Peter Grimm / 08.06.2016 / 05:25 / Foto: Timm Suess / 10 / Seite ausdrucken

Deutschland All inclusive: Sonderschichten im Ramadan

Dass sich öffentliche Institutionen in einem islamischen Land im Ramadan auf den Rhythmus der von Mohammed verordneten Fastenzeit einstellen, ist nachvollziehbar. Inzwischen hat die Berücksichtigung islamischer Regeln aber auch in Deutschland ein Ausmaß erreicht, das Muslimen signalisiert, ihre religiösen Vorschriften und Bedürfnisse genössen Priorität. Für viele, die aus islamischen Staaten kommen, ist das völlig normal, nur werden sie sich nach solchen Signalen fragen, warum sie sich eigentlich noch an hiesige Gepflogenheiten anpassen sollten, wenn das doch in der Gegenrichtung schon so prächtig funktioniert.

Integration ist harte Arbeit, gerade in diesen Wochen. Wer mit der Betreuung von Asylbewerbern beschäftigt ist, für den stehen jetzt beispielsweise Ramadan-Sonderschichten an. In den Unterkünften hat man sich überall in Deutschland auf den islamischen Fastenmonat eingestellt, wie in Berlin-Tempelhof im alten Flughafen. Hier haben die Mitarbeiter einen eigenen Bereich zum Beten und Essen während des Ramadan eingerichtet und die Essenszeiten geändert. Frühstück gibt es von 1.30 Uhr bis 2.30 Uhr, Abendessen von 21.30 bis 23.30 Uhr. Auch die Sozialarbeiter sind nicht nur wie sonst bis 19 Uhr sondern bis Mitternacht in den Unterkünften. Auch mehr Personal fürs Catering wird gebraucht, um die zusätzlichen nächtlichen Essenszeiten anbieten zu können.

Der deutsche Staat fordert Ramadan-Sonderleistungen

Aus allen Bundesländern melden die Heimbetreiber zusätzliche Spätschichten zur Einhaltung islamischer Regeln: "Praktisch alle unsere 490 Flüchtlingsunterkünfte in Deutschland mit 140.000 Flüchtlingen stellen sich auf irgendeine Weise auf den Fastenmonat ein", sagt beispielsweise der Sprecher des Deutschen Roten Kreuzes (DRK), Dieter Schütz zu rp-online. "Personell und organisatorisch ist der Aufwand dann höher." Aber das muss sein, auch weil diese Ramadan-Sonderleistungen mittlerweile vom staatlichen deutschen Auftraggeber gefordert werden.

Schleswig-Holstein habe eine entsprechende Flexibilität den Betreibern von Asylbewerberunterkünften zur Auflage gemacht, betont Magdalena Drywa vom Landesamt für Ausländerangelegenheiten. Deshalb arbeiten deutsche Großküchen in diesem Monat vermehrt nachts. "Wir werden von 21.30 bis 22.30 Uhr unsere Kantine extra öffnen, das Mittagessen noch einmal kochen und Lebensmittelpakete mitgeben fürs Essen vor Sonnenaufgang", sagt der Koch Ole Heldberg zu rp-online. "Viele muslimische Flüchtlinge sind dafür sehr dankbar", berichtet der stellvertretende Küchenchef der zentralen Erstaufnahme Schleswig-Holsteins in Neumünster.

Über die Mehrkosten, die der Steuerzahler für die Berücksichtigung islamischer Regeln aufbringen muss, schweigt jede verantwortliche Verwaltung allerdings bescheiden. Immerhin muss am Speiseplan nichts geändert werden, denn im Islam nicht erlaubte Speisen sind in deutschen Asylbewerberunterkünften sowieso tabu.

Was ist, wenn jemand im Heim sich nicht ans Fasten-Gebot hält?

Für die Bewohner, die nicht fasten, ändere sich nichts, sagen die Heim-Verantwortlichen überall in Deutschland. Nur ob es wirklich jeder Heimbewohner wagen kann, sich so unislamisch zu verhalten und sichtbar nicht zu fasten? Übergriffe auf "Ungläubige" wegen unislamischen Verhaltens gibt es in deutschen Zuwandererheimen ohnehin des Öfteren. Im Ramadan dort nun tagsüber wahrnehmbar zu essen oder zu trinken kann man nichtmuslimischen Bewohnern nicht überall empfehlen.

Auch die Schulen haben sich auf den Fastenmonat vorbereitet. „Der Ramadan: Fasten trotz Mathe-Klausur“ heißt eine Handreichung der Berliner Senatsbildungsverwaltung. „Grundsätzlich darf das Fasten nicht als Entschuldigung für Regel- und Pflichtverletzungen im Schulalltag herhalten“, heißt es dort. Aber dennoch berücksichtigt die schulische Terminplanung den religiösen islamischen Kalender. Schulfeste oder Klassenfahrten werden nicht in den Ramadan gelegt, sagt Manuela Hinz-Schiemann von der Schule am Schillerpark in Wedding dem Tagesspiegel: „Dann geht ja keiner hin.“ Mehr als zwei Drittel der Schüler sind Muslime und die meisten davon fasten. Vor allem beim Sport müssen häufig Schüler verarztet werden, weil sie Kreislaufprobleme bekommen. „Da fallen viele um“, sagt Hinz-Schiemann. Aber auch sonst im Unterricht oder auf dem Pausenhof seien die Jugendlichen in der Fastenzeit oft dünnhäutig und schneller genervt.

Schüler in der Fastenzeit  dünnhäutig und genervt

Doch es ist vielleicht etwas kleingeistig, hier über die Probleme des Fastens und den Mehraufwand in der Asylbewerberbetreuung zu reden. Der Islam gehört ja inzwischen regierungsoffiziell zu Deutschland. Dass die Bundesregierung den Muslimen im Land zum Beginn des Fastenmonats eine Grußbotschaft sendet, ist als freundliche Geste nur folgerichtig. Auch die Kirchen geben dem Ramadan inzwischen alljährlich ihren Segen. Der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx sagte in seiner Grußbotschaft: "Die katholische Kirche lehnt alle Forderungen populistischer Bewegungen, die die Religionsfreiheit der Muslime in Deutschland einschränken wollen, unzweideutig ab. Und mit gleicher Eindeutigkeit treten wir der Verweigerung der Religionsfreiheit für die Christen in mehrheitlich muslimischen Ländern entgegen.“

Nun denn, wenn die Deutschen mit dem gleichen Engagement, mit dem sie sich jetzt um die Belange der Muslime im deutschen Ramadan kümmern, auch für die Rechte der Christen, Juden und anderer Nicht-Muslime im islamischen Machtbereich kämpften, wäre es allen Mehraufwand wert. Dann wäre es auch überzeugender, als die vielen servilen Gesten, die heute üblich sind. In diesem Fall würde ich auch gern zum großen gemeinsamen Fastenbrechen kommen. Ich fürchte nur, so hat Kardinal Marx seine Grußbotschaft nicht gemeint.

Zuerst erschienen auf sichtplatz.de hier.

Sie lesen gern Achgut.com?
Zeigen Sie Ihre Wertschätzung!

via Paypal via Direktüberweisung
Leserpost

netiquette:

Pablo Martin Diaz / 08.06.2016

Hallo, vielen Dank Herr Grimm für Ihren tollen (leider gruseligen) Artikel. Fernsehtip für heute Abend: ZDF 22:45 “Die Flüchtlingskanzlerin; Was treibt Angela Merkel an?” Im Trailer heißt es u. a. “...von der CSU gedemütigt, von Teilen des Volkes verachtet, von Europa alleine gelassen und nun in der Hand des türkischen Präsidenten Erdogan”.

Weitere anzeigen Leserbrief schreiben:

Leserbrief schreiben

Leserbriefe können nur am Erscheinungstag des Artikel eingereicht werden. Die Zahl der veröffentlichten Leserzuschriften ist auf 50 pro Artikel begrenzt. An Wochenenden kann es zu Verzögerungen beim Erscheinen von Leserbriefen kommen. Wir bitten um Ihr Verständnis.

Verwandte Themen

Es wurden keine verwandten Themen gefunden.

Unsere Liste der Guten

Ob als Klimaleugner, Klugscheißer oder Betonköpfe tituliert, die Autoren der Achse des Guten lassen sich nicht darin beirren, mit unabhängigem Denken dem Mainstream der Angepassten etwas entgegenzusetzen. Wer macht mit? Hier
Autoren

Unerhört!

Warum senken so viele Menschen die Stimme, wenn sie ihre Meinung sagen? Wo darf in unserer bunten Republik noch bunt gedacht werden? Hier
Achgut.com