Felix Perrefort / 27.08.2019 / 17:00 / 9 / Seite ausdrucken

Lügen als „presseethisch zulässige Interpretation“

Ende Mai 2018 fand im Conne Island, einem linken, alternativen Kulturzentrum in Leipzig, ein Vortrag von Thomas Maul (Autor u.a. für Bahamas und Achgut.com) statt, der die Kritik des islamischen Antisemitismus und seine Bagatellisierung zum Thema hatte. Die Taz veröffentlichte mehr als eineinhalb Monate nach dem Vortrag (am 16.7.18 ) einen Artikel, in dessen Titel „Lieber rechts als gar kein Israel“ sich bereits ankündigt, denjenigen etwas „Rechtes“ anzuhängen, die Israelsolidarität gegenüber linken Befindlichkeiten priorisieren. 

Der Autor Konstantin Nowotny behauptet darin Folgendes: Maul „plädierte für rigoros geschlossene Grenzen wie in Ungarn, wo ‚jüdische Einrichtungen nicht unter permanentem Polizeischutz‘ stehen müssten.“ Doch das hat Maul nie getan. Der Taz-Journalist behauptete dies trotz Kenntnis des Vortragsmanuskripts, das im Conne-Island-Newsletter bereits publiziert worden war. Die von Maul persönlich gewährte Möglichkeit, in den unveröffentlichten Audiomitschnitt von Vortrag und anschließender Diskussion hineinzuhören, schlug er aus. Man soll sich seine These schließlich nicht kaputt recherchieren. 

Selbst der Presserat räumt Distanzierung ein

Der von Maul gegen die Taz und Neues Deutschland angerufene deutsche Presserat konnte an dieser Art journalistischer Berufsauffassung nichts Rügenswertes finden. Das ist insofern bemerkenswert, als sowohl der ND-Journalist Fabian Hillebrand als auch der Taz-Autor den Beleg für ihre Behauptungen bis heute schuldig bleiben.

Auf diesbezügliche Nachfrage eines Diskutanten auf seiner öffentlichen Facebook-Präsenz, wo er gegenüber Maul auftrumpfend die Entscheidung des Presserats verkündete, kann er keine Stelle angeben, an der Maul für rigoros geschlossene Grenzen plädiert hätte – weil es keine gibt. Im Gegenteil. Selbst der Presserat räumt ein, „dass Herr Maul nicht explizit für rigoros geschlossene Grenzen wie in Ungarn plädiert“, „sich“ vielmehr „direkt von der Politik Orbans distanziert.“ 

Dem Vortragsmanuskript lässt sich entsprechend entnehmen, dass Maul zwar meint, dass man über „restriktivere Grenzkontrollen“ und „Abschiebung von bestimmten Personengruppen“ auch „diskutieren könnte, ohne automatisch sogenannte Nazi-Diskurse zu bedienen“, doch sei dies seine Sache nie gewesen. Sondern: „Der einzige realpolitische Vorschlag, in den meine Islamkritik immer nur gemündet ist, war und ist das Kopftuchverbot für Schülerinnen bzw. ein Kopftuchverbot in allen staatlichen Behörden.“ 

Kurioserweise liest der Presserat in Passagen wie diese hinein, „dass Herr Maul indirekt die ungarische Flüchtlingspolitik mit ihren geschlossenen Grenzen durchaus positiv bewertet“, womit aus Nowotnys falscher Tatsachenbehauptung „eine presseethisch zulässige Interpretation" wird. (Nachlesbar hier.)

Die gekränkte linkseuropäische Seele

Anders als das Neue Deutschland und die Taz verhielt sich die Junge Welt, die ebenfalls sachlich falsch über Mauls Vortrag berichtete. Sie veröffentlichte die von Maul geforderte Gegendarstellung umstandslos (eingelassen in den inkriminierten Online-Artikel), womit für ihn die Angelegenheit augenscheinlich erledigt war – und im Falle der anderen beiden Zeitungen wohl auch hätte erledigt sein können. Während die Taz an der Falschaussage festhielt, versuchte man beim Neuen Deutschland die Sache unter den Teppich zu kehren: Eine Gegendarstellung lehnte man dort ab, da diese formalen Kriterien nicht entsprochen hätte; den beanstandeten Artikel aber nahm man vorsichtshalber vom Netz. Weil er um jeden Preis Recht behalten will gegen einen „Rechten“ wie Maul, wirft dieser linke Journalismus seine Berufsstandards schneller über Bord, als Pegida-Befürworter „Lügenpresse“ schreien können.

Doch wie kommen diese Journalisten nun dazu, Maul ein Plädoyer für beziehungsweise Lob von Viktor Orban zu unterstellen? Maul brach ein linkes Tabu, indem er Viktor Orbans Ungarn zwar indirekt, aber tatsächlich positiv erwähnte – allerdings in einem antisemitismuskritischen Kontext. Wie genau, wird egal, wo linke Selbstgerechtigkeit auf freies Assoziieren setzt, also auf das, was der deutsche Presserat für eine „Interpretation“ (seitens der Taz) bzw. „Beurteilung“ (seitens des ND) hält. Mauls Vergehen war, auf die in Sachen öffentlich gelebtes Judentum freundlicheren Zustände in „osteuropäischen Ländern“ (!) – also indirekt auch in Ungarn – zu verweisen, was für Linke, die sinnerfassendes Lesen durch moralines Aufplustern ersetzen, zusammenfällt mit der Verteidigung der dortigen Regierungspolitik. Es muss die linkseuropäische Seele schon arg kränken, dass nicht dort, wo sie die Verhältnisse mitentscheidet, sondern im „rechten“ Osteuropa die Juden einigermaßen sicher leben können. 

Das Recht zu beleidigen 

Es ist offenkundig, dass die Taz dem Pressekodex nicht nachgekommen ist, der dazu verpflichtet, „Informationen in Wort, Bild und Grafik [...] mit der nach den Umständen gebotenen Sorgfalt auf ihren Wahrheitsgehalt zu prüfen und wahrheitsgetreu wiederzugeben“. Immerhin dämmerte dem Taz-Journalisten noch in der Diskussion unterhalb seines öffentlichen Postings, dass die Berichterstattung zu Mauls Vortrag eine „Farce“ war, „inklusive“ der seinen. Das hinderte Nowotny jedoch nicht daran, sich schließlich als gekränktes Opfer zu inszenieren, dem Maul den Anwalt in der Hoffnung, „man könne der freien Presse vielleicht doch das Maul verbieten“, auf den Hals gehetzt hätte. 

Das Recht, jemanden zu beleidigen, etwa als „AfD-Fanboy“, „Rassisten“ oder „Frauenfeind“ zu titulieren, war und ist den hier kritisierten Akteuren von niemandem streitig gemacht worden. Geht es aber um Tatsachenbehauptungen, die diesen Beleidigungen Glaubwürdigkeit verschaffen könnten, ist auf Wahrheit zu insistieren – gegebenenfalls auf institutionellem Wege. Ob sich Taz und ND beziehungsweise deren Berichterstatter, an deren Namen diese Geschichte nun haftet, wirklich über ihren Presserats-„Sieg“ freuen sollten, ist zweifelhaft: „Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht, auch wenn er die Wahrheit spricht.“ Was sie als Kinder wohl noch wussten, vergaßen sie mit ihrem Beruf. 

Eine längere Version dieses Beitrags mit vielen weiteren Informationen finden Sie hier. Außerdem hat Marcus Ermler die Ereignisse um Mauls Vortrag auf Achgut.com thematisiert

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Leserpost

netiquette:

Marcel Seiler / 27.08.2019

Dass der Presserat Meinung und Fakten nicht auseinanderhalten kann, wenn er damit die Linkspresse unterstützt, wundert mich inzwischen nicht mehr. Ein Land, in dem eine Claudia Roth die Beschlussunfähigkeit des Bundestags lügenhaft bestreiten kann, ohne dass ihre Kollegen einschreiten, in dem ein Bundespräsident gewaltverherrlichende Bands fördert, in dem die Opposition Gewaltkriminalität erleidet, ohne dass es irgend jemanden stört: was soll man da von einem Presserat erwarten? Das Wort Lügenpresse trifft es einfach immer deutlicher.

Andreas Rühl / 27.08.2019

Die moderne Hexenjagd ist im vollen Gang. Und sie nimmt noch Fahrt auf. Mal schauen, wen es noch trifft. Die lange Liste liest sich schon jetzt wie ein whos who derer, die sich nicht verbiegen lassen. Und wie zur Zeit des großen hexenwahns sind es die kleinen Geister, die den Kurs vorgeben. Ich hatte immer meine Zweifel an horckheimers Dialektik der Aufklärung. Und es schien eine Weile so, als sei das, was darin als Notwendigkeit beschrieben wird, nur ein betriebsunfall gewesen auf dem Weg ins Licht. Pustekuchen. Gerade aus dem schoss der Frankfurter Schule kroch der daemon und zersetzt vernunft, Wissenschaft, ja einfachste redlichkeit und Aufrichtigkeit. Der Anstand geht flöten. Die letzten Hemmnisse gehen ueber bord. Bin mal gespannt, was fuer rufmorde, Verleumdungen, denunziationen wir noch erleben werden.

Mike Loewe / 27.08.2019

Heutzutage muss man wirklich vorsichtig sein, was man äußert. Die Gesellschaft befindet sich auf dem Weg zurück ins Hexenverbrennungs-Niveau. Außer rechts und links gibt es angeblich nichts, und jeder muss rechts sein, der nicht pausenlos genormte linke Floskeln ausstößt. Damit ist jede differenzierte Betrachtung praktisch verboten, und damit auch jede wissenschaftliche. Nur noch Populismus geht. Aber der richtige, bitte.

Johannes Schuster / 27.08.2019

Goebbels wird zu einem erlaubten Derivat der Wahrheit erklärt, - also konkludent ? - Naja, so unterhöhlt man auch den Tatbestand der Volksverhetzung. Weiter so du traditionelles Deutschland.

Wilfried Sander / 27.08.2019

Es ist eben Achgutniveau lieber Felix sich so sachlich und fair mit Reichsberichterstattern des “kommunistischen” Völkischen Beobachters / Stürmers auseinanderzusetzen. Mir stockt der Atem und ich muss die Netiquette bewahren bzw. Contenance, nicht nur hier sondern grunsätzlich, um der perfiden , auch Geschichtsverfälschung, dieser Demagogen zu begegnen. Ok, kennt man halt nicht anders, schlimm genug. Demokratieverständnis der unheimlichen , LINKEN Art eben , what’sabout Israel? Was unterschwellig LEIDER , auch von Ihnen, aber auch allgemein bei Achgut, mitschwingt ist immer auch die ,  will nicht sagen Abscheu , aber…  vor der AFD. ......boy , warum nicht girl oder divers ,  gilt als Beleidigung wie Frauenfeind / Rassist, also eine Stufe. Und Pegida SCHREIT sowas, wie die Wahrheit   , igitt. , Herr Orban, eine Stufe mit dem Babyadolf aus Österreich, Polen, etc. , ausländische AFD ??? THILO sei mein Zeuge, meiner immer wiederkehrenden Frage nach dem WARUM??? Wem soll ich mehr glauben als Kind, diesen kommunistisch oköfaschistisch verseuchten Gutmenschen oder Alternativen für Demokraten????

Sabine Schönfelder / 27.08.2019

Notfalls war die Bemerkung Nowotnys eine satirische Anmerkung in Richtung AFD-Fanboy! Also ehrlich, wer sich dermaßen für israelische Belange stark macht (und auch noch so unverhohlen), ja kennt der denn nicht die offizielle linke ‘HALTUNG’??, der ist subversiv! Der Nowotny hat nur formuliert was Maul, seines Erachtens, gedacht hat! Das ist doch klar, da braucht der doch nicht noch einmal den unveröffentlichten Audiomittschnitt anzuhören. Und ebenso klar is dette dem unabhängigen, überparteilichen angerufenen Presserat, Herr Perrefort. ( Da hätte er lieber meine Oma angerufen!) Nicht aufregen in der deutschen Medienwelt voll linker Solidarität und Meinungsmache. Demnächst schreibt Schmierling Nowotny einen Artikel über Herrn Maul im linken ‘Relotiusstyle’, in dem er in epischer Breite die erfundenen Details schildert, “von dem Morgen eines frühen Novembertages, Nebel stiegen auf vor der altehrwürdigen Klagemauer des Tempelberges, als zwei Männer in strammen Marsch-Schritten sich auf ihren Weg begaben, ein deutscher Journalist und,- ist es die Möglichkeit- der ungarische Nationalist und Staatsführer himself, um einen Kontrollgang des mittlerweile hermetisch abgeriegelten Staates Israel zu unternehmen, denn sie sind gute Freunde des israelischen Volkes usw….. usw…....

Sepp Kneip / 27.08.2019

Es ist ja in Deutschland an der Tagesordnung, dass Fake News über “Rechte” verbreitet werden dürfen, ohne dass dies Folgen hätte. Anders sieht es allerdings andersherum aus. Was bildet sich diese links/grün versiffte Gesellschaft eigentlich ein? Diese Herrschaften sind teilweise dumm wie Bohnenstroh und benehmen sich auch so. Nur haben sie immer Recht. Denken sie. Mit Vergnügen habe ich mir heute eine Satire in Form eines Interviews des JFB mit A. Baerbock reingezogen. Köstlich und trefflich. Oder war es gar eine Real-Satire? Egal, es hat den Tag gerettet.

Marcus Ermler / 27.08.2019

Sehr lesenswert, in der kompakten wie auch der Langfassung, die auch die linke Restvernunft würdigt, die es im Conne Island offenkundig noch zu geben scheint. Und dass sich die spröd-stalinistische “Junge Welt” zu einer Gegendarstellung herabließ, während sich die Parteizeitungen von Linkspartei und Grünen im Glanze eine zweifelhaften Sieges sonnen, ist doch eine schöne Anekdote. Passend dazu ist noch folgende Ergänzung: Dass sich derlei Form der Jauchekübelei doch immer wieder lohnt, dokumentiert die Vita des Herrn N. von der taz: Herr N. arbeitet laut seiner Biographie nun seit 2019 als freier Redakteur für das Haus-und-Hof-Blatt der deutschen Jakobiner. Gut, dass Simon-Wiesenthal-Zentrum hat dessen Chefredakteur dereinst ja mal auf die Liste der zehn übelsten Antisemiten gesetzt. Ob diese Form der „Israelkritik“ auch Richtschnur für Herrn N. journalistischen Kampf durch die vorgeblich israelsolidarische „Dschungelwelt“ ist? Darüber darf Thomas Maul gerne einmal sinnieren, wenn er die Rabulistik des Herrn N. noch einer Antwort würdigen will. Abschließend: Dank an Felix Perrefort für diese nüchterne und ernüchternde Zusammenfassung eines vermeintlich israelsolidarischen Biotops, dem Thomas Maul hier gegenübersteht. Einem Biotop, das statt Inhalten, Reflexion oder Kritik nur noch Sprechblasen abzusondern scheint. Für die deutsche Israelsolidarität wahrlich kein gutes Zeichen.

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