt billig. Schlecht für die Grünen; sie haben immer darauf gesetzt, dass steigende Preise für Öl und Kohle die Erneuerbaren konkurrenzfähig machen. Billige Energie macht auch die einseitige Ausrichtung von Volkswirtschaft, Forschung & Entwicklung und der „Bürgererziehung“ auf das Energiesparen obsolet. Ideen wie Wachstum und Fortschritt können – vielleicht sogar in Deutschland – wieder gewinnen.

Hohe Effizienz ist der Freund der Natur

Vor etwa 250 Jahren hat die bemerkenswerte Erfolgsgeschichte der Kohle begonnen. Viel spricht dafür, dass Kohle, Erdöl und Erdgas auch im 21. Jahrhundert das energetische Fundament moderner Gesellschaften bilden. Den Grünbewegten wird das nicht gefallen. Aber sie haben selbst Schuld. Sie blockieren seit fünfzig Jahren den legitimen Nachfolger der fossilen Energie, die Kernenergie.

Über das jetzige Jahrhundert gesehen, sind die fossilen Energien tatsächlich eine Brückentechnologie, allerdings nicht zurück in die Vergangenheit zu den ineffizienten Erneuerbaren, sondern nach vorne zur Kernspaltung und Kernfusion. Wenn eine Energiequelle nachhaltig ist, dann die Kernenergie. Sie ist praktisch unerschöpflich, um Größenordnungen leistungsstärker als die vorhandenen Energiequellen und damit äußerst kompakt, platz- und materialsparend. Sie ist sicher und sauber; sie ist umweltfreundlich, gemäß dem Leitgedanken „Hohe Effizienz ist der Freund der Natur“.

Kernenergie ist kein Auslaufmodell. Als man zum Jahreswechsel hierzulande den Block B des Kernkraftwerks (KKW) Gundremmingen endgültig abschaltete, nahm China sein 38. KKW in Betrieb. Einige hundert sollen es dort zur Jahrhundertmitte sein. Am Persischen Golf baut ein koreanisches Unternehmen im Auftrag der Vereinigten Arabischen Emirate derzeit vier nagelneue Kernkraftwerke in den Wüstensand. Solarenergie – die überlässt man dem sonnenreichen Deutschland. Man entwickelt und baut neue Reaktortypen, meist in China oder Russland: Schnelle Brüter, Hochtemperaturreaktoren, kleine Reaktoren zum Beheizen von Stadtvierteln, Reaktoren auf schwimmenden Plattformen.

Ein grundsätzlich neuer Typ ist der Salzschmelzreaktor. Er ist inhärent sicher, benötigt kein angereichertes Uran, verbrennt Thorium und Natururan ebenso wie Nuklearabfall. Und man staune: Selbst im nuklearphoben Deutschland gibt es eine kleine Gruppe von Kernphysikern, die ohne staatliche Beihilfe ein derartiges Reaktorkonzept, den Dual Fluid Reactor (DFR), entwickelt hat. Er könnte nicht nur äußerst billigen Strom erzeugen, sondern auch mit einem Schlag das deutsche Jahrhundertproblem, die Endlagerung radioaktiver Abfälle, lösen. Diese Reaktoren stehen für neue, umwälzende Technologien mit großen Aussichten für die nähere Zukunft. Aber geht so etwas überhaupt noch in Deutschland? In einem Land, das so töricht ist, seine effiziente Energieversorgung dem Trugbild der Erneuerbarkeit zu opfern, wohl eher nicht. Andere werden es machen.

Bei diesem Beitrag handelt es sich um die erweiterte Version eines Vortrags, den der Autor am 21. September 2017 bei einer Novo-Veranstaltung in Frankfurt/Main hielt. Heinz Horeis arbeitete als Lehrer für Physik und Mathematik, Programmierer und EDV-Dozent, bevor er als freier Wissenschaftsjournalist tätig wurde. Dieser Beitrag erschien zuerst in Novo. Dort finden Sie auch zusätzliche Grafiken und Statistiken.

 

Deutschland steigt aus (1): Der Diesel-Gedächtnistag

Deutschland steigt aus (2): Bäume fällen – aber korrekt

Deutschland steigt aus (4): Sag zum Abschied leise Waldorf

Deutschland steigt aus (5): Gefühlte Wissenschaft

Fussnoten:

(1) Dieser niedrige Wirkungsgrad bedeutet, dass die Photosynthese pro Quadratmeter nur etwa ein bis zwei Watt an Sonnenenergie erntet. Diese geringe Leistung macht deutlich, welch ökonomischer (und ökologischer) Unsinn es ist, Strom und Treibstoff aus Mais oder Raps herzustellen. Selbst Solarzellen sind etwa 10 bis 20 Prozent effizienter.

(2) E. A. Wrigley: „Energy and the English Industrial Revolution“, Cambridge University Press 2010.

(3) Vaclav Smil: „Energy at the crossroads“, MIT 2003; Peter W. Huber / Mark P. Mills: „The Bottomless Well“, Basic Books 2005. Der Wert für die Windleistung bezieht sich auf den Abstandsflächenbedarf von benachbarten Windrädern. Damit sie nicht gegenseitig im Windschatten stehen, brauchen sie einen Abstand, der bis zum Achtfachen des Rotordurchmessers betragen kann. Optimiert nach Geometrie und Hauptwindrichtung, ergeben sich als grober Richtwert zehn Hektar pro Anlage.

(4) Herbert Niederhausen, Andreas Burkert: „Elektrischer Strom. Gestehung, Übertragung, Verteilung, Speicherung und Nutzung elektrischer Energie im Kontext der Energiewende“, Springer Vieweg 2014.

(5) Nach Zahlen von endcoal.org hat China derzeit über 900 Gigawatt an Kohlekraftwerkskapazität (etwa 2.800 Einheiten). Nahezu die Hälfte ist jünger als zehn Jahre. Weitere 300 GW (580 Einheiten) befinden sich im Bau bzw. in der fortgeschrittenen Projektierung. Zum Vergleich: Deutschland verfügt noch über rund 50 GW an Stein- und Braunkohlekraftwerken.

(6) Mark Mills: „Energy Revolutions Hidden in Plain Sight“, RealClear Energy online, 11.05.2017. Digitale Erzeugnisse, so schreibt Mills, seien die komplexesten Produkte. Um ein Smartphone herzustellen, benötige man etwa so viel Energie wie zur Herstellung eines tausendmal schwereren Kühlschranks.

(7) Piyush Goyal zit. n. Greg Sheridan: „India’s challenge is 24/7 electricity for all“, The Australian, 13.02.2016. Hier das ausführliche Zitat: „We will be expanding our coal-based thermal power. That is our baseload power. All renewables are intermittent. Renewables have not provided baseload power for anyone in the world […] You must have coal. The people of India want a certain way of life. They want jobs for their children, schools and colleges, hospitals with uninterrupted power. This needs a very large amount of baseload power and this can only come from coal.“

(8) Mills, s. Anm. 10. Die Schiefergas-Revolution, so der Analyst Markus P. Mills vom Manhattan Institute, sei „der schnellste und größte Zuwachs zur globalen Energieversorgung der Geschichte.

 

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Karolin Gebauer / 01.03.2018

Herr Horeis, Es würde ein Kohleflöz unter Ihrem Haus entdeckt! Dann doch lieber die Aussicht auf einen Windpark? ..... Die Welt ist also reicher geworden? Schlussendlich hat alles seine Grenzen. Es gibt nur eine begrenzte Menge an Ressourcen und die können nur für eine gewisse Zeit einer bestimmten Anzahl an Menschen einen derartige Lebensstandard gewährleisten. Wie Sie es auch drehen und Wenden: Es reicht nicht für 7 Milliarden. Und nebenbei bemerkt erzeugen auch Kohlekraftwerke eine Überproduktion an Strom. Die können ja nicht einfach an- und ausgeschaltet werden. Sie brauchen rund um die Uhr Futter und Fressen nicht nur meine Heimat, sondern auch den fruchtbaren Boden, der Deutschland nährt.

beat schaller / 01.03.2018

Interessant die Erkenntnis. Sie ist auch einleuchtend, wird aber bestimmt von den Gutverdienern der Grünen und Ökophantasten in Abrede gestellt. Ein weiterer Zweig im High Tech Bereich wird abgegeben an Länder die wohl im Augenblick nicht ganz so zuverlässig und rücksichtsvoll mit solchen Technologien umgehen.  Eine weitere Anmerkung zu den Energiepreisen. Sollten die Preise für Energie oder Kraftstoffe wirklich auch mal sinken, dann bin ich mir doch sicher, dass der Staat dann an Stelle von Senkungen die Taschen aufmacht und sich die Differenz als Steuer nimmt! Si funktionieren wir. Danke für den gut ausgeleuchteten Artikel. b.schaller

Michael Himpelmann / 01.03.2018

Zuerst ein Loblied auf die Kohle - ok.  Sie hatte (und hat womöglich) ohne Frage ihre Berechtigung. Trotzdem wird mir mulmig, wenn ich mir vorstelle, innerhalb weniger Jahrzehnte einen großen Teil des über hunderte von Millionen von Jahren in Kohle gespeicherten Kohlenstoffs, in CO2 umzuwandeln und in die Atmosphäre zu entlassen. Was die angesprochenen 3% Wind- und Sonnenanteil an den Erneuerbaren angeht: Wenn ich die Zahlen des UBA zu Grunde lege und kurz nachrechne, komme ich auf einen Anteil von 5%.  Das sind, rel. gesehen, immerhin 67% mehr.  Aber sei’s drum - offensichtlich ist hier die Brühe sehr viel teurer, als die Brocken. Aber dies interessiert scheinbar niemanden, wir können es uns doch leisten.

Wilfried Cremer / 01.03.2018

Die Ursache der Energiewende liegt in der Vergangenheit. Weggedrückte Schuld quillt als Umweltgift sauber entpersonifiziert wieder zutage.

Axel Heinz / 01.03.2018

Zwei wichtige Informationen fehlen mir noch in dem ansonsten absolut zutreffenden Beitrag. Die Energiewende wird ja auch mit der “dringend notwendigen Reduzierung des Klimakillers CO2” begründet. 1) ist nach wie vor vollkommen unklar, ob CO2 überhaupt kausal für eine Klimaerwärmung ist. (es scheint eher umgekehrt zu sein - man lese dazu den BASIS-Bericht des IPCC) 2) wird kein einziges kg CO2 durch die Energiewende eingespart. (wegen der vorzuhaltenden Grundlastkraftwerke, die der Volatilität von Wind- und Solarstrom geschuldet sind und auch wegen des in Europa bestehenden CO2-Zertifikate-Handels) Wer mehr dazu lesen möchte, dem empfehle ich u.a. den Vortrag von Hans-Werner Sinn “Energiewende ins Nichts” (bei YouTube zu finden) und auch sein Buch “Das grüne Paradoxon”. Noch ein Satz zur Klimahysterie: Dieselben Klimaforscher (hptsl. sind dies Physiker, die mit Simulationsmodellen Prognosen erstellen und i.d.R. KEINE Meterologen sind), die mit ihren Modellen das Wetter für die nächsten zwei Wochen nicht vorhersagen können, behaupten sie können den Klimawandel vorhersagen. Ein jeder möge sich selbst ein Bild machen ...

Ernst-Friedrich Behr / 01.03.2018

Alles richtig, fast alles. Es heißt Terawatt, nicht Terrawatt. Die griechische Vorsilbe “tera” hat mit dem lateinischen Wort für “Erde” (Terra) nichts zu tun, außer dass die Rechtschreibkorrekturprogramme von Microsoft das ständig und penetrant durcheinanderbringen.

George Käpplinger / 01.03.2018

Die hier genannten 0,3% Umwandlung (der Pflanzen) von Sonne in Energie gibt beim 6.000fachen des weltweiten Energiebedarfes immer noch das 18fache des weltweiten Energiebedarfes. Und das nur durch Sonne. Es gibt aber sich noch Wind, Gezeiten- und Wasserkraftwerke, Geothermie. Energie für Dunkelflauten lässt sich doch (auch) in Form von Wasserstoff speichern. Von jetzigen und späteren Fortschritten in der Kernfusion haben wir noch gar nicht grdprochen. Ja, die Energiewende ist Murks. Ja, das dogmatisch-erzieherische Weg von Individualverkehr und mit Schuldgefühlen beim Energieverbrauch wollen nur die Öko-Grünen. Trotzdem: Fossil, Rauch und Stunk- aber auch Kernkraft(müll) ist Technik von Gestern. Windräder werden wieder verschwinden, die Öko-Umlage ebenso wie der Soli, hoffentlich! Aber die Zukunft ist sauber, nachhaltig, ressourcenschonend. Und nebenbei keine Kriege mehr wegen dem schwarzen Gold! Die Saudis habens begriffen und investieren längst in die Technik nach dem Öl und Kernkraft. Ausgerechnet wir sollten das nicht tun?

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