Thomas Rietzschel / 15.02.2016 / 14:03 / 11 / Seite ausdrucken

Deutschland den Eskimos!

Fürchtet jemand, dass der massenhafte Zustrom Fremder das Land der Deutschen überfordern könne, bekommt er schnell zu hören, das klinge doch schon sehr nach „Deutschland den Deutschen“. Und kaum einer, der dann nicht zusammenzuckte, erst recht nicht, wenn ihm Dunja  Hayali das Mikrophon auf die Brust setzt. Reflexartig wie der Pawlowsche Hund, ohne nachzudenken, knicken die Gestellten ein: Nein, davon könne keine Rede sein, das meinten sie nicht, selbstredend. Von wegen Deutschland den Deutschen! Solchen Schweinkram verbreiten doch nur der Pegida-Mob und die AfD. Der brave Bürger flüstert darüber allenfalls hinter vorgehaltener Hand.

Warum eigentlich? Was ist so peinlich, gar anstößig an der Formulierung der nationalen Besitzrechte? Wer denn sonst sollte berechtigt sein, Anspruch auf das Land zwischen Sylt und Zugspitze zu erheben, wenn nicht die Deutschen. Gleich, ob sie hier geboren wurden oder die Staatsbürgerschaft später erworben haben. Auch der unbekannte Spätaussiedler mit russischer Geburtsurkunde, auch Helene Fischer und der gebürtige Ägypter Hamed Abdel-Samad zählen zu den Deutschen, für die Deutschland da sein sollte. Wer dürfte ihnen dieses verbürgte Grundrecht streitig machen. Das Grundgesetz garantiert es in Art. 116, Abs 1.; kaum anders als in den meisten Ländern der westlich geprägten Welt.

Für die Europäer ringsherum versteht sich der Genuss nationaler Vorrechte ohnehin von selbst. Man stelle sich vor, ein Franzose, ein Engländer oder eine Pole müsste sich politisch ertappt fühlen, wenn er erklärt: Frankreich den Franzosen, England den Engländern, Polen den Polen. Eine Dunja Hayali, die sie derart vorzuführen suchte, würden sie kopfschüttelnd im Regen stehen lassen.  Einzig bei den Kolonialherren unseligen Angedenkens könnte die Anwältin der Lex Merkel noch auf offene Ohren stoßen. Fehlte doch auch ihnen jeglicher Respekt vor dem Recht der Völker auf Selbstbehauptung. Der amerikanische Kontinent sollte eben nicht für die Indianer da sein und der australische nicht für die Aborigines. Die Territorien wurden der Invasion ausgeliefert.

Um solcher Überfremdung vorzubeugen, haben sich die bürgerlichen Gesellschaften seit dem 19. Jahrhundert in Nationalstaaten formiert, zuerst in Europa und später weltweit. Als politisch-kulturelle Einheiten verteidigten sie den Anspruch der Bürger auf ihr jeweiliges Land. Wollten wir heute wieder davon abrücken, verlöre auch jegliche Staatsangehörigkeit ihren Sinn. Aus den ehemals begrenzten Räumen würde ein Niemandsland. Es entstünden Transitzonen, in denen sich jeder bedienen könnte, ohne zu etwas staatsbürgerlich verpflichtet zu sein. Wir fielen zurück in die Zeiten marodierender Massen auf der Suche nach den besseren Jagdgründen - Völkerwanderung mit elektronischer Navigation, mit Apps, die die attraktivsten Ziele auswählen und die kürzesten Wege dahin weisen.

Ob sie das wollen, müssen sich alle fragen lassen, die ein Deutschland für Deutsche nicht länger akzeptieren wollen. Dass sich viele schon wegducken, wenn sie in den Verdacht gebracht werden, weiter hinter diesem Anspruch zu stehen, sollte nicht zuletzt all jenen zu denken geben, die nach Deutschland kommen, weil sie sich ein Leben in Freiheit versprechen. Wo es den Bürgern schon peinlich ist, Anspruch auf ihr Land zu erheben, wo verteufelt wird, wer das noch wagt, wo man ebenso gut erklären könnte „Deutschland den Eskimos“, darf man nicht länger mit dem Respekt der Zuwanderer von „unseren Werten“ rechnen.

Nicht vor denjenigen, die noch vereinzelt „Deutschland den Deutschen“ flüstern, muss sich die Welt fürchten, sondern vor denen, die sie dafür moralische abkanzeln, auf der politischen Bühne sowie in den öffentlich-rechtlichen Vorführungen. Dass sich die meisten dabei keiner intellektuellen Zweifel, keiner historischen Gewissensbisse erwehren müssen, macht die Entwicklung nicht ungefährlicher. Für Dummheit gewährt die Geschichte keinen Nachlass. Deutschland wird gerade auf dem Altar irrationaler Großmachtphantasien geopfert, von einer politischen Kaste verscherbelt, der die Illusion ihrer Macht mehr gilt als das Land, das den Bürgern gehört.   

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Magdalena Schubert / 15.02.2016

Sehr geehrter Herr Rietzschel, jeden einzelnen Ihrer Sätze kann ich unterschreiben. Es findet ein entsetzliches Definitionsdebakel statt, eine babylonische Sprachverwirrung. Wer seine Heimat liebt und sie schützen will ist ein Rassist, wer die Wahrheit sagt und Fakten benennt ein Rechtspopulist, wer dem Islam kritisch gegenüber steht ist islamophob bzw. fremdenfeindlich. Dem besorgten Bürger wird Hass und Intoleranz unterstellt, sowie Herzlosigkeit gegenüber den unzähligen Migranten, die es doch alle verdient haben, in Deutschland integriert zu werden. Die Bringschuld sehen die Gutmenschen ausschließlich bei uns! Mir geht diese Alptraumpolitik und das Verhalten der öffentlich-rechtlichen Medien tag und nacht nicht aus dem Kopf - weil es so unfassbar ist, was seit Monaten in unserem Land passiert. Und heute morgen im Bett dachte ich ähnlich wie Sie: Deutschland wird verschenkt, verscherbelt, verschrottet… Beste Grüße

Christiane Jehle / 15.02.2016

Der Autor spricht mir aus der Seele. Ein falscher Film, der da abläuft in meinem schönen Heimatland! Danke für diese Zeilen!

Joachim Kuhlmann / 15.02.2016

“This land is your land, this land is my land / from California to the New York island….” kommt mir da in den Sinn. Und es bleibt unverständlich, warum vieles, was andernorts selbstverständlich ist, hierzulande nicht nur diskutiert (das könnte man ja noch als “Problembewusstsein” werten!), sondern sogar unangemessen heftig dämonisiert wird. Ähnliches, weniger gravierendes Beispiel: der Umgang mit nationalen Symbolen (z.B. Flagge) in den Schulen. Fast überall üblich, bei uns jedoch undenkbar… Nur zur Fußball-WM “trauen” wir uns, “Flagge” zu zeigen.

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