Peter Grimm / 23.08.2021 / 14:46 / Foto: S.Werner / 79 / Seite ausdrucken

Deutschland impft sich frei

Regierende Politiker sagen, dass wir die Freiheit nur durch Impfungen zurückbekommen können. Ein Skandal, oder? Nein, der Aufreger ist ein dummer Nazi-Vergleich.

Markus Söder, bayerischer Ministerpräsident, CSU-Vorsitzender, Beinahe-Kanzlerkandidat und ideenreicher Vorreiter bei der Gestaltung des Corona-Ausnahmezustands hatte schon vor einer Weile gesagt, dass das Impfen der einzige Weg zurück in die Freiheit sei. Selbst jemand, der fest entschlossen ist, Nazi-Vergleiche zu meiden, konnte beim Hören dieses Satzes nicht verhindern, dass in irgendeiner Hirnwindung daraus der Satz „Impfen macht frei“ geformt wurde. Doch ebenso schnell war sicher jedem klar, dass sich Assoziationen zu dem zynischen „Arbeit macht frei“, das über den Toren nationalsozialistischer Konzentrations- und Vernichtungslager stand, an dieser Stelle verbieten. Dachte ich.

Seit gestern sorgt nun ein Tweet des CSU-Landtagsabgeordneten Thomas Huber für mediale Aufregung, denn Huber hatte ihn u.a. mit dem Hashtag „#ImpfenMachtFrei“ versehen. Hat da ein bayerischer Politiker einfach nur die Vorgabe seines Landesherrn und Parteivorsitzenden zusammenfassen wollen? Hat der von Geschichte keine Ahnung? Viel Hohn und Spott hat sich Huber da verdient und musste sich nun rechtfertigen. Der Abgeordnete twitterte:

Wie bereits öffentlich erklärt, habe ich auf Twitter beim eintippen eines #hashtags (auf dem Handy), um auf die Notwendigkeit des Impfens hinzuweisen, fälschlicherweise, unbemerkt u. ohne Absicht auch auf den zurecht in Frage gestellten # getippt.“ 

Es lag nie und liegt sicher nicht in meiner Absicht, an nationalsozialistische Begrifflichkeiten und Redewendungen zu erinnern oder diese sogar zu verbreiten. Der Beweis meiner eigentlich und gut gemeinten Absicht ist meinen bisherigen Äußerungen zum Thema zu finden.“

Es tut mir leid, wenn aus Unachtsamkeit ein anderer Eindruck entstanden ist! Deswegen habe ich am Freitag Abend, nachdem ich diesen Fehler bemerkt habe, meinen Post auf Twitter unverzüglich gelöscht!“

Afd und Vertreter der Querdenkerszene nutzten das sofort, verteilten das innerhalb kürzester Zeit im Netz und machen nun Stimmung gegen mich. Diese Unterstellungen sind nur noch bösartig!“

Ich twittere nicht und kann deshalb nicht beurteilen, wie schnell man unabsichtlich unter einem falschen Hashtag publizieren kann. Ich glaube gern, dass er da einfach nur Pech gehabt hat. Darüber kann man sich ärgern, es ist allerdings billig, sich über Unterstellungen von AfD und Querdenkern zu beschweren. Aber es geht hier gar nicht darum, wie wohl die Reaktionen ausgesehen hätten, wenn ein AfD-Abgeordneter unter solch einem Hashtag getwittert und das anschließend als Fehlklick entschuldigt hätte. Das wäre auch billig.

Es geht darum, dass die kleine Aufregung um unzulässige Vergleiche von dem Umstand ablenkt, über den man sich eigentlich aufregen sollte. Denn es ist ja nicht nur Söder, der von dem Weg in die Freiheit durch das Impfen spricht, mithin ist es kein Einzelfall. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn rief seinen Zuhörern auf einer Wahlkampfveranstaltung beispielsweise ebenso zu: „Wir impfen Deutschland zurück in die Freiheit, in die Normalität, in die Sicherheit. Das ist es, worum es in diesem Jahr 2021 geht.“

Unsere Freiheit und unsere Normalität wurden uns bekanntlich von diesen politischen Verantwortungsträgern per Verordnung erst genommen. Und sie werden uns von ebendieser Obrigkeit vielleicht bei Wohlverhalten zum Teil wieder gnädig gewährt, natürlich nur bis auf Widerruf, beispielsweise bis wir wieder vor irgendetwas geschützt werden müssen.

Jenseits aller Nazi-Vergleiche sind diese Aussagen zynisch und verächtlich gegenüber den Grundlagen der Verfassung. Viele Regierende benehmen sich inzwischen so, als wären sie der weisungsberechtigte Vormund der Bürger. Und so legen sie diesen auch immer neue vormundschaftliche Regeln auf. Das Grundgesetz hingegen geht aber – soweit ich mich erinnern kann – davon aus, dass das Volk der Souverän im Lande ist. Dem Souverän aber kann die Freiheit weder einfach entzogen noch zugeteilt werden. Das Staats- und Gesellschaftsverständnis, das viele regierende Politiker so verbreiten, sollte in einem demokratischen Gemeinwesen eigentlich Empörung und Aufsehen erregen. Aber der deutschen Öffentlichkeit reicht es ja offenbar, sich über einen Hashtag mit Nazi-Vergleich aufzuregen.

Foto: S.Werner

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Leserpost

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E Ekat / 24.08.2021

Es war nie daran gedacht, den Auschwitz-Insassen durch Arbeit ihre Freiheit zurückzugeben.  Diese Art von “frei-machen” durch Arbeit hatte eine andere Bedeutung. Eine Instanz, die Freiheit des Menschen erfolgreich an Bedingungen knüpfen kann verrät ein verborgenes Wissen, wonach die vorhandene Mentalität der Betroffenen nicht die Kraft aufbringen wird. dergleichen zurückzuweisen.  Da schimmert die Kontinuität des Denkens durch. Dies ist keine freie Gesellschaft. Da kann man impfen, so viel man will.

Reinhard Max / 23.08.2021

Naja zum Schutz der bürgerlichen Freiheit gäbe es eigentlich das Bundesverfassungsgericht, doch das schläft in Glückseligkeit und lässt die Unfreiheit des Bürgers wehrlos zu.

Volker Kleinophorst / 23.08.2021

“Eine Gesellschaft, die nur noch zwischen Geimpften, Genesenen & Getesteten unterscheidet & keinen gesunden Menschen mehr kennt, ist tatsächlich krank. Das hat aber dann nichts mit den Atemwegen zu tun.” (Solitarius Lupus auf Twitter) Da hat er recht.

Peter Michel / 23.08.2021

@ Dr Stefan Lehnhoff, nun das mit dem Stern sollte man doch unterlassen, aber ein gelbes Oberarmband würde es auch tun

S. Marek / 23.08.2021

Bleibt   die AfD bei den anstehenden   Bundestagswahlen   am 27. September 2021   unter der Marke von 50 %,  dann wird   es offensichtlich,  daß  die   Entnazifizierung   komplett   in die   Hose   gegangen   ist   und   Deutsche   nichts   von   Demokratie   verstanden   haben.  Sie   verstecken   sich   nur   hinter   roten,  grünen   und CS,,/CD..  Labeln der   gleichen   faschistoiden   Ideologie   die Heute   ” Impfen Macht   Frei ”  und   gestern   hinter   ”  Arbeit   Macht   Frei ”  Parolen   millionenfach   gelaufen   und   nach   1945   bis   heute   nicht   verstanden   haben   was   SIE   falsch   gemacht   haben und   Ihre   Nachkommen   heute BLIND   wiederholen.

Margit Broetz / 23.08.2021

Wie weiland Weidel mit der Maus verrutscht? #Arbeit macht frei!  #Jedem das Seine!  #Biontech oder AstraZeneca!  Ohne Zynismus geht es nicht mehr. Da bleibt mir nur noch #Schwarz-Grün ist das neue Braun; oder:  #Deutsche, kauft nicht bei Ungeimpften!

Paul Diehl / 23.08.2021

Für meinen Geschmack wird der Freiheitsbegriff ein wenig zu inflationär gebraucht. Er vermittelt so etwas, wie etwa die Freiheit in die Kneipe gehen zu dürfen oder ohne Test ins Kino. Worum es aber tatsächlich geht, ist Autonomie. Man hat uns unserer Autonomie beraubt und in ein Kollektiv der Abhängigen und Gehorsamen überführt. Nein. Ihren albernen und infantilen Freiheitsbegriff können sich die Beherrschenden sonstwo hintun. Ich will meine Unabhängigkeit und die Herrschaftsgewalt über mein Leben zurück.

Leo Hohensee / 23.08.2021

Sollte es denn wirklich an so einem blöden Zeichen (Hashtag) liegen? Die Geisteshaltung und die Gesinnung ist offenkundig und ist auch nicht verborgen. Übrigens, ich weiß überhaupt nichts von der Bedeutung eines Hashtags, ich bin weder bei facebook noch bei Twitter oder was es da sonst noch gibt. Wenn dieses Wissen also unverzichtbar zur Bildung dazu gehört dann bin ich eben doof.

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