Trolle und Trollfrauen sind oft schadenbringende Geisterwesen in Riesen- oder Zwergen-Gestalt. Angeblich kommen sie besonders häufig in Island vor. Unsere Zeitschrift Neugier.de, die wir in Island produziert haben, erscheint zur Buchmesse mit einer Ausgabe „Made in Iceland“. Unsere isländischen Freunde, genervt vom Troll-Kult, rangen uns jedoch ein Versprechen ab: Nichts über Trolle! Gemeint waren natürlich isländische Trolle. Wir fanden deshalb einen salomonischen Ausweg: Eine erlesene Kollektion deutscher Trolle. Wir baten Freunde und Autoren der Achse des Guten um kurze Portraits ihrer heimischen Lieblingstrolle. Heute beschreibt Michael Miersch seinen Favoriten:
Rudolf Steiner
Trolle, so definiert sie Wikipedia, sind „Schaden bringende Geisterwesen“. Sie seien „geheimnisvoll und unzuverlässig“ und böten „Erklärung für sonst unerklärbare Phänomene“. Trolle „tauchen in zahlreichen Varianten in vielen kulturellen Produkten auf, die sich mehr oder weniger auf die germanisch-nordische Kultur beziehen“.
Die Aufgabe im Sinn für Neugier.de meinen Lieblingstroll zu würdigen, grübelte ich die über die trolligen Merkmale nach: Zu welchem bekannten Deutschen passt die Kategorie „Geisterwesen“? Wer ist „geheimnisvoll“ und taucht in „vielen kulturellen Produkten“ auf? Natürlich Rudolf Steiner, der größte deutsche Troll aller Zeiten.
Da er vornehmlich in Deutschland herumgeistert, muss er nicht zwischen Felsen und in Gletscherspalten hausen, sondern hat es schön warm in eigens für ihn errichteten Sanatorien, Schulen und Gemüsetempeln, wo ihn seine Gemeinde verehrt.
Als Steiner noch auf Erden weilte war er ein Scharlatan und Blender, der reiche Witwen mit esoterischem Budenzauber betörte. 1925 verließ seine Troll-Aura den irdischen Leib und erwies sich als unsterblich. Bis heute tanzen seine Jüngerinnen völlig vertrollt vor ihren Salatbeeten, auf das die kosmischen Kräfte in die grünen Blätter fahre. Und es werden immer mehr, die fest daran glauben, dass Kuhmist die Astralenergie des Milchviehs transportiert und man Kinder nicht impfen sollte.
„Und sowas hat Anhänger““ echauffierte sich einst Tucholsky, nicht ahnend, dass er lediglich die zarten Anfänge des Steinerkultes erlebte. Heute streben Hunderttausende Deutsche danach sich im Sinne des Meisters in Volltrolle zu verwandeln. Und noch viel mehr betätigen sich als Troll-Hiwis, indem sie ihre Kinder in Waldorfschulen schicken und wie blöd die Produkte von Demeter und Weleda kaufen.
Nach dem Islam bilden die Steiner-Jünger die drittgrößte Glaubensgemeinschaft Deutschlands. Sie verkaufen ihre Lehre weitaus erfolgreicher als die Isländer ihre Troll-Nippesfiguren. Waldorfschulen gibt es mittlerweile sogar in Kirgisien, Tadschikistan und Tansania. Rudis religiöse Resterampe wurde zum deutschen Exportschlager.
Die Vorstellung der Island Ausgabe von Neugier.de ist am kommenden Freitag 14.Oktober in Frankfurt auf dem Pavillon des Ehrengastes Island. Bestellen kann man das neue Heft hier.