Manfred Haferburg / 01.07.2017 / 06:02 / Foto: Tim Maxeiner / 8 / Seite ausdrucken

Deutschland brütet ein Windei aus

Eigentlich sollte es jedes Kind aus dem Physikunterricht wissen: Energie lässt sich nicht wenden. Aber der Physikunterricht ist wohl auch nicht mehr das, was er mal war. Meinungsumfragen zur Energiewende vermeidet die Politik ungefähr mit der gleichen Ängstlichkeit wie solche zur Massenimmigration. Nur so lässt sich der Eindruck aufrechterhalten, dass die Mehrheit der Deutschen der Energiewende positiv gegenübersteht. Ob das wirklich so ist, weiß keiner. Fakt ist aber, dass die Bürger per Gesetz gezwungen werden, die von der Regierung gewollte Energiewende zu bezahlen. Bis zum Jahr 2025 müssen geschätzt rund 520 Milliarden Euro aufgewendet werden. Eine vierköpfige Familie zahlt somit direkt und indirekt über 25.000 Euro für die Energiewende.

Die „Energiewende“ ist in Wahrheit eine „Stromwende“, denn die Politik hat noch gar nicht richtig damit angefangen, auch die Transportenergie (Elektromobilität) und Heizungsenergie (Wärmedämmung) zu wenden. Das Ziel der Regierung bei der Stromwende ist derweil die Steigerung des Anteils erneuerbarer Energien am Bruttostromverbrauch auf 35 Prozent bis 2020, auf 50 Prozent bis 2030, auf 65 Prozent bis 2040 und auf 80 Prozent bis 2050. Dieses Ziel kann allerdings mit der gegenwärtigen Physik und Meteorologie nicht erreicht werden.

Beim Ausbau der Windenergie wird geklotzt und nicht gekleckert. Die installierte Nennleistung sämtlicher Windenergieanlagen in Deutschland hat sich in den letzten 16 Jahren, von Anfang 2001 bis Ende 2016, auf 50.000 Megawatt (MW) verachtfacht. In den 18 betrachteten europäischen Ländern, die Windenergie heute nutzen, erhöhte sich die Nennleistung im gleichen Zeitraum um das Zwölffache auf mehr als 150.000 MW.

Die Ingenieure Thomas Linnemann und Guido S. Vallana vom VGB-Powertech haben jetzt eine Studie erstellt und dafür fünf Millionen Datensätze über die europaweite Windstromproduktion der letzten Jahre ausgewertet: Thomas Linnemann, Guido S. Vallana: Windenergie in Deutschland und Europa Status quo, Potenziale und Herausforderungen in der Grundversorgung mit Elektrizität Teil 1: Entwicklungen in Deutschland seit 2010. Die ganze Studie inklusive der detaillierten Präsentationsfolien finden Sie hier. Das Ergebnis ist ernüchternd und zeigt, dass eine der wesentlichsten Grundannahmen von der die Energiewender beim Ausbau der Windenergie ausgehen, schlicht falsch ist.

Schlicht falsche Grundannnahmen

Grundannahme: Irgendwo ist immer Wind und daher wird die Leistung bei weiterem Ausbau immer stabiler, so dass am Ende keine Energiespeicher gebraucht werden. Man muss nur genügend Windräder aufstellen.

Richtig ist: der Wind weht nicht überall zur gleichen Zeit gleich stark. Das heißt, dass das hundert Kilometer weite lokale Wetter darüber entscheidet, wieviel Strom die in diesem Bereich aufgestellten Windräder produzieren. Allerdings ist Europa viel grösser und demzufolge schwankt auch die Windstromproduktion nahezu chaotisch mit dem regionalen Wind  –  mal viel zu viel, mal eben fast nichts. Und es gibt so etwas wie „Großwetterlagen“.

Das Argument: „Irgendwo weht der Wind immer“ und die daraus abgeleitete Erwartung einer deutlichen Glättung der Gesamtleistung in einem Maße, das einen Verzicht auf Backup-Kraftwerksleistung ermöglichen würde, ist allerdings ausweislich der realen Daten niemals eingetreten. Das gilt auch für die vielgepriesenen Offshore Windräder. Das Gegenteil ist der Fall, nicht nur für ein einzelnes Land, sondern für ganz Europa.

Für das Jahr 2016 weist die entsprechende Zeitreihe (Stundenwerte) einen Mittelwert der Windstromproduktion von 33.000 MW und ein Minimum von weniger als 6.500 MW auf. Man bedenke: Bei Windstille werden europaweit gerade mal 6.500 Megawatt von installierten 150.000 Megawatt Wind erzeugt. Dies entspricht trotz der europaweit verteilten Windparkstandorte gerade einmal 4 Prozent der insgesamt installierten Nennleistung. Oder anders gesagt: von den 150 „Wind-Großkraftwerken von je 1000MW“ produzieren europaweit gerad mal noch sechs. Der Rest steht nur so rum und wartet auf Wind.

Die schlechte Nachricht: Windenergie trägt praktisch nicht zur Versorgungssicherheit bei und erfordert 100 Prozent planbare konventionelle Backup-Kraftwerke.

Im Klartext: Wir werden auch bei noch viel umfangreicherem Windausbau den kompletten alten Kraftwerkspark brauchen und bezahlen müssen, da sonst die Lichter bei „Dunkelflaute“ ausgehen. Von der Dunkelflaute sind nämlich oft große Teile Europas gleichzeitig betroffen.

17.500 Pumpspeicherwerke, die es nicht gibt

Für eine der nicht seltenen zweiwöchigen Dunkelflauten würde man zur Stromversorgung Deutschlands 21 Terawatt Stunden Speicherkapazität benötigen. Es existieren aber nur Speicherkapazitäten (Pumpspeicherwerke, alle anderen Speicher tragen gar nicht messbar bei) in einer Größe von 0,04 Terawatt Stunden. Um also diese zweiwöchige Dunkelflaute zu beherrschen benötigt man zusätzlich 17.500 Pumpspeicherwerke von je 200 MW, oder aber den kompletten konventionellen Kraftwerkspark von Kohle und Gas.

Und sollte wieder das Argument kommen "dann speichern wir eben überschüssige Windenergie als Gas, das dann die Versorgung bei Flaute übernimmt": Die Studie hat auch darauf eine Antwort. Die Kilowattstunde kostet bei diesem Verfahren auf Grund des grottenschlechten Wirkungsgrades mindestens 45 Eurocent, ohne Kosten wie Gewinn des Bertreibers, Netzentgelt und Steuern gerechnet, die locker diesen Preis verdoppeln. Wir reden also von einem Euro pro Kilowattstunde „Windstrom zu Gas“. Liebe deutsche Steuerzahler und Stromkunden - das wird eine gigantische Eiskugelparty!

Link zum Fachtext der Studie hier.  Link zu den Präsentationsfolien (alle Fakten in grafischer Form) der Studie hier.

Zum selben Thema ebenfalls aufschlussreich: Deutschland hat für die Energiewende bereits 150 Milliarden Euro ausgegeben, in den nächsten zehn Jahren werden die Kosten laut einer Studie der Universität Düsseldorf auf insgesamt über 500 Milliarden Euro steigen. Trotz der riesigen Summen ist die Emission von Treibhausgasen in der Bundesrepublik heute höher als im Jahr 2009. Hier finden Sie die Studie. ​

Manfred Haferburg ist Autor des Romans „Wohn-Haft“ mit einem Vorwort von Wolf Biermann.

Foto: Tim Maxeiner

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Leserpost

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H. Höppner / 02.07.2017

Der Artikel ist mit zu kurz gedacht. Was sind die Alternativen? Kohle nutzen bis sie alle ist und in 200 Jahren wieder vor dem gleichen Problem stehen? In einer dann vielleicht um 6° wärmeren Welt? Kernenergie weiter nutzen trotz der zahlreichen Unfälle bei einer eigentlich so sicheren Technologie? Es führt kein Weg an den Erneuerbaren vorbei. Ziel muss es jetzt sein, deren Kosten massiv zu senken, weitere Technologien für ein funktionierendes Gesamtsystem zu entwickeln und nicht Kohle und Kernenergie hinterher zu trauern.

Werner Geiselhart / 01.07.2017

Man kann nur hoffen, dass die politisch Verantwortlichen endlich mal solche Studien lesen, anstatt sich vom faktenbefreiten Gequatsche einer Claudia Kemfert einlullen zu lassen. Noch was zu den CO2-Emissionen: Hätten wir nicht unfreiwillig die äußerst energieintensive Produktion von PV-Modulen nach China “ausgelagert”, wäre die Energiebilanz der Energiewende noch katastrophaler!

Dr. Bredereck, Hartmut / 01.07.2017

Sehr geehrter Herr Haferburg, ich stimme Ihrem Aufsatz zu, sehe aber unter den politischen Umständen in Deutschland kein “zurück” aus den alternativen Energien mehr. Deshalb liegt dennoch meine Hoffnung in der Technologie “Power to Gas. Durch den wissenschaftlichen Fortschritt müßte es doch möglich sein, den noch sehr niedrigen Wirkungsgrad von 30% deutlich nach oben zu drücken. und damit kostengünstiger zu machen. Bevor wir überflüssigen Strom verschenken, könnte doch die Herstellung von Wasserstoff bzw. nach Umsetzung mit CO2, zu Methan, eine Alternative sein. Bei dem von Ihnen beschriebenen Dilemma, sehe ich Wasserstoff ohnehin als die Top- Energiequelle des nächsten Jahrhunderts an.

Kalle Kelting / 01.07.2017

war doch schon vor 10 Jahren allen klar die sich damit befasst haben. Das Problem ist nicht die Windkraft sondern sind die Menschen die andere belügen und betrügen die teilweise in Politik herunter bis in die Gemeindevertretungen sitzen, und trotz Eid sich nur um ihr eigenes Schäfchen kümmern. Windkraft ist Asozial und trägt dazu bei Unfrieden in der Bevölkerung schüren. Auch gehören Menschen, die sich durch Invorteilnahme z.B. Gemeindevertreter die eigene Grundstücke an die WK verpachtet haben, bestraft.

R.Richter / 01.07.2017

Was soll das mit den Argumenten? Unser aller GröKaZ macht sowieso, was sie will. Da kann man nur hoffen, daß sie bald so dement wird, wie sie derzeit mit ihren Entscheidungen wirkt. Es ist aber zu befürchten, daß ihre Hofschranzen selbst dann noch Beifall klatschen, wenn die Kaiserin offensichtlich gaga ist. Die Abnicker und Beifallklatscher sind doch geistig noch unter dem Nivau der GröKaz.

Roland Müller / 01.07.2017

Ich habe arge Zweifel daran, das für die imaginären 17.500 Pumpspeicherwerke überhaupt genügend Wasser vorhanden ist. Mal ganz davon abgesehen, das die 17.500 Pumpspeicherwerke für eine Landschaftszerstörung sorgen würden, die sich ansonsten allenfalls mit reichlich Atombomben bewerkstelligen lässt.

Helmut Driesel / 01.07.2017

1 bis 2 Euro pro KWh Lückenbüßerstrom ist korrekt. Alles andere ist Panikmache. Wir schaffen das!

Pauline Gossner / 01.07.2017

Ich denke. Merkel ist eine promovierte Physikerin?  Was versteht sie von Windenergie?  Spielt keine Rolle. Oder ist die Energiewende Sache von Literaten und Schöngeistern?  Von unseren klugen Berufspolitikern, die außerhalb der Politik meist NIE gearbeitet und wenig geleistet haben? K. Göring-E. z.B.  welche Berufsausbildung hat sie?  Spielt alles keine Rolle. Hauptsache die Diäten stimmen und das Mundwerk.

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