Angela Merkels historische Bedeutung steht außer Frage. Sie ist der Deutschen Gröbaz, die größte Bundeskanzlerin aller Zeiten. Diesen Ruf kann ihr niemand mehr streitig machen, auch wenn man sie nicht gleich mit anderen Herrschern vor ihr auf eine Stufe stellen darf. Weder trägt sie einen Oberlippenbart unter der Nase oder einen Spitzbart am Kinn, noch ist sie adligen Geblüts wie Kaiser Wilhelm ehedem. Wohl aber fühlt auch sie sich berufen, das Volk in die Pflicht zu nehmen. Und das wiederum unterscheidet sie dann von den deutschen Bundeskanzlern, die ihr im Amt vorausgegangen sind, etwa von Helmut Schmidt, der sich bei allem Machtbewusstsein stets als den "ersten Diener des Staates" ansah.
So klein hat sich Angela Merkel nie gemacht. Von einer derartigen Anbiederung hält sie nichts. Unter ihr wird durchregiert, getreu der alten Potentaten-Weisheit: Was das Volk nicht umbringt, macht es hart; es stählt die Genossen, wie man einst in der DDR, der geistig politischen Heimat unserer gewählten Bundeskanzlerin, sagte. Zweifel am eigenen Tun verbieten sich dabei von vornherein. Vielmehr gilt es, dem Volk Gelegenheit zu geben, sich vor der Obrigkeit zu bewähren.
So haben es Könige und Kaiser, Diktatoren und andere Autokraten zu allen Zeiten gehalten. Stets wurden den Menschen, den Bürgerinnen und Bürgern, drohende Gefahr und Belastungen als eine Prüfung des Schicksals auferlegt. Das Volk sollte stolz sein, etwas Großes ertragen, eine Last stemmen zu dürfen, notfalls mit dem Leben dafür einstehen zu müssen.
Die Kehrseite der Globalisierung
Wenn nichts mehr half, hat man Lieschen Müller und den kleinen Mann auf der Straße bei der Ehre gepackt - genauso wie Angela Merkel, als sie in dieser Woche abermals versuchte, ihre Flüchtlingspolitik als "große Bewährungsprobe", als "historische" und "nationale Aufgabe" loszuschlagen. Kein Gedanke daran, dass ihr mit der Grenzöffnung womöglich ein Fehler unterlaufen sein könnte, dass gar die Terroranschläge der letzten Wochen damit etwas zu tun haben könnten.
Die Kanzlerin hat abermals Kurs gehalten. "Für mich ist klar, wir bleiben bei unseren Grundsätzen", sagte sie am vergangenen Donnerstag. Ob das für den Rest der deutschen Bevölkerung auch so "klar" ist, spielte keine Rolle. Weiterhin will uns Angela Merkel die Chance geben, eine "historische Aufgabe" zu meistern: Deutschland auf Bewährung. Die anderen werden Augen machen. Ruhm und Ehre unserer Gröbaz!
Aber wer weiß, vielleicht ist der Frau ja gar nicht mehr bewusst, welche Phrasen sie drischt, wenn sie etwa im heute-journal stammelt: "Die große Bewährungsprobe, die letztlich die Kehrseite der positiven Effekte der Globalisierung ist, die nun die Schattenseite der Globalisierung aufzeigt." Nein, fragen sie jetzt bitte nicht, bei welchem Deutschlehrer diese deutsche Bundeskanzlerin in die Schule gegangen ist. Wer soll das wissen.
Und würde man jetzt versuchen, hinter den Sinn ihres Geschwafels zu kommen, käme dabei nur heraus, dass Attentate, Mord und Totschlag in alle Zukunft mit der auch von ihr befeuerten Globalisierung verbunden sein werden. Ehe man annimmt, die Frau Bundeskanzlerin habe das wirklich sagen wollen, möchte man lieber von einem Geisteszustand ausgehen, der die Gewährung mildernder Umstände rechtfertigen würde, auf jeden Fall aber den sofortigen Entzug der Prokura für Deutschland nach sich ziehen müsste.
Und zwar ohne Bewährung.
Die Ansprache der Kanzlerin im Wortlaut.