„Das ist ja keine Wirtschaftsförderung“ sagte Insa Wilke, die Vorsitzende der Jury des „Deutschen Verlagspreises“ am 25. Mai 2020 im Interview mit dem DLF-Büchermarkt. Auch wenn sie verstehen könne, dass gerade in Corona-Zeiten alle Verlage zu kämpfen hätten. Dafür müsse es Extratöpfe geben. Der „Deutsche Verlagspreis“ sei ein Preis, und es gäbe eben wie immer Preisträger und solche, die leer ausgingen. Im Vorfeld der Preisverleihung hatten die 334 Teilnehmer sogar gefordert, die 1,4 Millionen Euro Preisgeld „gleichmäßig“ unter den teilnehmenden Verlagen aufzuteilen. Das hätte einem „Preisgeld“ von 4.100 Euro pro Verlag entsprochen. Die Jury lehnte das ab. Als Jury muss sie das natürlich, sonst wäre sie ja nichts anderes als ein US-Aid-Team, das Reis von der Ladefläche eines Trucks unter den Anwesenden verteilt. Doch wie kommen die Verlage auf die Idee, das sollte so sein?
Den deutschen Verlagspreis gibt es seit 2019, und wie alles, was der Verbreitung von Büchern dienlich scheint, finde ich die Idee nicht schlecht. Preise für Autoren gibt es zwar jede Menge, und der Verlag eines erfolgreichen Autors profitiert ja unmittelbar vom Verkaufserfolg und dessen Bekanntheitsgrad. Aber wie gesagt, warum nicht auch mal die Verlage ehren, zumal, wenn nicht nur Auflagenstarke Belletristik infrage kommt und zumindest die finanziell Geehrten eine gewisse Größe noch nicht überschritten haben dürfen.
Die Hauptpreise von dreimal 60.000 Euro und die „kleinen Preise“ von 60 mal 20.000 Euro können so manches kleine Haus schon erleichtert aufatmen lassen. Solche Geldspritzen können die Fixkosten ganz schön abfedern helfen! Doch wo Suppe ist, da ist auch immer ein Haar. Hier in Gestalt des Preisstifters: der Steuerzahler. Diesmal in Vertretung von Monika Grütters, der Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien. Die Personalie finde ich im Zusammenhang mit Büchern und Verlagen insofern ulkig, weil es Frau Grütters war, die es vor einiger Zeit bei einer der öffentlich-rechtlichen Quasseltanten schaffte, Artikel 12 (1) des Grundgesetzes folgendermaßen zu interpretieren: „Die politische Willensbildung geht von den Parteien aus“. Aber einen Preis für entstellende Verkürzungen von Grundrechten verleiht sie ja zum Glück nicht.
Am Ende doch eine Gießkanne?
Nun würden mir sicher tausend Sachen einfallen, bei denen das „finanzielle Engagement“ unserer Bundesregierung anrüchiger ist. Jährlich 1,4 Millionen Euro für Preisgelder an Verlage rauszuhauen, ist geradezu eine barmherzige, gute Tat, verglichen etwa mit den mehr als 150 Millionen für aktivistischen Schwachsinn bei „Demokratie leben“. Und, ganz wichtig: „Das ist ja keine Wirtschaftsförderung“, wie Insa Wilke erklärte. Einige der teilnehmenden Verlage scheinen das aber anders zu sehen, wie man im DLF hört.
Denn die kamen nicht nur auf die Idee vom gleichmäßig verteilten Preisgeld, sondern beklagten sich auch darüber, dass manche Verlage nach 2019 nun schon zum zweiten Mal zu den Preisträgern gehören. Nochmal teilnehmen, nachdem man bereits einmal abkassiert hat? Ja, ist das denn erlaubt? Beim Verteilen von Reis eher nicht, bei einem ausgelobten Wettbewerb ganz sicher. Ganz gleich, ob bei einem Architektur-Wettbewerb, dem vierten Stern auf den Trikots der „Mannschaft“ oder dem nächsten Olympiasieg von Usain Bolt – wenn Siegern die Teilnahme an weiteren Wettbewerben untersagt wäre, was wäre das dann für ein Wettbewerb? Hätte Apple nach dem Smartphone das Tablet nicht auch noch erfinden dürfen? War jetzt mal Nokia dran? Selbst bei Dieter Thomas Heck durfte man sechsmal dabei sein!
Meine Vermutung geht ja dahin, dass die Verlage irgendwie Grund hatten, den „Deutschen Verlagspreis“ als das zu betrachten, was er schon wegen der Anzahl der Preisträger womöglich ist: eine geschickt beschriftete Gießkanne, mit der eben doch Wirtschaftsförderung an möglichst viele verteilt wird. Ich habe nachgezählt: Die Gießkanne in meinem Garten hat 57 Löcher, das käme also bei 63 Preisträgern fast hin.
Dieser Beitrag erschien zuerst auf Roger Letschs Blog Unbesorgt.