Markus C. Kerber, Gastautor / 22.10.2024 / 11:00 / Foto: Pixabay / 31 / Seite ausdrucken

Deutschland als Befehlsempfänger der EU-Kommission 

Die Abstimmung über die EU-Strafzölle auf E-Autos aus der Volksrepublik China veranschaulicht das Ausmaß, in dem Deutschland – die Handelsnation schlechthin und der größte Nettozahler in der EU – wesentliche Parameter seiner Souveränität verloren hat. 

Schon die Abstimmung innerhalb der sogenannten Ampel-Koalition war schwierig genug:Die Grünen – bereit, sich jedwedem Diktat aus Brüssel zu unterwerfen – waren handelspolitisch auf der Linie der Protektionisten in Paris, die in Brüssel durch Frau von der Leyen das Sagen haben. Die Opposition von Finanzminister Lindner und Bundeskanzler Scholz im Europäischen Rat war von Anfang an zum Scheitern verurteilt. Denn gem. Artikel 14 EUV und 238 AEUV gilt bei Entscheidungen über die Handelspolitik das Mehrheitsprinzip. Die Kommission lässt im Ministerrat über ihre Vorschläge – in diesem Fall die Erhebung von Strafzöllen gegen Elektroautos aus China – abstimmen. Opposition ist hiergegen nur möglich, wenn sich weniger als 55 Prozent der Mitgliedsstaaten und weniger als 65 Prozent der Gesamtbevölkerung der EU dem Vorschlag anschließen. Eine Sperrminorität ist nur dann vorgesehen, wenn mindestens vier Staaten mit einer erheblichen Bevölkerung und von erheblicher Anzahl sich wehren. 

Die Zustimmung Deutschlands Lissabon-Vertrag zu dieser handelspolitischen Entmündigung dürfte sich im Fall der EU-Schutzzölle als fatal erweisen. Denn die Abstimmung im Rat erfolgt nicht etwa unter Beachtung des „europäischen Interesses“, weil es ein solches europäisches Interesse gar nicht gibt und gar nicht geben kann. Vielmehr erfolgt sie danach, was sich die einzelnen Regierungen von den Beschlüssen erhoffen.

Die Interessen der deutschen Automobilindustrie  –einschließlich der Niederlande und Tschechiens sowie der Slowakei – spielen für Länder wie Frankreich und Griechenland keine Rolle. Die dortigen Regierungen haben eine lange Tradition bei der Erringung von Wählerstimmen durch protektionistische Politik, die kurzfristig nationale Industrien schützt und langfristig den internationalen Protektionismus alimentiert. Der Hinweis der deutschen Automobilindustrie, dass sie hundertfach mehr Autos nach China importiert als China mit mittlerweile erfolgreichen E-Automodellen nach Deutschland einführt, war also als Argument – leider – von vorne herein politisch zum Scheitern verurteilt. 

Deutsche Autoindustrie zahlt den Preis für die europäische Strafzollpolitik

Damit muss Deutschland als das europäische Autoland schlechthin zusammen mit der Slowakei, Tschechiens und den Niederlanden die Folgen einer EU-Strafzollpolitik tragen, die vornehmlich die deutsche Automobilindustrie in China treffen wird. Deren Engagement in China dürfte infolge der Politik der EU einer strategischen Revision zu unterziehen sein. Denn die kommunistische Partei in China wird nicht zögern, die deutschen Automobilhersteller in China den Preis für die europäische Strafzollpolitik zahlen zu lassen. Sollen sie etwa hinnehmen, dass relativ preiswerte und qualitativ erstmalig gute E-Autos aus China nicht oder nur unter zusätzlichen Strafzöllen auf die europäischen Märkte kommen?

Doch in Deutschland folgt auf den Aufschrei des VDA  – geführt von der Unions-Christin Hildegard Müller – der kleindeutsche Diskurs: „Das müssen wir hinnehmen.“ Deutschland gehe halt in Europa auf.

Dass diese Industrie- und Handelspolitik der EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen nicht einmal in der Christenunion auf Widerstand stößt, nachdem ihr Vorturner Merz Frau von der Leyen für eine zweite Amtszeit in Brüssel Schützenhilfe geleistet hatte, zeigt die Vergrünung der CDU/CSU. Sie trägt mit dazu bei, dass die Schlüsselindustrie der deutschen Volkswirtschaft durch die selbstherrliche, französisch inspirierte Handelspolitik der EU-Kommission existenziell gefährdet wird.

Der Willkür der Brüsseler Politik wehrlos ausgeliefert

Die Europa-Enthusiasten unter den deutschen Parteipolitikern müssten sich ebenfalls an die Nase fassen. Waren sie es nicht, die in vorauseilendem Gehorsam das Prinzip qualifizierter Mehrheiten mit dem Lissabon-Vertrag in das europäische Regelwerk eingeführt haben? 

Nunmehr können es Malta, Luxemburg und Zypern im Verbund mit einigen verschworenen Deutschlandfeinden schaffen, unserem Land den Garaus zu machen. Deutschland ist der Willkür der Brüsseler Politik wehrlos ausgeliefert. Mehr noch: Unser Land hat durch seine Europapolitiker den Kommissaren in Brüssel die Messer geliefert, um die Wurzeln deutschen industriellen Wohlstands abzuschneiden. Erstaunlich ist nur, dass der deutsche Managementkapitalismus, der es im Übrigen zugelassen hat, dass sich chinesische Anteilseigner mit 20 Prozent an dem Daimler-Konzern beteiligen, zu alledem zwar nicht klatscht, aber resignierend-defätistisch reagiert und lediglich die Rettung aus dem Steuersäckel durch den Bundeswirtschaftsminister anmahnt. 

Noch erstaunlicher ist, dass der Bundeskanzler das Prinzip relativer Mehrheiten – also die Möglichkeit, dass Deutschland im EU-Rat überstimmt wird – noch verstärken will. Dies zeigt: Mit der Parteienoligarchie sind deutsche Interessen nicht mehr zu wahren. Deutschland muss sich fortan um eine grundlegende Revision der europäischen Verträge bemühen. Es sei denn, es will nicht nur in Europa aufgehen, sondern mit Europa untergehen.

 

Dr. jur. Markus C. Kerber ist Professor für Finanzwissenschaft und Wirtschaftspolitik an der Technischen Universität Berlin. Er gründete das Institut für Verteidigungstechnologie, Militärökonomik und Geopolitik (www.ivsg.de) und den Thinktank Europolis.

Der Verfasser ist Autor der Schrift „Führung und Verantwortung: Das Strategiedefizit Deutschlands und seine Überwindung“, die hier im Achgut-Shop erworben werden kann.

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Leserpost

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Ingo Schöler / 22.10.2024

Es ist traurig, daß sich Olli und die seinen auf diese Weise vorführen lassen. Dabei ist die Sache ganz einfach: Nach so einer saufrechen Entscheidung bleiben mindestens 25% des deutschen EU Beitrages auf dem deutschen Konto, nicht auf dem Brüsseler Konto. Hätte man das vorher mit der nötigen Entschlossenheit angekündigt, wäre diese Entschidung für die Zölle nicht gefallen. Also ganz einfach.

Holger Kammel / 22.10.2024

Das hat mich schon etwas erstaunt. Vielleicht habe ich es ja falsch verstanden, aber bisher verstehe ich das so, daß das mehr oder weniger faschistische System der EU-Kommisssare sich eine Zeidrittelmehrheit anmaßt.

M. Berger / 22.10.2024

Wollen wir doch mal schauen: Scholz, Bärbock, Habeck, Lindner sind WEFler. Wessen Anordnungen werden also wohl umgesetzt @Jochen Lindt ?

Petra Horn / 22.10.2024

@Lao Wei: Wohin soll der ausgepreßte Deutsche flüchten?

Thomin Weller / 22.10.2024

Wie extrem verlogen, korrupt die EU und Deutschland zeigt sich gerade in der Schweiz. Während hier der Wohlstand verschwindet Ukros im 5 Sterne Hotel verweilen gehen restlos korrupte Ukrainer wie Klitschko (Villa in Hamburg für 6 Mio) und ukrainischen militärischen Rekrutierungs-Verantwortlichen in die Schweiz und kaufen Luxusimmobilien während ihre Nazikollegen in den Schützengräben sterben. insideparadeplatz dot ch gstaad-sankt-moritz-genf-ueberall-ukrainische-nobelkarossen. Das Recht des Stärkeren gilt.  Mit der Mistforke und Fallbeil umfangreich ausmisten. Anders wird das nix mehr. UvdL passt allerbestens zu den Klitschko Brüdern.—>>“Vor dem Krieg, im Jahr 2015, wurde Klitschko von den Femen-Aktivistinnen des Frauenhandels im grossen Stil und der Zuhälterei bezichtigt – mit 100 eigenen Bordellen sowie der Mitgliedschaft in der Mafia.”<<—

Lutz Liebezeit / 22.10.2024

Nachbetrachtung: Schon während des Mauerfalls stand das, was wir hier heute erleben mit den Ausländerhorden und den sozialen und wirtschaftlichen Umbrüchen auf einer geheimen Agenda. Das liegt schon beim Lesen der Verfassung auf der Hand.

Lutz Liebezeit / 22.10.2024

Ohne die volle Souveränität, den der 2+4-Vertrag Deutschland garantiert, hätte es keine Wiedervereinigung gegeben. Der 2+4-Vertrag ist auch der so schrecklich vermisste Friedensvertrag zwischen den USA und Deutschland und allen Siegermächten. Ohne Souveränität kein Frieden! Der 2+4-Vertrag ist 90 ratifiziert worden und schon 91 hat Kohl das ganze Parlament mit einem verfassungswidrigen Eingriff in die Verfassung delegitimiert.  Art. 23, 1 “Zur Verwirklichung eines vereinten Europas wirkt die Bundesrepublik Deutschland bei der Entwicklung der Europäischen Union mit, die demokratischen, rechtsstaatlichen, sozialen und föderativen Grundsätzen und dem Grundsatz der Subsidiarität (Eigenverantwortung) verpflichtet ist und EINEN DIESEM GRUNDGESETZ IM WESENRLICHEN VERGLEICHBAREN GRUNDRECHTSSCHUTZ GEWÄHRLEISTET. ” Schon die Bandwurmstruktur des Satzes macht den schwer verständlich. Das ist keine Satz für eine Verfassung, das ist Bürokratendeutsch. Dabei war das GG immer so geschrieben, daß auch der Laie sofort den Sinn der Artikel verstehen konnte. Schließlich ist das ja das GG des Deutschen Volkes und nicht die Verfassung der Regierung. Die Regierung hat in der Demokratie so viel zu melden wie der Verwalter einer Immobilie! Nichts! Der Eigentümer sind in dem Falle WIR! / Originale Präambel „Im Bewußtsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen, von dem Willen beseelt, SEINE NATIONALE UND STAATLICHE EINHEIT ZU WAHREN und als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen, hat das Deutsche Volk in den Ländern ..“ Helmut Kohls Präambel: „Im Bewußtsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen, von dem Willen beseelt, als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen, hat sich das Deutsche Volk kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt dieses Grundgesetz gegeben.“ Das wahr wohl eher Helmuts Kohls Gewalt, die uns diesen Schmonzes als Verfassung aufs Augen drücken wollte?

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