Ansgar Neuhof / 18.09.2017 / 06:05 / Foto: T Chu / 15 / Seite ausdrucken

„Deutschland geht es gut“ – aber welchem?

Von Ansgar Neuhof.

Deutschland geht es gut, Deutschland ist erfolgreich. Deutschland ist reich wie kaum ein anderes Land. So oder so ähnlich wird es nicht nur vom Bundeskanzleramt und dem Konrad-Adenauer-Haus der CDU weithin propagiert. In Teilen mag dies auch zutreffen. Doch wie sieht das ganze Bild aus?  Wie hat sich die Lage, insbesondere die wirtschaftliche, in der Regierungszeit von CDU-Bundeskanzlerin Merkel seit 2005 entwickelt? Steht Deutschland wirklich so viel besser da als andere Staaten? Hier der Faktencheck.

1) Vermögenssituation

Laut Berechnung des statistischen Bundesamts betrug das durchschnittliche Vermögen (nach Abzug der Schulden) privater Haushalte in Deutschland 123.000 Euro im Jahre 2003 und 123.300 Euro im Jahre 2013 [die Werte werden nur alle 5 Jahre erhoben]. Die Privatvermögen der Deutschen stagnierten also von 2003 zu 2013 beziehungsweise schrumpften unter Berücksichtigung der Preissteigerung sogar.

Zum Vergleich: Im selben Zeitraum 2003-2013 sind die Vermögen der Bundestagsparteien CDU, SPD, Grüne, Linke, CSU um 50,9 Prozent gestiegen von 274 auf 413 Millionen Euro (siehe hier).

Das Median-Nettohaushaltsvermögen betrug 2014 laut einer Studie der Europäischen Zentralbank in Deutschland 60.800 Euro, im EU-Durchschnitt 104.100 Euro. Damit belegt Deutschland den letzten Platz.

[Hinweis: Der Median gibt das Vermögen des Haushalts an, der genau in der Mitte zwischen der reicheren und der ärmeren Hälfte aller Haushalte liegt. Damit beschreibt er tendenziell die Situation eines typischen Haushalts, während das durchschnittliche Vermögen durch besonders vermögende Haushalte verzerrt werden kann.]

2) Lohn- und Hartz IV-Entwicklung

Zwischen 2005 (dem Jahr der Einführung von Hartz IV) und 2015 erhöhte sich der Hartz IV-Regelsatz von 2005 bis 2015 um 15,7 Prozent von 345 Euro auf 399 Euro. Die Tarifverdienste der öffentlichen Bediensteten stiegen im selben Zeitraum im Land Berlin lediglich um 15,8 Prozent. Das entspricht ziemlich genau der Preissteigerung, die laut Statistischem Bundesamt im selben Zeitraum 15,6 Prozent betrug.

Im Bund sind die Tarifverdienste der öffentlichen Bediensteten von 2005 bis 2015 um 21,7 Prozent gestiegen, das Jahres-Durchschnittsgehalt vollbeschäftigter Arbeitnehmer stieg laut Statistischem Bundesamt im selben Zeitraum von 34.812 Euro auf 43.344 Euro, eine Erhöhung von 24,5 Prozent.

Zum Vergleich: Die Diäten der Bundestagsabgeordneten [das meint hier nur den steuerpflichtigen Teil der Abgeordnetenbezüge, nicht die zusätzliche steuerfreie Kostenpauschale] stiegen im Zeitraum von 2005 bis 2015 von jährlich 84.108 Euro auf 108.984 Euro, also um 29,58 Prozent und damit deutlich mehr als die Durchschnittsgehälter, als die Tarifverdienste der öffentlich Bediensteten und als die Hartz-IV-Bezüge.

Unter Berücksichtigung der sogenannten kalten Progression im Einkommensteuerrecht hatten die Bediensteten im öffentlichen Dienst Berlins 2015 real 572 Euro weniger zur Verfügung als 2005, die Bundestagsabgeordneten aber 5.634 Euro mehr (siehe hier).

3) Steuereinnahmen und Steuer- /Abgabenquote

Deutschlands Steuereinnahmen sind von 2005 bis 2015 nach den statistischen Angaben des Bundesfinanzministeriums von 452 Milliarden Euro auf 673 Milliarden Euro gestiegen. Das Staatseinkommen hat sich also um fast 50 Prozent erhöht. Das Bruttoinlandsprodukt stieg bei relativ konstanter Bevölkerung von 82 Millionen im selben Zeitraum von 2,3 Billionen auf 3 Billionen, also nur um ca. 32 Prozent.

Die Steuer- und Abgabenquote laut Bundesfinanzministerium hat sich von 2005 bis 2015 von 38,2 Prozent auf 39,4 Prozent erhöht. Allein dadurch hat der Bürger etwa 36 Milliarden Euro im Jahr weniger zur eigenen Verfügung. Deutschland hat im OECD-Vergleich mit 49,4 Prozent die zweithöchste Steuer- und Abgabenquote aller OECD-Staaten.  

[Hinweis: In der OECD-Quote sind anders als bei der Quote des Bundesfinanzministeriums auch die Arbeitgeberbeiträge enthalten.]

4) Mehrwertsteuer und Strompreise

Der Mehrwertsteuersatz wurde 2007 von 16 Prozent auf 19 Prozent erhöht. Die Strompreise stiegen von 2005 bis 2016 von 18,66 Cent auf 28,69 Cent (Anstieg um 53,8 Prozent). Allein die im Strompreis enthaltene EEG-Umlage stieg in diesem Zeitraum von 0,69 Cent auf 6,35 Cent (Anstieg um 820 Prozent). Im EU-weiten Vergleich ist der Strompreis in Deutschland der zweithöchste nach Dänemark.

Mehrwertsteuer und Strompreise belasten Hilfebezieher, Gering- und Kleinverdiener überproportional.

5) prekäre Arbeitsverhältnisse

Die Zahl der Leiharbeitnehmer hat sich laut Angaben der Bundesagentur für Arbeit von 2005 bis 2015 von 444.000 auf 991.000 mehr als verdoppelt. Der mittlere Verdienst der Leiharbeitnehmer liegt um 42 Prozent niedriger als der Durchschnitt der Arbeitnehmer.

6) Rentenniveau

Das deutsche Rentenniveau ist laut Berechnung der Deutschen Rentenversicherung von 2005 bis 2015 von 52,6 Prozent auf 48 Prozent des Jahresdurchschnittsentgelts gesunken (Standardrente vor Steuern nach 45 Arbeitsjahren)

Auf Basis der Zahlen für 2013 betrug laut OECD-Studie das Rentenniveau im Vergleich zu Arbeitseinkommen nach Steuern/Sozialabgaben in Deutschland 57,1 Prozent des Arbeitnehmerverdienstes, im EU-Durchschnitt 70,6 Prozent, nur Irland, Großbritannien und Schweden lagen niedriger als Deutschland.

7) Erwerbsarmut

Laut einer Studie der Hans-Böckler-Stiftung hat sich die Erwerbsarmut in Deutschland bei Erwerbstätigen im Alter zwischen 18 und 64 Jahren von 2004 bis 2014 verdoppelt; das ist der höchste Zuwachs an Erwerbsarmut unter den untersuchten 18 EU-Ländern.

Die Armutsgefährdungsquote in Bezug auf die Gesamtbevölkerung stieg in Deutschland von 2005 bis 2014 von 12,7 Prozent auf 16,7 Prozent. 

[Hinweis: Als arm gelten nach Definition der EU Personen, die in einem Haushalt leben, der mit weniger als 60 Prozent des mittleren bedarfsgewichteten Einkommens der Bevölkerung auskommen muß. Diese Definition kann man mit guten Gründen als wenig sinnvoll ansehen. Entscheidend für die hiesige Betrachtung ist allein die Steigerung als solche und im Vergleich zu anderen Staaten.]

8) Sicherheitslage

Laut diesem Bericht des statistischen Bundesamts waren zum 31.12.2016 gemäß Ausländerzentralregister mehr als 10 Millionen Ausländer in Deutschland ansässig. 2005 waren es noch 6,76 Millionen gewesen. Das ist eine Steigerung um 48 Prozent. Mit der Steigerung der Zahl der Ausländer geht eine Steigerung der Kriminalität einher. Während 1,91 Prozent aller Deutschen im Jahr 2016 einer Straftat verdächtigt wurden und damit ein Rückgang gegenüber 2012 (2,12 Prozent) erfolgte, erstreckte sich die Kriminalrate (Anteil der Tatverdächtigen an der Bevölkerung) bei Nichtdeutschen von weniger als 0,5 Prozent für Japaner, auf 45 Prozent bei Kongolesen und auf über 50 Prozent bei Algeriern. Im Schnitt lag die Kriminalrate Nichtdeutscher 2016 bei 6,44 Prozent. Vor allem die Bevölkerung aus Ländern mit einer über dem Durchschnitt von Nichtdeutschen liegenden Kriminalrate wuchs in den vergangenen Jahren (von 1,2 Millionen auf 3,3 Millionen von 2011 bis 2016). Von den Asylbewerbern waren 31,48 Prozent Tatverdächtige. Dabei sind ausländerspezifische Taten wie die illegale Einreise jeweils herausgerechnet. Ausführliche Erläuterungen und Statistiken siehe hier und hier.

Auch laut Bericht des Bundeskriminalamts (siehe hier) ist die Zahl tatverdächtiger Zuwanderer 2016 im Vergleich zum Vorjahr um mehr als 50 Prozent gestiegen und liegt prozentual ein Mehrfaches höher als der Zuwandereranteil an der Gesamtbevölkerung. Die statistischen Zahlen korrespondieren mit dem abnehmenden Sicherheitsgefühl in der Bevölkerung. Laut einer Emnid-Umfrage von Anfang 2017 fühlen sich 58 Prozent der Frauen weniger sicher als früher.

Die Bilanz nach 12 Jahren CDU-Regierung unter Bundeskanzlerin Merkel:

Deutschland, das Land mit dem niedrigsten privaten Median-Haushaltsvermögen der EU, mit der (zweit)höchsten Steuer-/Abgabenquote der OECD-Staaten, mit einem der EU-weit geringsten Rentenniveaus, mit nicht oder nur wenig über der Preissteigerung liegenden Lohnzuwächsen, mit den (zweit)höchsten Strompreisen in der EU, mit der höchsten Zunahme an Leiharbeit und Erwerbsarmut in der EU, dafür aber mit einer sich überproportional bedienenden politischen Kaste,  mit der höchsten Zuwanderung in die Sozialsysteme und deutlich zunehmender Kriminalität, mit einer trotz sprudelnder Steuereinnahmen teilweise verfallenden Schul- und Verkehrsinfrastruktur und unterfinanzierter Polizei und Bundeswehr.  

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Leserpost

netiquette:

beat schaller / 18.09.2017

Und trotzdem werden sie wieder Merkel wählen! Masochismus? oder wie man sich bettet so liegt man? b.schaller

Klaus Brand / 18.09.2017

Zu Punkt 5: Was sind denn “Leihunternehmer”?

Hans-Peter Kimmerle / 18.09.2017

Ich möchte auf einen Fehler hinweisen: Unter 3) Steuereinnahmen und Steuer/Abgabenquote ist im Abs. 2 ein Fehler: 39,4 anstatt 49,4 Prozent. Ggf. mit dem Autor richtigstellen.

Olaf Romer / 18.09.2017

Und trotzdem wählen die meisten wieder Merkels CDU oder setzen auf den Vielverprecher Schulz. Wie blind kann ein Volk nur sein. Das drei Affenprinzip in voller Umsetzung.

J. Lenke / 18.09.2017

So etwas wird auf Ihrer FB-Seite als Spam zensiert: Vor etwa einer Generation waren die wenigsten Frauen berufstätig u. doch reichte das Einkommen des Mannes aus, um eine Familie mit meist mehr als nur einem Kind anständig zu versorgen, in den Urlaub zu fahren u. sich teilweise sogar auch noch ein Häuschen bauen zu können.

Dieter Franke / 18.09.2017

Merkel-Deutschland entwickelt sich zum “Failed State”. Leider wurde nicht ausgeführt wie sich die Zahl der Auswanderer mit höherem Einkommen entwickelt hat, die auf diese Weise eine Abstimmung mit den Füßen vornehmen.

B. Neuhaus / 18.09.2017

@ Redaktion: zu 5) prekäre Arbeitsverhältnisse: Vermutlich ist der mittlere Verdienst der Leiharbeitnehmer nicht der Leihunternehmer gemeint.

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