Alexander Meschnig / 16.07.2024 / 12:00 / 32 / Seite ausdrucken

Deutschland: eine hysterische Nation? (2)

Woher kommt die breite Hysterie im sogenannten „Kampf gegen rechts“ oder ganz allgemein gegen Andersmeinende, die mit den realen Verhältnissen in Deutschland nichts zu tun hat? Ein Streifzug durch die historischen Wurzeln. Zweiter Teil.

Der ungarische Staats- und Verwaltungsrechtler István Bibó war einer derjenigen Autoren, die sich explizit mit der – wie er es nennt – historischen Genese der deutschen Deformation auseinandersetzte. Seine in Deutschland praktisch unbekannte, aber lesenswerte Schrift: Die deutsche Hysterie, wurde 1942 auf dem Höhepunkt des Zweiten Weltkriegs geschrieben. Darüber berichtete ich im ersten Teil dieses Beitrages.

Lässt sich ausgehend von Bibó’s Analyse der politischen Hysterie Deutschlands, die noch während des Zweiten Weltkriegs abgeschlossen wurde, eine historische Linie in die Nachkriegszeit und in unsere Gegenwart ziehen? Haben wir es aktuell bei der Migrationspolitik, der Energiewende, der Klimadebatte mit einer hysterischen Politik zu tun? Einer Politik, die sich nicht an den realen Problemen, sondern an Wiedergutmachungs- und Weltrettungsphantasien orientiert und die ihre eigenen Kräfte und Möglichkeiten bei weitem überschätzt? Betrachten wir für eine Beantwortung dieser Fragen im Weiteren zwei entscheidende Politikfelder der Gegenwart: zunächst die nach wie vor unbegrenzte Massenmigration und danach die Energie- bzw. Klimapolitik.

Die Ereignisse im September 2015 und ihre heute in aller Deutlichkeit sichtbaren Folgen können im Sinne der von Bibó beschriebenen Merkmale einer kollektiven Hysterie als eine Fortsetzung „der Lossagung der Gemeinschaft von den Realitäten“, als „unsichere und überdimensionierte Selbsteinschätzung“ interpretiert werden. Wenn auch Ex-Bundeskanzlerin Merkel und die allzu willfährigen Medien die sichtbarsten Akteure einer bereits irreversiblen Entwicklung waren, die Ereignisse im Herbst 2015 sind in ihrer Dynamik als ein massenpsychologisches Phänomen zu deuten und hätten ohne die breite Unterstützung in weiten Teilen der Bevölkerung niemals diese suggestiven Bilder erzeugen können. Nirgendwo sonst in Europa gab es eine hysterische Willkommenskultur in so reiner und konzentrierter Form.

Die Szenen jubelnder Menschen mit Blumen und Girlanden an deutschen Bahnsteigen und vor den Sammelunterkünften der Neuankommenden, können als eine Art von Selbstbegeisterung gedeutet werden die einem Gefühlsrausch dienten, der Politik und Moral in eins setzte und jegliche Reflexion über die Folgen bei Strafe des sozialen Ausschlusses verbot. Die Anrufung einer historischen Mission Deutschlands, der idealistische Gehalt der Begeisterung, die kollektive Dimension des Vorganges, die massive Abwertung aller Kritiker und Zweifler, die eschatologische Komponente, die Ziellosigkeit des eigentlichen Vorganges und das rasche Ende der Euphorie, begleitet von einer Ignoranz der realen Entwicklungen, deuten im Sinne Bibos auf eine hysterische Reaktion der deutschen Politik auf die von der Realität gestellten Probleme der Massenmigration hin. 

Vom "absolut Bösen" zum "absolut Guten"

Der Herbst 2015 und die sogenannte Flüchtlingskrise versprachen den Deutschen von Beginn an eine neue (nicht nur nationale) Identität und vor allem die endgültige Erlösung von einer historischen Schuld. Die italienische Zeitschrift La Stampa kommentierte stellvertretend für viele Stimmen das Geschehen im September 2015 in diesem Sinne als eine historische Zäsur und als den Beginn einer neuen Identität der Deutschen: „Merkels Beschluss, Flüchtlinge aufzunehmen, schließt im kollektiven Gedächtnis vieler Europäer die Epoche des grausamen und feindlichen Deutschland, wie es im Zweiten Weltkrieg entstanden war.“

Deutschland wandelte sich in diesen Tagen und Wochen vom historischen Sinnbild und Träger des „absolut Bösen“, zum Symbol des Guten, Moralischen und Erhabenen, indem es allen Beladenen und Unterdrückten dieser Welt Zuflucht bot, unabhängig von den sozialen, gesellschaftlichen und ökonomischen Folgen, auf die Kritiker früh aufmerksam machten. Ernsthaft wurde von Vertretern aus Politik, Medien, Kirchen und Zivilgesellschaft das Postulat vertreten, jetzt endlich könne man der ganzen Welt beweisen, dass Deutschland sich längst von der Schreckensnation des 19. und 20. Jahrhunderts in ein Land der Willkommenskultur, in eine bunte, weltoffene und tolerante Gesellschaft verwandelt habe.

Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach am 16. September 2015 unmissverständlich aus, dass sie sich nur noch mit einem ganz bestimmten Land identifizieren könne. Wenn das ihr anvertraute Volk nicht mehr mit ihren Werten übereinstimme, sehe sie sich selbst als Heimatlose: „Wenn wir jetzt anfangen, uns noch entschuldigen zu müssen dafür, dass wir in Notsituationen ein freundliches Gesicht zeigen, dann ist das nicht mein Land.“ Der regierungstreue Tagesspiegel stellte in diesem Zusammenhang unisono mit praktisch allen anderen Vertretern von Medien, Politik und Kultur klar, dass die Kanzlerin mit ihrer Open-Border-Politik die überwältigende Mehrheit der Deutschen auf ihrer Seite hat: „Die Mehrheit muss nicht überzeugt werden, wie es zugehen soll in diesem Land: human, freundlich, großherzig. Und dort, wo diese Menschen sind, findet Merkel ihr Land.“

Ab diesem Zeitpunkt gab es zwei voneinander getrennte Deutschland: das helle „Merkel-Land“ und das Terrain der Dunkeldeutschen, des Packs und der Verfemten, die sich der Willkommenskultur verweigerten, die allabendlich als eine Form der Massenbegeisterung in den Medien inszeniert wurde, flankiert von öffentlich-rechtlichen Talkshows, in denen man sich selbst für seine Großherzigkeit und Menschenliebe applaudierte. Bei den europäischen Nachbarn hat diese neuerliche Form der deutschen Hysterie – man erinnere sich an Teddybären und das begeisterte Klatschen auf den Bahnsteigen als die „Züge der Hoffnung“, so der SPIEGEL im Herbst 2015, einfuhren – zu kritischen bis hin zu sarkastischen Kommentaren geführt. Die deutsche Politik wurde in Erinnerung an frühere, dunkle Zeiten, wieder mit Größenwahn und Arroganz verbunden, als eine neue Form der Hybris, die mit einem Realitätsverlust und einer Überschätzung der eigenen Fähigkeiten assoziiert wurde. 

Unerreichbare Ziele und utopische Zustände

István Bibó hat in der eigentümlichen Selbstüberhebung und Heilsapologie der Deutschen das Kennzeichen einer Politik gesehen, die ihre inneren Widersprüche und Unfähigkeiten auf Ziele und Objekte außerhalb ihrer realen Möglichkeiten richtet. Wir haben es heute mit einer Verschiebung der von ihm beschriebenen politischen Hysterie der Deutschen auf ein neues Feld zu tun, in dem ein moralischer Rigorismus und Universalismus an die Stelle nationaler, imperialer oder verbrecherischer Ziele getreten ist. Eine Art Heilslehre, die die eigene Position als die einzig Richtige verkündet und einer pädagogischen Intention folgt, die alle anderen bekehren möchte. Deutschland wird in Anknüpfung an den früheren Kosmopolitismus zum Repräsentanten und Retter der ganzen Welt indem es den einzig richtigen Weg für alle anderen vorgibt:

„Weil die Deutschen – so Bibo – sich in den eigenen Belangen nicht zurechtfanden, wollten sie andere belehren. Den eigenen Missständen konnten sie nicht abhelfen, deshalb verkündeten sie, dass die Genesung der Welt von ihnen komme.“

Der Mangel an realistischer Selbstwahrnehmung und die fehlende Integration von Binnen- und Außenwahrnehmung bestimmen den Charakter einer Gesellschaft, die mehr und mehr der Vernunft und dem Pragmatismus abgeschworen hat und sich in den Bildern der eigenen Größe und Erhabenheit verliert. Erschwerend kommt hier sicherlich die geistesgeschichtliche Zugehörigkeit des Protestantismus zu Deutschland hinzu, die den Hang zum dogmatischen und moralischem Rigorismus, die unheilvolle Neigung zur Prinzipientreue, zu unerreichbaren Zielen und utopischen Zuständen, verstärkt. Eine idealistische Grundhaltung, die in der Realitätsverdrängung ihr deutlichstes Symbol gefunden hat und die im Namen des reinen Prinzips (der Rasse) zu den größten Opfern und Massakern in der Geschichte geführt hat. 

Im Herbst 2015 sahen so viele Kommentatoren die Chance gekommen, eine Art Wiedergutmachung und heilige Mission zu erfüllen. Im Fremden, aus vom Westen unterdrückten Völkern stammend, wurde der Erlöser von moralischer Schuld (zu reich, zu weiß) emphatisch begrüßt. Es gilt gegenwärtig als fortschrittlich unter den Stichworten: Globalisierung oder „One-World“ deutsche Verpflichtungen in der ganzen Welt zu behaupten, die Handlungsimperative zur Folge haben. Wir müssen mehr tun, wir müssen die Fluchtursachen bekämpfen, wir zeigen mit dem moralischen Zeigefinger auf Andere, wir lösen die Probleme der Welt, wir haben aufgrund unserer Geschichte eine wichtige Aufgabe zu erfüllen. 

Ablösung von der materiellen Welt

Dieser Größenwahn, die narzisstische Überhöhung der eigenen Bedeutung und die moralische Überlegenheit über alle anderen, liefern den idealen Bezugspunkt für von allen Friktionen der realen Welt abgelöste Projekte: Deutschland konnte aber, ähnlich wie 1914 oder im Rassenkrieg der Nationalsozialisten, nicht zur Weltmacht gegen eine globale Allianz von Gegnern aufsteigen, genauso wenig wie 2015 zum alleinigen moralischen Gewissen der Welt. In allen Fällen wurde, aus Gründen der selbst zugeschriebenen kulturellen, rassischen bzw. moralischen Überlegenheit eine historische Mission Deutschlands behauptet der aber ein tiefes Schwächegefühl zugrunde liegt. Eine kolossale Egozentrik, die in sich alle Anzeichen einer Selbstzerstörung aus Unsicherheit über die eigene Identität trägt.

Die Ablösung von der materiellen Welt, in der Ressourcen begrenzt sind, etwa: Arbeitsplätze, Wohnraum, Integrationskraft, zeigte sich ab 2015 in der wiederholten Anrufung an das Volk mittels einfacher Durchhalteparolen („Wir schaffen das“), als auch in der Idee einer Läuterung, die die rasch entstandene Krise angesichts Millionen von Einwanderungswilligen aus tribalen, patriarchalen und korrupten Gesellschaften als eine Art Examen für eine bessere Zukunft sah. „Ich habe das absolut sichere Gefühl, dass wir aus dieser – zugegeben komplizierten – Phase besser herauskommen werden, als wir in diese Phase hineingegangen sind," so die ehemalige Bundeskanzlerin Merkel in einer Rede zur Lage der Nation im Herbst 2016. Die Massenmigration als Prüfung und Vehikel für eine Läuterung der Nation.

Eine vollkommene Verkennung der Lage, eine absolute Fehleinschätzung der Zahl und der kulturellen Prägungen der Ankommenden und den daraus folgenden Problemen, kann seit 2015 attestiert werden. Die ursprünglichen Versprechungen von ökonomischem Aufschwung durch gut gebildete Flüchtlinge, die Absicherung des demografischen Wandels, die viel zitierte kulturelle Bereicherung, Parolen wie: „Wertvoller wie Gold“ oder „Chance für Deutschland“, klangen immer absurder, je mehr die Wirklichkeit der Masseneinwanderung im Alltag sichtbar wurde. Die Maßlosigkeit der politischen Agenda, die Abkehr von jeder Realpolitik, die gläubige Heilserwartung, die Anrufung eines höheren Endzieles und die Absage an jegliches logische und kohärente Denken sind die Folgen einer hysterischen Politik die nach Erlösung und Wiedergutmachung von den Verbrechen der Vergangenheit strebt und eine neue Identität der Nation erschaffen will. „Wir schaffen das“ beantwortet aber weder die Frage nach dem Was, noch nach dem Wir. Es gab und gibt keinen Plan. Die Anrufung eines imaginären Kollektivs bleibt so vage und unbestimmt. Bis heute ist völlig ungeklärt, was die deutsche Gesellschaft denn schaffen soll. Inzwischen wird diese Frage gar nicht mehr gestellt. 

Die Irrationalität und Hysterie der deutschen Politik zeigt sich neben dem Problem der Massenmigration ebenso deutlich sichtbar in der bereits von der Merkel-CDU angestoßenen sog. Klimapolitik und der daraus resultierenden Energiewende, die die Abschaffung fossiler Brennstoffe und ihre Ersetzung durch Wind- und Sonnenenergie in kurzer Zeit zum Ziel hat. Hier gilt wie für die Migrationspolitik: kein Land in Europa vertritt mit einer solchen Vehemenz die These eines menschengemachten Klimawandels, bei der das CO2 der einzig relevante Faktor für Veränderungen des Klimas sein soll. Daraus werden einschneidende politische Handlungen abgeleitet. Das Ziel der Ampelregierung ist es, als Musterschüler einer globalen Agenda, den C02 Ausstoß in Deutschland zu reduzieren und dadurch, so die Überzeugung, den Temperaturanstieg global auf 1,5 Grad zu begrenzen, also die Erdtemperatur wie mit einem Heizungsthermostat zu regeln, koste es was es wolle.

Ein globales Klima ist aber nur ein theoretisches Konstrukt, dass in mathematischen Modellen simuliert wird und findet nirgends eine empirische Entsprechung. Trotz der überwältigenden Zahl an Parametern, die einen Einfluss auf das Weltklima haben, wird diesen Modellen eine verlässliche prognostische Qualität zugeschrieben an der sich die derzeitige hysterische Politik orientiert. Warum ein einziges Element (CO2) aus einem hochkomplexen System alles erklären soll erschließt sich vielen kritischen Wissenschaftlern nicht. Die Co2 These darf in öffentlichen Debatten aber nicht mehr in Frage gestellt werden. Sie ist sozusagen zum Surrogat des Heiligen geworden und steht so außerhalb jeder Kritik. Insofern ist das Klimanarrativ nicht Wissenschaft, sondern Religion.

Katastrophen-Lust und Leugner

Erstaunlich ist vor allem mit welcher Aggressivität und missionarischem Eifer die These einer anthropogenen Erderwärmung vertreten wird. Dabei sind die hysterischen Reaktionen sogenannten Klimaaktivistinnen, in der Regel Mädchen und junge Frauen aus der Oberschicht, auf Kritiker und Zweifler, das deutlichste Kennzeichen einer irrationalen Bewegung, die sich als Retter der Menschheit sieht und Opfer von uns allen fordert. Die permanente mediale Angstproduktion, die psychologisch an der Lust vor der drohenden Katastrophe andockt, lässt sich inzwischen an vielen Dingen ablesen. Der Begriff der „Klimaerhitzung“ hat etwa den harmloseren der Klimaerwärmung längst abgelöst.

Wer könnte angesichts des drohenden Hitzetodes ernsthaft gegen staatlicherseits notwendige Maßnahmen und Einschränkungen des täglichen Lebens sein? Das kann, ähnlich wie der Zuwanderungs- oder Coronakritiker, nur ein absolut unmoralischer Mensch sein, der bei der Klimafrage den wissenschaftlichen Konsens, die vielzitierten 97 Prozent, starrköpfig leugnet. Im Begriff des Leugners kommt das Religiöse der Klimabewegung und der darauf basierenden Politik am Deutlichsten zum Ausdruck. Erstens ist der Begriff unsinnig. Kein Mensch leugnet das Klima, das wäre so, als ob man den Tod oder physikalische Naturgesetze leugnet. Zweitens, der Begriff ist pejorativ, also abwertend gemeint. Er suggeriert semantisch, wohl nicht ohne Absicht, eine Nähe zum Holocaustleugner, setzt also den Anderen in eine unmoralische Position, die die eigene aufwertet und moralisch adelt. Und Drittens ist der Begriff totalitär, da er insinuiert, es gäbe nur eine einzige Wahrheit und wer ihr widerspricht, der muss im Unrecht sein, also leugnen. Eine andere Meinung wird so gar nicht mehr zugelassen oder in den Bereich des Verfemten verschoben. Wer die herrschende Auffassung vom nahenden Untergang der Welt nicht teilt, ist folglich nicht nur ein Leugner, sondern auch gegen „die Wissenschaft“ und letztlich gegen das Überleben der Gattung Mensch. 

Es scheint, als wäre mit dem Klima eine Ersatzreligion gefunden worden, die insbesondere eine von allen existenziellen Problemen befreite Jugend anzieht, die nun ein gemeinsames Generationenprojekt besitzt. In der Vorstellung des drohenden Unterganges der Menschheit, in der die Schuldigen (Kapitalismus, weiße alte Männer, fossile Industrien) ausgemachte Sache sind, steckt auch ein Moment der Lust an der Katastrophe. Angstlust hat Freud das genannt. Über eine lustvolle Komponente hinaus stiftet das Klimathema auch so etwas wie Sinn, nämlich einen verlorenen Gemeinschaftssinn. In einer Welt, in der man sich danach sorgt, Sorgen zu haben, bietet die Klimakrise die Möglichkeit für jeden etwas zum Wohle aller beizutragen. Jeder kann mit entsprechendem Verhalten, dass staatlicherseits und medial goutiert wird, die drohende Katastrophe verhindern.

Am Bizarrsten äußert sich die Klimaangst und die hysterische Stimmung vor allem bei jungen Menschen derzeit in der Auffassung, Kinder zu bekommen wäre der größtmögliche Egoismus angesichts des kommenden Armageddon. Das eigene Reproduktionsverhalten wird so direkt an den Klimawandel gekoppelt, der ein Kind als größtmögliche CO2 Schleuder sieht. Besondere Zeiten erfordern besondere Maßnahmen und können das eigene Leben, als Teil einer globalen Heilsbewegung, transzendieren. Wenn die Katastrophe kommt und sie wird, so die Klimaapologeten, unweigerlich kommen, dann macht vieles, etwa Kinder zu bekommen, einfach keinen Sinn mehr, ja wird in gewisser Weise zum unmoralischen Akt.

Die Kosten der Weltbeglückungsträume

Nun ist die „German Angst“ ja sprichwörtlich geworden. Deutschland ist nicht nur der Vorreiter einer Angst vor der Apokalypse, sondern zugleich in seinen hysterischen Reaktionen auf konkrete Themen unübertreffbar: Atomkraft, Waldsterben, Ozonloch, Gentechnik, Klimawandel. Stets ist die Angst riesengroß, aber auch der Glaube daran, alles verändern zu können indem man Handlungen der Buße und Reue vollzieht. Hier bietet das Klima als supranationales, globales Thema den idealen Ansatzpunkt denn im Prinzip sind wir alle schuldig. Die Erlösung kann so nur eine Weltgesellschaft bringen in der jeder Einzelne sein Verhalten ändern muss.

Die hysterischen Weltrettungsphantasien rund um das Klima – und das ist das Fatale unserer Situation – wird derzeit in totalitären Dimensionen nur in Deutschland für eine Politik des globalen Green Deal handlungsleitend. Dass die bereits von der CDU unter Merkel eingeleitete Energiewende gescheitert ist, zeigt die Wirklichkeit die aber für eine Betrachtung der Folgen einer hysterischen Politik keine Rolle spielt. Die horrenden Kosten von mehreren 100 Milliarden Euro haben bis dato keinerlei Einsparungen an C02 gebracht, für eine Verringerung sorgen nur die Zerstörungen und Insolvenzen der heimischen Industrien durch einen grünen Wirtschafts- und Klimaminister. Die physikalischen und chemischen Grenzwerte von Wind und Sonnenenergie können nicht außer Kraft gesetzt werden, auch wenn manche glauben zaubern zu können. Das alleinige Setzen auf E-Mobilität (Rohstoffe, Problem der Batterien, Ladestationen), die Zerstörung und Rodung von Wäldern für immer größere Windanlagen, die nicht grundlastfähig sind und deren Recycling ungeklärt ist, fehlende Trassen, fehlende Speichermöglichkeiten, das notwendige und irrsinnig teure Backup durch konventionelle Kraftwerke, die zur Stabilisierung des Stromnetzes am Netz gehalten werden müssen. Alle diese Visionen sind weitgehend hysterische, radikale und völlig unvernünftige Forderungen, die von Weltuntergangsszenarien und täglichen Mahnungen an uns alle begleitet werden, Milliarden von Euros kosten und dabei sind die heimischen Unternehmen aus der einstmals führenden Industrienation zu vertreiben.

Es mag gegenwärtig eine Hoffnung sein, dass die von der Wirklichkeit vorgegebenen Probleme (etwa die Energieversorgung eines Hochtechnologielandes) die Klimahysterie relativieren wird und ihre Propagandisten leiser werden. Dem steht aber entgegen, dass in einer säkularen Gesellschaft wie die der Deutschen, eine unbefriedigte Sehnsucht besteht, ein Opfer bringen zu dürfen, denn es allein verspricht Erlösung, Selbsterhöhung und Selbstaufwertung. Ein Teil der deutschen Bevölkerung nimmt sogar eine Deindustrialisierung des Landes in Kauf, um sich als Retter des Weltklimas zu imaginieren. Die von Istvan Bibo in seiner Studie für die Deutschen beschriebenen typischen Weltbeglückungsträume und die Bereitschaft sich für eine höhere Sache um eines Prinzips willen zu opfern, kehren beim Klimathema wieder, finden aber auch insgesamt im Verlust der nationalen Selbstbehauptung und der Abgabe der eigenen Souveränität ihren Ausdruck. Hier ist der Klimawandel der ideale Ansatzpunkt, da ein globales Problem, so die Überzeugung, nicht mehr von Nationalstaaten „gelöst“ werden kann. Die derzeitige deutsche Regierung sieht im Nationalstaat so nur noch ein notwendiges Übel, das historisch vor der Abdankung steht und als reaktionäres Konzept gilt. „Alles für Deutschland“ steht nun bekanntlich unter Strafe. 

Der Arzt und Publizist Adorján Kovács sieht in einem Essay in der Zeitschrift TUMULT im gegenwärtigen Willen zur Selbstauflösung des deutschen Staates und seiner Assimilierung an einen europäischen Superstaat den letzten Ausdruck eines hysterischen Weltbildes, das seinen Weg als einzig möglichen ansieht und von allen anderen Nationen Europas dasselbe verlangt. In paradoxer Weise wird die Forderung nach einer Auflösung der Nation zur Formel für die Bewältigung einer historisch verfehlten Konstruktion. Man lässt über eine Million Einwanderer aus tribalistischen, patriarchalen und gewaltaffinen Kulturen ins Land, verzichtet auf den Schutz der eigenen Grenzen und will von allen anderen, dasselbe zu tun oder zumindest den Folgen einer solchen Entscheidung (Quotenregelung, Verteilung der Migranten in Europa) zuzustimmen. Man ist der stolze Vorreiter einer hysterischen Klimabewegung, ergeht sich in Untergangsszenarien, beschwört Bilder der Apokalypse, hat in einer Aktivistin mit Asperger eine Heilige gefunden und zerstört um eines Prinzips willen mutwillig die heimischen Industrien auf denen der Reichtum des Landes beruht. Man stilisiert sich als moralische Autorität, steht hoch über den Trumps, Putins und Orbans dieser Welt und hat bereits in Gestalt der Partei der Grünen den gender- und diversitysensiblen „neuen Menschen“ institutionalisiert. Man folgt bis hin zur eigenen Selbstzerstörung abstrakten Rechtsprinzipien und gesteht in der Festhaltung an von der Wirklichkeit überholten Asylgesetzen allen Menschen auf der Welt ein prinzipielles Recht auf Partizipation am deutschen Sozialstaat zu. Man sieht überall Rechte oder Nazis und warnt unaufhörlich in hysterischem Ton vor Zuständen wie 1933, kategorisiert die gehäuften Gewalttaten der Eingewanderten aber immer noch als vernachlässigbare Einzelfälle. 

Dynamik einer hysterischen Politik

Das wirklich Erschreckende ist die Tatsache, dass diesen hysterischen Konvulsionen und Verrenkungen kaum Widerstand entgegentritt. Selbst diejenigen, die im Herbst 2015 den irrationalen Charakter der deutschen Politik erkannten, haben in überwältigender Mehrheit, wie die beiden Bundestagswahlen 2017 und 2021 zeigen, für eine weitere Fortsetzung dieses Kurses plädiert. Nach Bibó kann das hysterische Weltbild nur durch „brutale Fakten“ aufgebrochen werden, da es sich in einem hermetisch abgeschlossenen Raum befindet. 

Die derzeit waltenden destruktiven Kräfte wirken auf sich selbst zurück. In der Phase der nationalen Überhöhung führte die Hybris der NS-Bewegung in den apokalyptischen Untergang des Dritten Reiches. Das Moment der Selbstzerstörung, so könnte man an dieser Stelle vermuten, steht stets am Ende einer hysterischen Politik, die heute – quasi spiegelbildlich zur imperialen Phase – ihre suizidale Komponente in der Verabsolutierung eines moralischen Universalismus findet. Der bereits erwähnte Adorján Kovács führt die Gedanken des 1979 verstorbenen Istvan Bibo über dessen Ausführungen hinaus fort. Für Kovács symbolisiert das Deutschland der Gegenwart die letzte und paradoxe Machtentfaltung einer Nation, die sich in geradezu theatralischer Pose als Speerspitze und Erlöser der Menschheit imaginiert, keine Nation mehr sein will und dabei bereit ist den Rechts- und Sozialstaat um eines Prinzips willen zu opfern und damit seine eigene Identität aufzulösen. 

„Ein erweiterter Selbstmord als Sühneopfer für die leidende Welt, in einer irrealen Mischung aus Hybris und Demut. Und das für die Hysterie Typische ist: Der größte Teil des deutschen Volkes scheint nichts dagegen zu haben, sondern feiert den Untergang oder akzeptiert ihn wenigstens. Hier zeigt sich der wahnhafte und zerstörerische Charakter der deutschen Politik (…) besonders gut. Ob der Tod als Heilung einer Krankheit angesehen werden kann, sei ebenso bezweifelt wie die Erwartung, dass andere Völker die nicht hysterisch sind, diesen Weg widerstandslos mitgehen werden. Es wird leider wieder Unheil von Deutschland ausgehen.“

Heilung durch Selbstzerstörung, mit dieser Formel lässt sich die derzeitige Dynamik einer hysterischen Politik in Deutschland vielleicht auf einen einzigen Nenner bringen.

 

Dieser Text ist ein Vortrag, den der Autor am 30. Juni 2024 für die Reihe Audimax des Radiosenders „Kontrafunk“ gehalten hat. Den ersten Teil finden Sie hier.

Dr. Alexander Meschnig studierte Psychologie und Pädagogik in Innsbruck und promovierte in Politikwissenschaften an der HU Berlin. Auf Achgut.com analysiert er unter mentalitätsgeschichtlicher und psychologischer Perspektive die politische Situation Deutschlands.

Foto: pixabay.com

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R. Nicolaisen / 16.07.2024

s. Werfel 1946: Stern der Ungeborenen, Kap. 9

Barbara Strauch / 16.07.2024

Danke für die hellsichtige Analyse (wie immer ist auf die Ungarn wie Bibo und Kovàcs Verlaß, was Maßstab und Vernunft betrifft). Aber Sabine Drewes hat völlig recht, die auf das Elend der Zwischenkriegsjahre (das sich heute niemand mehr vorstellen kann) und dann der Kriegsjahre hinweist, die uns gebrochen haben und anfällig für ein von den Siegern anerzogenes negatives Selbstbild. Dies wirkt besonders auffällig bei denen, wo Großvater etc. den Nazigrößen besonders nahe gestanden haben (wie z.B. bei Habeck). Hoffen wir, daß der Normal-Deutsche ohne diese hysterische Vorbelastung, den es auch noch zahlreich gibt (danke, Charles K. Mayer!), durchhält und uns wieder ins Normalwasser bringt, ehe es zu spät ist!

gerhard giesemann / 16.07.2024

Ja, @Thomas Sz.: Die Hofierung des Islam, “gehört zu DE”, ist eindeutig Nazipolitik. Wer etwas Gutes an Islam findet, der befindet sich in der schlechten Gesellschaft von Leuten wie 88-HH: Von David Motadel · 04.11.2015 „Eine für Soldaten praktische und sympathische Religion“, schwärmte Heinrich Himmler. Im Zweiten Weltkrieg wollte das NS-Regime Muslime zum Kampf gegen die Alliierten aufstacheln. Doch diese Versuche waren weniger erfolgreich als von Berlin erhofft. (Ob es wohl diesmal klappt?). Motadel ist deutsch-iranischer Historiker, lehrt in London. Wichtiges Werk: deutschlandfunk:/islam-im-nationalsozialismus-fuer-fuehrer-und-prophet- ... im ww-net. Zitat: Für Führer und Prophet Hitler konnte das Christentum nicht ausstehen. Dem Islam konnte er etwas abgewinnen. Das NS-Regime ließ Hunderttausende muslimische Rekruten für Deutschland kämpfen. Dahinter stand „militärisches Kalkül“, sagte der Historiker David Motadel im Dlf. Ideologische Motive waren sekundär. David Motadel im Gespräch mit Andreas Main | 20.02.2018 Komisch: Die AfD ist dagegen. Wer ist nun Fa und wer ist AntiFa?

Lao Wei / 16.07.2024

Wollt ihr den totalen Krieg? Hab ich noch im Ohr! Aus dem Fluch der frühen Geburt resultiert der Erkenntnisgewinnung: mißtraue jedem Machthabenden, denn Macht korrumpiert. Ich durfte Jahre (In- und Ausländisch) in jeweils relativer Demokratie erleben und sehe inzwischen Bärbel Bohleys Prophezeiungen bestätigt. „Wir schaffen das“ erklärt in „Rattenfängersprech“ die pervertierte Pseudo-Demokratie! Ihre tiefenpsychologische Analyse - sehr geehrter Herr Meschnig - beschreibt in einzigartiger Klarheit die deutsche Mentalität. In einfacher Sprache dagegen: „F…. wir folgen Dir“!! Kant‘s aufklärerische Bemühungen - sapere aude - waren scheinbar „vergebliche Liebesmüh“.

sybille eden / 16.07.2024

Also sind die Windräder die Beichtstühle der grünen Protestanten, und der Solarpark die Couch der frustrierten Linken !

Fred Burig / 16.07.2024

Sehr geehrter Dr. A. Meschnig, ich habe beide Teile ihrer Ausführungen mit großem Interesse gelesen und sie separat abgespeichert. Sie bieten eine ausreichend fundierte Argumentationsgrundlage bei der Auseinandersetzung mit “Andersdenkenden” - hier im Sinne von Erfindern, Vertretern und tatsächlich auch Gläubigen der gegenwärtigen deutschen Regierungspropaganda - mit allen Facetten und praktischen Auswirkungen. Die möglichen Ursachen derartig widersinnigen Verhaltens - besonders deutscher Regierungspolitiker - kann man tatsächlich nur als „krankhaft gestört“ deuten. Ob sich diese Anwandlungen hysterischer Prägung aus Angst vor einem Machtverlust oder aus reiner Willkür gegen das eigene Volk (aus Überheblichkeit und Arroganz) speisen, ist mEn dabei nicht mal vordergründig. Die Voraussetzungen für die bei den Protagonisten auftretenden Verhaltensmuster wurden mit Sicherheit zum großen Teil von “aussen” beigebracht. Denn alle Absolventen der YGL- Ausbildung aus der “Schwab’schen Kaderschmiede” zeigen fast einheitlich die gleichen “Prägung” .... Dass so etwas gerade bei den Deutschen so gut anspricht, entnehme ich auch ihren Darlegungen. MfG

A. Ostrovsky / 16.07.2024

@Thomas Szabó : >>Danke für diesen GENIALEN ARTIKEL. Die Deutschen sind immer noch Nazis, oder schon wieder Nazis. Nur nicht mehr unter der Hakenkreuzfahne, sondern unter den bunten & vielfältigen Fahnen von Klima, Migration, Gender, LGBTQ, Woke, Antifaschismus, etc. Die Ideologien der Deutschen ändern sich, die Geisteshaltung dahinter bleibt dieselbe! Sie wollen noch immer in allen Ländern Europas einmarschieren, diesmal nicht mit der SS, sondern mit dem Islamischen Staat, Boko Haram, Hamas, Taliban, Salafismus, Wahhabismus, etc.<<  ###    Nur die Deutschen, die unter der Besatzung der USA und Großbritanniens sozialisiert wurden. Die anderen Deutschen, die unter dem Russen leben mussten, sind ganz anders. Nur die verzerrte Wahrnehmung von Rid Banks im Paralleluniversum kann diese Unterschiede erklären. Wer hat eigentlich wen angegriffen, fragt er?

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