Ein strategisch äußerst machtvolles Instrument, Deutungshoheit in Öffentlichkeit und Medien zu gewinnen, ist die Politisierung der Wissenschaft. Auch die alten Totalitarismen förderten massiv alle Forschungsansätze, die ihre Ideologien stützten. Ob die jeweiligen Hypothesen einer kritischen Prüfung standhielten spielte keine Rolle. Lyssenkos Irrlehren warfen die Genetik, die Biologie und Landwirtschaft der Sowjetunion um Jahrzehnte zurück. Um die nationalsozialistische Vernichtungspolitik zu rechtfertigen, wurden Rassenlehre und obskure Schädelvermessungen benutzt.
Pseudowissenschaften versuchen gewöhnlich, von der Reputation echter Wissenschaften zu profitieren, indem sie deren Vokabular verwenden und versuchen, möglichst wissenschaftlich zu wirken, ohne dabei aber die Strukturen und Verfahren der Wissenschaftlichkeit einzuhalten. Das lässt sich zum Beispiel bei den sogenannten Gender-Studies beobachten oder auch im Bereich der Homöopathie, die behauptet, es gäbe eine Wirkung ohne Wirkstoff.
Aber auch grüne Lobbygruppen versuchen Hokuspokus höhere Weihen zu verleihen. So hat sich rund um den Begriff „Nachhaltigkeit" ein riesiges Biotop von Instituten und Lehrstühlen gebildet, in der sich gehobene Scharlatanerie und getarnte Ideologie gegenseitig befruchten. Deutschland nimmt diesbezüglich selbstverständlich eine „Vorreiterrolle" ein. Bundeskanzlerin Merkel bezeichnet Nachhaltigkeit als „Leitprinzip der Bundesregierung“ und möchte sie zu einem „Markenzeichen des 21. Jahrhunderts“ machen. Deshalb fordert sie das Land dazu auf, „über alle Lebensbereiche hinweg den Nachhaltigkeitsgedanken zu verinnerlichen“.
Mit den verschiedenen Erläuterungen und Definitionen des Begriffs könnte man eine ganze Dussmann-Filiale füllen, was aber auch nicht schlauer machen würde, denn es handelt sich unisono um schwere Kopfgeburten, in denen eine gefühlte Elite dem dummen Volk das Denken abnimmt. „Nachhaltigkeit klingt so natürlich, so biologisch, so ökologisch“, schrieb einmal Hubert Markl, der ehemalige Präsident der Max-Planck-Gesellschaft, „da unklar genug ist, was es eigentlich bedeuten soll, können sich von Wirtschaft und Wissenschaft bis zu Politik und Kirchentagen alle darauf einigen“.
In der populären Auslegung wird das Prinzip der Nachhaltigkeit auch gerne als ein ehernes Gesetz der Natur dargestellt. Der Begriff kommt ursprünglich aus dem Waldbau und meint dort, dass man nicht mehr Holz einschlagen solle, als nachwächst oder aufgeforstet wird. Dies ist kein natürliches, sondern ein ökonomisches Prinzip. Preußische Forstmeister verhalfen ihm im 18. Jahrhundert erstmals zur Geltung. Die Natur selbst hat keine Ahnung von Nachhaltigkeit. Wald dehnte sich im Verlauf der Erdgeschichte immer wieder aus oder schrumpfte. Auf dem Höhepunkt der letzten Eiszeit umfasste der tropische Regenwald nur einen winzigen Bruchteil seiner heutigen Fläche. Hätte sich die Natur vor ein paar Millionen Jahren entschieden, nachhaltig zu sein, dann dominierten heute noch die Dinosaurier den Planeten und der Mensch hätte niemals seine Chance bekommen. Die Natur wäre statisch und eine Evolution unmöglich.
Wissenschaft ist aus gutem Grund ein nachdenklicher und vorsichtiger Prozess: Alles darf kritisiert und angezweifelt werden. Wissen muss revidierbar bleiben. Der Zweifel ist das methodische Prinzip der gesamten modernen Naturwissenschaft. Dieses aufklärerische Prinzip ist beispielsweise beim Thema Klimawandel weitgehend außer Kraft gesetzt. In der öffentlichen Debatte gilt „Klimaschutz“ als hochmoralisches Anliegen.
Wer an den vorherrschenden Szenarien zweifelt, dessen moralische Integrität wird umgehend in Frage gestellt. Es hängen mittlerweile auch nicht nur politische, sondern auch massive ökonomische Interessen an der Erzählung von der Klimakatastrophe. Der Zweifler stellt schließlich auch die Sinnhaftigkeit der zur Vermeidung der hypothetischen Katastrophe eingeleiteten praktischen Maßnahmen in Frage. Und in keinem anderen Land sind diese Maßnahmen drastischer als in Deutschland. Zum Beispiel die sogenannte Energiewende: Die vorhandene, gut funktionierende Energie-Infrastruktur wurde zerschlagen, die Verbraucher zahlen mittlerweile die höchsten Strompreise in Europa – und sie bekommen dafür lediglich die Utopie einer Stromversorgung aus „natürlichen" Quellen. Rein praktisch wurden sowohl die Versorgungssicherheit als auch die CO2-Bilanz schlechter, ganz zu schweigen vom Wohlstandsverlust. Der Übergang von Pseudo-Wissenschaft zu magischem Denken ist inzwischen erfolgreich absolviert.
Wissenschaft als Alibi und Verkleidung
Politiker wollen ihre Entscheidungen durch einen breiten wissenschaftlichen Konsens legitimeren. Deshalb wurde das „Intergovernmental Panel on Climate Change“ (IPCC) in den achtziger Jahren von der UN ins Leben gerufen, um den Klima-Sachverstand aus aller Welt zusammenzutragen und eine einheitliche Aussage daraus zu kondensieren. Das IPCC-Prozedere ist damit kein wissenschaftliches, sondern ein von der „neuen Klasse" beherrschtes diplomatisches Verfahren. Schlüsselpositionen haben dabei jene Wissenschaftsfunktionäre inne, die den Wortlaut einer kurzen Zusammenfassung der vielen tausend Seiten umfassenden Studien und Arbeiten festlegen.
In der Debatte um die Möglichkeiten des Klimaschutzes tauchen utopische Phantasien auf, die an totalitäre Großprojekte der Vergangenheit erinnern. Der sowjetische Ministerrat verkündete 1950 den „großen Stalinplan zur Umgestaltung der Natur“. Die sibirischen Ströme Irtysch, Ob und Jenissei sollten umgeleitet, Wüsten fruchtbar gemacht und das Klima in Sibirien gemildert werden. Das Politbüro verlangte nach höheren Temperaturen und besseren Möglichkeiten zur Bewässerung in der Landwirtschaft.
Deshalb reiften in den Köpfen der Planer noch phantastischere Projekte: Holzkohlenstaub, so wurde diskutiert, sollte die Eiskappen des Nordpols gezielt abschmelzen. Fünfzig Jahre später ist es wieder so weit – allerdings unter umgekehrten Vorzeichen. Eine von ökologistischen Untergangsszenarien verunsicherte Öffentlichkeit fürchtet – diesmal in einer Art negativem Machbarkeitswahn – ihr irdisches Tun werde die Pole dahinschmelzen lassen. Kohlendioxid (CO2), das nach der Verbrennung fossiler Rohstoffe aus Schloten und Auspuffen in den Himmel steigt, könne den alten sowjetischen Traum doch noch wahr machen – unfreiwillig.
Die heutigen Klimaschützer werden in ihrem Machbarkeitswahn den sozialistischen Klimaplanern von einst immer ähnlicher. Die vernünftige Idee, die Umwelt zu schonen und Ressourcen und Energie zu sparen, genügt offenbar nicht mehr. Stattdessen glauben Klimaschützer, wie weiland die sowjetischen Großtechnokraten, Stoffströme umleiten und die Biosphäre nach einem großen Plan managen zu können. In einem Beitrag für das Magazin „nature“ warnte der deutsche Regierungsberater und Klimaforscher Professor Hans-Joachim Schellnhuber vor der „planlosen Umgestaltung der Ökosphäre durch individuellen Opportunismus“ und verkündete seine Vorstellungen von einem „Redesign“ des Globus mittels „Geoengineering“.
Ihm schwebt eine „organischere“ Verteilung von Arbeit vor, die gleichzeitig die Ungleichheit auf der Welt beheben könne: Nahrungsmittelanbau sollte vor allem in den gemäßigten Zonen konzentriert werden, erneuerbare Energiegewinnung und Hightech in den Subtropen, Artenvielfalt und Tourismus in den Tropen. Schellnhuber bekleidet zahlreiche Ämter, etwa im Wissenschaftlichen Beirat der Bundesregierung für globale Umweltveränderungen (WBGU) oder im IPCC. Er träumt von einem Elite-Zirkel, „bei dem die 100 bis 200 weltbesten Wissenschaftler einige Jahre in einem Kolleg zusammenarbeiten“, und, wenn diese die Lage als bedrohlich ansähen, „müssten sie schnellstmöglich eine neue Weltgesellschaft erfinden“.
Das ist keine neue Entwicklung. Schon in der Frühzeit der grünen Bewegung waren totalitäre Konzepte dieser Art gang und gäbe. Franz Alt träumte ebenso von einer „grünen Weltrevolution“ wie der Öko-Stalinist Wolfgang Harich, der sich eine „Weltregierung“ wünschte, „die selbst vor der Umsiedlung großer Menschenmassen nicht zurückschreckt.“
Du sollst keine Zweifel haben
Eine Nomenklatur von Umweltbürokraten und Wissenschaftsfunktionären, von Politikern und Wirtschaftslobbyisten glaubt sich in der Lage, über planetare Stoff- und Menschenströme befinden zu können. Ihr Traum ist eine globale Öko-Regulierungsbehörde – und deren oberstes Gebot lautet: Du sollst keine Zweifel haben. In Deutschland ist diese Maxime mittlerweile auch in andere Politikbereiche – etwa die Zuwanderungsdebatte – eingedrungen und wird mit dem Adjektiv „alternativlos" gekennzeichnet. Skeptische Fragen oder das Bemühen von empirischen Daten und praktischen Beobachtungen werden als destruktiv ausgemustert.
In Klimadingen gelten folgende Fragen als unanständig. Erstens: Hat die Erde sich tatsächlich bereits über ein von der Natur verursachtes Maß hinaus erwärmt? Zweitens: Wird Sie sich weiter erwärmen? Und drittens: Wenn ja, ist das überhaupt schlimm? Besonders letztere Frage gilt als zynisch.
Das mittelalterliche Klima-Optimum, teilweise wärmer als heute und von blühender Landwirtschaft (und einem teilweise eisfreien Grönland) gekennzeichnet, darf schon nicht mehr optimal genannt werden. In Lehrmaterialien für Schulen wurde die vorher gebräuchliche Bezeichnung „Optimum“ bereits in Anführungszeichen gesetzt. Die sowjetischen Klimamacher schufen einen Musterfall bürokratischer Stagnation und Bevormundung, die heutigen Klimaschützer sind auf ähnlichem Wege. Dies ist auch einer der Gründe, warum der amerikanische Präsident Donald Trump von der „neuen Klasse" mit geradezu fanatischer Wut bekämpft wird: Trump gefährdet die Pfründe der Öko-Internationalisten, die ihre Schlacht bereits gewonnen wähnten.
Im letzten Jahrhundert hat sich zweimal, 1917 in Russland und 1933 in Deutschland gezeigt, was einer Gesellschaft wiederfährt, deren politisches System von einer Weltanschauung beherrscht wird, die den Untergang beschwört und radikale Veränderungen fordert, um ihn abzuwehren. Das Konstrukt drohender Katastrophen wird zur Tatsache erklärt. Basierend auf dieser Wissens-Anmaßung wird einem massiven Eingriff in die Persönlichkeitsrechte das Wort geredet. Die Expertengremien suggerieren wissenschaftliche Exaktheit und leiten daraus scheinbar vernünftige und moralisch gebotene Verhaltensforderungen ab.
„Entweder man entscheidet sich als verantwortungsvoller, aus Einsicht in das allgemeine langfristige Interesse der Menschheit handelnder Bürger, das zu tun, was man tun soll. Oder man orientiert sich unverantwortlicherweise nur an eigennützigen kurzfristigen Interessen und grenzt sich damit selbst aus der Gemeinschaft vernünftig handelnder Bürger aus“, sagt Vera Lengsfeld. Sie weiß als ehemalige DDR-Bürgerrechtlerin, wovon sie spricht: „Damit könnte man die Nachhaltigkeitsforderung als eine Fortsetzung kommunistischer Zwangsbeglückungsfantasien mit modernen Mitteln betrachten.“
Auch der Wissenschaftliche Sozialismus begann als Theorie, die Anklang bei einer kleinen Intelligenzia-Gemeinde fand, aber keine große Resonanz bei den Menschen. Bis er dann gewaltsam die Massen ergriff. „Individualisierungsprozesse stehen dem nachhaltigen Gemeinwesen, das sich der verordneten Bereitschaft zur Selbstbegrenzung ergibt, klar entgegen“, fürchtet Lengsfeld. Das Konzept der Nachhaltigkeit ist aber auch insofern von gestern, als es unverdrossen von der Steuer- und Planbarkeit gesellschaftlicher Entwicklungen ausgeht, obwohl der kommunistische Block diese Idee dauerhaft ad absurdum geführt hat. Emsig wird die Kontrolle nachfragegesteuerter Wirtschaftsprozesse durch Aufsichtsbehörden angestrebt. Wirtschaftliche Dynamik könnte ja sonst die mythologisch statuierten Heilsnotwendigkeiten beschädigen.
Der Edle Wilde als Lebensentwurf
Die Idealisierung des Naiven und vermeintlich Natürlichen ist weit oben in Staat und Gesellschaft angekommen. Ihre Spur zieht sich von Rousseau über die der Romantik, die Wandervögel und die Hippies bis zum Ökologismus unserer Tage. Im deutschsprachigen Kulturraum waren solche Strömungen immer besonders beliebt. Durch’s bürgerliche Wohnzimmer zog schon zu Urgroßvaters Zeiten der wehmütige Duft des Sentimentalismus.
Der edle Wilde, der unverdorbene Landmann, das Kleinkind, das unschuldige Tier dienten den Kaufmännern und Fabrikanten als Projektionsfläche für Sehnsüchte, die im harten Alltagsgeschäft unbefriedigt blieben. In Caspar David Friedrichs Wald oder am Ufer von Karl Mays Silbersee lagen die Orte der Erhabenheit und der Harmonie, möglichst weit weg von dem verwirrenden Großstadtlärm der Aufklärung und der Moderne. Kennzeichnend für die Romantik, schrieb Isaiah Berlin, sei der Prozess des Mythenschaffens: „Man muss einen Mythos schaffen, der sich niemals gänzlich einlösen lassen wird.“ Es gehöre „zum Kern der Sache, unauffindbar, unerreichbar und ins Unendliche aufgeschoben zu sein“. So liest sich ein früher Vertreter dessen, was wir heute als harmonisches Multikulti imaginieren.
Der in den siebziger Jahren rasant anwachsenden grünen Bewegung gelang es, sich als neu und historisch unbelastet darzustellen. Doch der Ökologismus war keinesfalls, wie bis heute viele denken, 1970 vom Club of Rome in Deutschland eingeführt worden. Er hat eine lange nationale Geschichte, die in der Romantik begann, in der Lebensreformbewegung um 1900 eine erste Blüte erlebte und dann – das wurde jahrzehntelang unter den Tisch gekehrt – von den Nazis aufgegriffen und propagandistisch reiflich genutzt wurde.
Keine deutsche Regierung vor 1998 (die erste rot-grüne Koalition) war so mit Öko-Ideologie befrachtet wie die nationalsozialistische. Hitler war bekanntermaßen Tierversuchsgegner und Vegetarier. Weniger bekannt dürfte sein, dass Reichsbauernführer Walther Darré persönlich dafür sorgte, dass der Führer immer frisches Bio-Gemüse bekam. Oder, dass Hitler der Reichsvogelmutter Lina Hähnle versicherte, „seine schützende Hand über die Hecken“ zu halten und für „verstärkten Vogelschutz“ eintrat. Himmler pries in einer Rede die alten Germanen, die „von der göttlichen Ordnung der ganzen Pflanzen- und der ganzen Tierwelt überzeugt waren". Er schwadronierte über die Rechte von Mäusen und Ratten und warnte davor, über solche Betrachtungen zu lachen. „Es wäre besser,“ meinte er, „wir pietätlosen Menschen würden unser Haupt neigen vor der Tiefe und Größe dieser Weltanschauung.“
Biologisch-dynamische Versuchshöfe im KZ Dachau
Der SS-Führer wird von einigen Historikern zum „grünen Flügel“ der NSDAP-Leitung gezählt, ebenso wie Darré, Rudolf Hess, Fritz Todt und Alwin Seifert. Sie schwärmten für regenerative Energien, alternative Heilkunst und Bio-Landwirtschaft. Manche von ihnen sympathisierten zeitweise mit den anthroposophischen Lehren des Rudolf Steiner. Himmler ließ von der SS biologisch-dynamische Versuchshöfe betreiben, unter anderem im KZ Dachau. Göring sorgte dafür, dass nach der Machtergreifung 1933 als erstes ein neues Tierschutzgesetz verordnet wurde und zwei Jahre später ein Naturschutzgesetz. Beide wurden von der Bundesrepublik weitgehend übernommen und galten noch lange als vorbildlich.
Der Kulturwissenschaftler Friedemann Schmoll schreibt: „Antisemitismus und Naturschutz finden sich beide in Abwehrhaltung zu ihrer Zeit. Und beide teilen eine Reihe konstitutiver Muster und Grundwerte. Die Verklärung ländlicher Daseinsformen ging einher mit tiefer Ablehnung urbaner Kulturen und eines entfesselten Kapitalismus. Das Pochen auf Gemüt und Intuition verband sich mit borniertem Anti-Intellektualismus … Die Utopie einer „reinen“ Umwelt findet ihre Entsprechung in der Vorstellung einer judenreinen Welt.“
Dies ist keine intellektuelle Zuspitzung Schmolls, sondern wurde von den Nazis explizit so gesehen. „Es geht auch gegenüber der deutschen Natur und Heimat,“ schrieb der württembergische Landeskonservator Hans Schwenkel damals, „um Weltanschauung, um amerikanisch-jüdische oder um deutsche Lebensauffassung und Lebensgestaltung. Es geht jetzt um letzte Entscheidungen zwischen Ehrfurcht oder Ausbeutung, Einfühlung oder Vergewaltigung, Geist oder Stoff.“
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