Hans Hofmann-Reinecke, Gastautor / 10.12.2022 / 08:00 / 69 / Seite ausdrucken

Deutschland im Asch-Test

In den 1950er Jahren erfand der polnisch-amerikanische Psychologe Solomon Asch einen Test, der offenbarte, dass Versuchspersonen ihre eigene Wahrnehmung verwerfen, wenn der Rest der Gruppe anderer Meinung ist. Mehr als die Hälfte taten das. Würde man die deutsche Bevölkerung testen, man käme wohl auf 90 Prozent.

Kürzlich bekam ich von einer Freundin einen Situationsbericht aus Bayern: Herrliches Bergwetter, Radtouren am Fluss und gemütliche Abende im Biergarten. Wir haben goldenen Herbst. Und dann kam noch der Nachsatz: „Der Klimawandel lässt sich aber nicht mehr verleugnen.“ Nun, Satelliten der NASA beobachten seit Jahrzehnten die Atmosphäre. Ihre Daten kann man in einer Kurve darstellen, der man, mit einiger Mühe, einen jährlichen Temperaturanstieg von einem bis zwei hundertstel Grad entlocken kann. Es gibt aber erwärmungslose Jahre und Phasen, in denen „El Niño“ alles durcheinander wirft. Die sympathische Münchnerin ist sich dennoch ganz sicher: der Klimawandel findet in dramatischer Weise statt. Aber hat sie ihn selbst beobachtet?

In den 1950er Jahren erfand der polnisch-amerikanische Psychologe Solomon Asch einen Test, der offenbarte, dass Versuchspersonen ihre eigene Wahrnehmung verwerfen, wenn der Rest der Gruppe anderer Meinung ist. Man hatte dazu eine Reihe von Personen zu einem „Sehtest“ eingeladen. Ihnen wurden Tafeln gezeigt, so wie die oben abgebildete. Jeder Teilnehmer musste nun sagen, welche der Linien – A, B oder C –  dieselbe Länge hätte, wie die Linie ganz links daneben. Da war keinerlei optische Täuschung im Spiel, es war die simpelste Aufgabe der Welt. Die richtige Antwort für die Tafel oben ist natürlich „A“. Was für ein Test soll das sein, fragen Sie jetzt?

Der Trick bestand darin, dass alle Teilnehmer im Raum, bis auf einen – nennen wir ihn Peter – Komplizen des Psychologen waren. Von dem waren sie instruiert worden, was sie bei jeder Tafel zu sagen hätten. Bei allen gezeigten Tafeln würden sie, einer nach dem anderen, jeweils die vereinbarte Antwort geben. Der ahnungslose Peter, eingebettet in die Komplizen, glaubte aber, dass alle, so wie er, an einem echten Sehtest teilnehmen. Tatsächlich aber war er selbst die einzige Versuchsperson.

Den sozialen Verhaltensweisen der Gruppe folgen

Bei den ersten paar Tafeln würden alle Komplizen die richtige Antwort geben, und Peter natürlich auch. Aber dann würden die Komplizen anfangen falsch zu antworten, etwa bei der Tafel oben würden alle der Reihe nach „C“ sagen. Was würde Peter nun sagen? Die Wahrscheinlichkeit spricht dafür, dass er seinen eigenen Augen weniger traut, als den Antworten der Gruppe (hier in einem Video zu beobachten), und er würde auch „C“ sagen. Warum tut Peter das? 

Es könnte sein, dass er sich bemüht, gewissen unausgesprochenen Regeln oder den sozialen Verhaltensweisen der Gruppe zu folgen. Er will kein Außenseiter sein. Es könnte auch sein, dass er tatsächlich seinen eigenen  Augen misstraut, obwohl – bei einer solch offensichtlichen Sache? Wie auch immer, diese und andere Untersuchungen zeigen, dass wir Menschen viel anfälliger sind, uns anzupassen, als wir glauben. Wir neigen zum Konformismus. Und so mancher, der sich als Nonkonformist ausgibt, ist eben Konformist in einer anderen Gruppe. 

Das Verbiegen der eigenen Wahrnehmung durch falsche Behauptungen der Gruppe findet nicht nur im Asch-Test statt. Da liegt jemand mit mörderischem Husten und Fieber im Bett und erklärt „Gut, dass ich mich viermal gegen Corona hab‘ impfen lassen, wer weiß, wie es mir sonst ginge.“ 

Nun, er hatte mal die Zusage bekommen: „wenn du dich zweimal mit X oder einmal mit Y impfen lässt, dann bist Du sicher“. Das hat er diverse Male gehört. Dann war plötzlich eine dritte Impfung notwendig, und dann kam der „Booster“ auf. Die einzige vernünftige Schlussfolgerung kann doch jetzt nur sein: Diese „Impfung“ wirkt offensichtlich nicht und die „Autoritäten“ wissen nicht, wovon sie reden – oder sie wollen uns betrügen.

Aber da alle seine Krankenbesuche und sogar der Arzt das Gegenteil sagen, misstraut er seiner eigenen Vernunft. Vielleicht lässt er sich ja noch ein fünftes Mal „impfen“.

Die eigene Wahrnehmung verteidigen

Die aktuelle Politik ist voller Behauptungen, die der eigenen Beobachtung krass widersprechen, die aber von den Medien wieder und wieder verbreitet werden, bis sich  eine kritische Masse in der Bevölkerung bildet, gegen die man seine eigene Wahrnehmung nicht mehr verteidigt. 

Man erzählt uns, dass mehr Windmühlen das Problem lösen, obwohl man sofort erkennt, dass auch die bei Windstille keinen Strom liefern. Man erzählt uns, dass Kernenergie gefährlich wäre, obwohl nebenan die Franzosen und Polen mit ihren Reaktoren doch ein ganz gesundes Leben führen. Und man erzählt uns, dass die Unterschiede zwischen Mann und Frau nur ein Konstrukt der männlich dominierten Gesellschaft seien. Dabei erkennt schon das Baby, dass Mama und Papa, Tante und Onkel, Bruder und Schwester total unterschiedliche Geschöpfe sind.

An dieser Stelle drängt sie natürlich eine Frage auf: Gibt es beim Asch Test einen Unterschied zwischen Männern und Frauen? Fallen die einen häufiger rein als die anderen? Die Frage darf man heute natürlich nicht stellen, aber vor 40 Jahren war das noch erlaubt. Man fand heraus, dass Frauen wesentlich häufiger die eigene Wahrnehmung aufgaben und sich der Gruppenmeinung anschlossen.

Man erklärte das damit, dass Männer typischerweise um ihren Status besorgt sind; den können sie durch ihre Unabhängigkeit von der Meinung anderer demonstrieren. Frauen dagegen sind eher auf Zusammenhalt bedacht, sie wollen die Harmonie in der Gruppe wahren. Das bedeutet, dass Männer, zumindest wenn beobachtet, sich eher behaupten und unabhängig handeln, während Frauen sich eher der Meinung der Gruppe anschließen, um soziale Konflikte zu vermeiden. (Eagly, 1978, 1983)

Von meiner ganz persönliche Erfahrungen lasse ich mir durch solche Wissenschaft jedoch nicht abbringen. Nicht alle Frauen verbiegen ihre Meinung, um Konflikte zu vermeiden, und schon gar nicht zu Hause.

Dieser Artikel erschien zuerst im Blog des Autors Think-Again. Sein Bestseller „Grün und Dumm“ ist bei Amazon erhältlich.

Foto: Achgut.com

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Leserpost

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Sam Lowry / 10.12.2022

Wegen meines nicks “Stanley Milgram” wurde ich hier in einem Beitrag schon “namentlich” negativ erwähnt. Aber genau das Milgram-Experiment zeigt doch auf, womit wir es zutun haben. Mit einer Herde Schafe, die zu allem bereit ist. Und die paar Andersdenkenden werden mit 3.000 SEK-Leuten ganz sicher gut in Schach gehalten, damit kein ARD/ZDF-Glotzer zu Schaden kommt. Ich wiederhole mich zar, aber: Dieses Land ist jetzt fertig. Und keine Aussicht mehr auf Exit… nur noch auf Blackout…

Hans-Peter Dollhopf / 10.12.2022

Ganz interesant und für die Freunde des “Pöbels” trostreich ist, dass Versuchspersonen, die die eigene Wahrnehmungskompetenz sozialem Einfluss unterordneten, sich außerhalb des Gruppendrucks wieder auf ihre ursächliche, korrekte Wahrnehmung besinnen können und auch, dass allein schon der artikulierte Widerspruch eines weiteren Teilnehmers den Bann des Gruppendrucks für die Einzelnen zu brechen vermag.

B. Zorell / 10.12.2022

Nein! Man käme eher auf einen Wert, der dem Wert der Anzahl der “Ungeimpften” entspräche. _ Sie meinen wohl, dem Wert 100 minus “Anzahl der Ungeimpften”. Ich war erstaunt über die Meldung: “25 Mio sind ungeimpft”. Soviel hatte ich nie erwartet.

B. Zorell / 10.12.2022

Auf einem Dating-Portal Steckbrief einer jungen Frau, 24: “AfD-Wähler und Ungeimpfte bitte weiterklicken.” Und dies seit 10 Monaten. Mir schreibt sie seit 2 Wochen jeden Tag. Ich werde sie fragen, ob sie mit einen AfD-Wähler und Ungeimpften korrespondiert.

Ralf Pöhling / 10.12.2022

Fantastischer Artikel. Menschen sind Herdentiere und sehen ihr Überleben in der Gruppe eher gesichert, als wenn sie sich alleine durchschlagen müssen. Was bis zu einem gewissen Grad ja auch nachvollziehbar ist: Mehrere Menschen bringen üblicherweise mehr Leistung und Wissen mit sich als Einzelne, womit die Überlebenschancen eines jeden Einzelnen in einer Gruppe steigen, wenn sie sich gegenseitig ergänzen. Je größer die Gruppe, desto sicherer fühlt sich das Mitglied der Gruppe. In Gruppen ergeben sich automatisch Anpassungsstrategien der jeweiligen Mitglieder an die anderen Mitglieder, um den Gruppenzusammenhalt und die Zusammenarbeit zu erhöhen. Wenn ein Einzelner nun auf eine derartige Gruppe trifft, passt er sich üblicherweise schnell an die Gruppe an, um seine Überlebenschancen zu erhöhen. Entweder, weil er oder sie selbst Mitglied werden will, oder die Gruppe zumindest nicht gegen sich zu haben möchte. Dies gilt selbst dann, wenn die Gruppe gegenüber dem Einzelnen falsch liegt. Der instinktiv gesteuerte Gruppenzusammenhalt ist stärker als das logische Denkvermögen, denn der Selbsterhalt ist üblicherweise ein Instinkt und nicht das Resultat von geplantem Vorgehen. Üblicherweise. Es gibt eine Ausnahme: Den selbstständigen Einzelkämpfer. Manche Menschen sind das Natur aus, man denke an Alphas oder Sigmas, man kann es aber auch antrainieren. Die Einzelkämpferausbildung beim Militär zielt genau darauf ab. Dort lernt man, sich unter widrigsten Bedingungen alleine durchzuschlagen. Dies gilt nicht nur für die Versorgung und Verteidigung des Lebens, sondern auch für die Tarnung. Ein gut ausgebildeter Einzelkämpfer kann sogar in einer Gruppe überleben, die er gegen sich hat. Während Alphas querschlagen und die Gruppe übernehmen wollen, bewegen sich Sigmas innerhalb der Gruppe, passen sich äußerlich aber nicht innerlich an. Dies gilt aber nicht nur für Männer. Auch Frauen können das. Aber das braucht eben ein spezielles (militärisches) Training.

A. Ostrovsky / 10.12.2022

@Andrej Stoltz : “1. Ihre Freundin aus München ist doch eine Zuagroaste, stimmts ? Denn im echten altbairischen Milieu fällt man deutlich weniger auf den Klimaschmäh herein.” Nein, da sind Sie im Irrtum. Die Bayern und Innen sagen das nur, als Begründung, warum sie allein im Auto mit einer Kaffefiltertüte vor dem Gesicht herumfahren. Ich habe es mir aber inzwischen abgewöhnt, sie danach zu fragen. Bringt eh nix.

Thomin Weller / 10.12.2022

Der Mensch ist ein soziales Wesen. “Der Wissenschaftler Peter Kropotkin überprüfte die Beweise der Evolution und konnte mit seiner Forschung in Sibirien die Inhalte bestätigen. Er kam zu dem Schluß, daß einer der entscheidenden Faktoren in der Evolution erfolgreicher Arten nicht so sehr in ihrer Fähigkeit zu Konkurrenz (Darwin), sondern vielmehr in ihrer Neigung zur Kooperation liegt.” C. Darwin belegte, dass es den “Gott gegebene Stand in der Gesellschaft” und die “göttliche Vorsehung” nicht gibt. In Deutschland wird Demokratie totalitär von oben diktiert und nicht gelebt. Allerbestens bei einem aktuellen Vergleich sichtbar. Warum regt sich halb Deutschland über die “Reichsbürger” auf, während eine Gruppe komplett neben dem Grundgesetz und Verfassung und auch Arbeitsrecht steht? Sie sogar ihre eigen anerkannt Gesetzgebung ausserhalb der FDGO leben? Mit einem Kokordat hat diese unsägliche Regierung das kanonische Rechtssystem anerkannt. Und was in diesem steht ist nicht nur widerlich, auch komplett diametral zu Menschrechten, Demokratie, sie lehnen sogar den Staat und die Gesetzgebung ab. “Die Unterdrückung der Frauen gehört zur DNA vieler Religionen. Schließlich sind schon in der Bibel die Frauen minderwertige Geschöpfe.”

Wiebke Ruschewski / 10.12.2022

@Christoph Schriever. Auch ich habe in den letzten 20 Jahren nur sehr selten gewählt. Zum einen, weil ich mich durch keine Partei wirklich vertreten fühlte, zum anderen weil ich die Wählerei tatsächlich auch irgendwie für Volksverarsche halte. Besonders seit ein paar Jahren zweifle ich außerdem daran, dass bei den Auszählungen der Wahl alles mit rechten Dingen zugeht. Auch vor dem Berlin-Wahldebakel war ich mir da nicht immer so sicher. Ich wurde für dieses Verhalten (das nicht wählen gehen) aber schon oft und teilweise auch heftig kritisiert. Mir egal. Gute Leute gehen entweder erst gar nicht in die Politik oder sie werden rechtzeitig abgesägt. Oder die Wahl wird rückgängig gemacht oder es wird erst gar nicht erst richtig ausgezählt. Na, da kann man doch wohl voll drauf sch…!

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