Ahmet Refii Dener / 03.03.2025 / 14:00 / Foto: Radikaltech / 16 / Seite ausdrucken

Deutschland: „Chronik eines angekündigten Todes“

Das „Schicksal“ ist meist ein Produkt menschlichen Handelns. Das beschrieb schon Gabriel García Márquez in „Chronik eines angekündigten Todes“. Hier steht, was das mit Deutschland zu tun hat.

„Chronik eines angekündigten Todes“ ist mehr als ein Roman – es ist eine Warnung. Gesellschaftliche Probleme zeichnen sich oft früh ab. Die Frage ist, ob man handelt oder abwartet. Deutschland steht vor vielen Herausforderungen – doch anders als Santiago Nasar haben wir die Chance, das Ende dieser Geschichte selbst zu schreiben.

Gabriel García Márquez’ Chronik eines angekündigten Todes heißt in der türkischen Übersetzung, die ich damals, als das Buch herauskam (1981), gelesen habe, Kırmızı Pazartesi„Der Rote Montag“. Der Mord geschah an einem Montag – und auch in Deutschland wachten wir an diesem Tag nach den Bundestagswahlen auf. Ein Montag, der vielleicht nur leicht schwarz erschien, doch je nach Verlauf der kommenden Jahre zu einem „Roten Montag“ werden könnte.

Schweigen aus Angst oder Bequemlichkeit

In Márquez’ Roman wissen fast alle Dorfbewohner von der bevorstehenden Tat, doch kaum jemand handelt. Ähnlich zeigt sich in Deutschland eine weitverbreitete Haltung des stillen Hinnehmens, sei es in der Politik, im Umgang mit sozialer Ungleichheit oder bei Themen wie Klimawandel oder Rechtsruck. Die Hemmschwelle, Missstände offen anzusprechen, ist hoch – oft aus Angst vor sozialem Druck oder aus Resignation.

Die Brüder Vicario töten im Roman Santiago Nasar, weil sie ihre Ehre wiederherstellen müssen – nicht, weil sie es wollen. Auch heute werden Entscheidungen oft nicht nach Vernunft, sondern nach Gruppenzwängen oder Ideologien getroffen. Politische Lager verhärten sich, Menschen verteidigen Narrative, selbst wenn sie unhaltbar sind, weil es um das Image, nicht um die Wahrheit geht.

„Da kann man nichts machen“ – eine Redensart, die oft fällt, wenn es um hohe Mieten, soziale Spaltung oder politische Fehlentwicklungen geht. Doch wie in Márquez’ Geschichte ist das „Schicksal“ meist ein Produkt menschlichen Handelns – oder eben Nichthandelns. Zukunft ist gestaltbar, aber nur, wenn man sich als Teil davon versteht.

Kommunikationsfehler und Echokammern

In Chronik eines angekündigten Todes eskaliert die Situation auch, weil Botschaften nicht richtig ankommen. In Deutschland sehen wir Ähnliches: Polarisierung durch soziale Medien, Desinformation, ein Auseinanderdriften der Lebensrealitäten. Viele hören nur noch, was ihre Weltsicht bestätigt. Die Gefahr? Ein Land, in dem Menschen nicht mehr miteinander sprechen, sondern nur noch übereinander.

Am Ende des Romans bleibt die Schuld an Santiagos Tod unklar – denn eigentlich hätte ihn jeder retten können. Auch in Deutschland stellt sich die Frage: Wer ist verantwortlich, wenn gesellschaftliche Herausforderungen nicht bewältigt werden? Politik? Wirtschaft? Der Einzelne? Die Antwort: alle.

Gesellschaftliche Probleme zeichnen sich oft früh ab. Die Frage ist, ob man handelt oder abwartet. Deutschland steht vor vielen Herausforderungen – doch anders als Santiago Nasar haben wir die Chance, das Ende dieser Geschichte selbst zu schreiben, wenn die gewählten Politiker es zulassen.

 

Ahmet Refii Dener, Türkei-Kenner, Unternehmensberater, Jugend-Coach aus Unterfranken, der gegen betreutes Denken ist und deshalb bei Achgut.com schreibt. Mehr von ihm finden Sie auf seiner Facebookseite, bei Instagram sowie auf seinem Blog.

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Leserpost

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Sam Lowry / 03.03.2025

“...auch nachdem sie die Stadt endgültig in Grund und Boden gewirtschaftet und finanziell ruiniert hat.” Nicht nur finanziell. Siehe Silvester 2015/2016…

Wolfgang Richter / 03.03.2025

@ Rudolf Krause - “Mal sehen, wer in Mannheim in eine Menschenmenge gefahren ist. Ich tippe auf ein Goldstück.” - In Israel hat gerade ein “Deutscher” gemessert und zumindest einen Israeli getötet, weitere verletzt. Im “Kleingedruckten” weiter hinten liest man dann, daß es ein “Druse” war. Frage: Wo unter den “Bio-Deutschen” sind “Drusen” zu finden?

Wolfgang Richter / 03.03.2025

“das Ende dieser Geschichte selbst zu schreiben, wenn die gewählten Politiker es zulassen.” - Das wird das aktuell “gewählte” Konglomerat an Konstrukteuren diverser neuer gigantischer Schuldentöpfe mit Namen “Sondervermögen” sicher nicht mehr zulassen. Und wenn danach “die Kacke richtig am Dampfen ist”, werden selbige sich unschuldig leise pfeifend “vom Acker machen”, so wie zB aktuell die Kölner “Armeslänge-Abstand-OBin”, die nach 2maligem Bewerben ums Amt nun mit Sicherung der sich daraus ergebenden “Rente” nicht mehr antritt, auch nachdem sie die Stadt endgültig in Grund und Boden gewirtschaftet und finanziell ruiniert hat.

Wolfgang Richter / 03.03.2025

“ein Auseinanderdriften der Lebensrealitäten.” - Wie sagte mal ein weiser Mann in etwa - “Man kann die Realität sicher einige Zeit ausblenden, aber man kann irgendwann nicht mehr Folgen dieses Ausblendens ignorieren.” Das wird dann für viele eine ziemlich “harte Landung”.

Lutz Liebezeit / 03.03.2025

Ein Schweigekartell ist verantwortlich, daß wir ständig mit neuen Herausforderungen überfallen werden. Der Nationalstaat ist mit dem korumpierten Art. 23 klammheimlich abgeschafft worden, aber man tut weiterhin so, als wäre nichts geschehen und wir hätten einen Verfassungsstaat. Als Unternehmensberater haben Sie den Verstand, den Inhalt des Art. 23 GG zu verstehen. Es könnte eine Sturzflut auf ihr Bewußtsein hereinbrechen, aber danach gehören Sie zum engen Kreis der Erleuchteten und verstehen alle Probleme in diesem Land. Lesen Sie auch mal Art. 21,2. Wir lügen uns hier gegenseitig an. Und jeder weiß, daß der andere lügt. Willkommen in Germoney.

Sam Lowry / 03.03.2025

Die heutigen Enkel werden stinkreich sein - sie erben mal ein Sondervermögen. Vermutlich genauso dumm wie die Eltern… wie die Wahl zeigte…

W. Renner / 03.03.2025

Der Tod liegt zwischen dem Wir und den gewählten Politikern. Letztere werden unserenTod in Kauf nehmen. Morituri te salutant.

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