Wolfgang Mayr, Gastautor / 26.02.2018 / 12:22 / Foto: The Community / 6 / Seite ausdrucken

Deutsche Waffen sind für alle da!

Bei seinem letzten Besuch in Berlin soll der türkische Ministerpräsident Yildirim gegenüber der geschäftsführenden Bundeskanzlerin Merkel den Wunsch nach deutschen Waffen geäußert haben. Davon wusste immerhin das ZDF zu berichten.

Auf der folgenden Pressekonferenz der beiden Politiker waren die Waffen aber kein Thema. Am Tag danach dann die unerwartete Entlassung des Welt-Journalisten Deniz Yücel aus türkischer Haft. Im ZDF zerbrach man sich darüber den Kopf.

Hauptstadt-Korrespondent Thomas Walde brachte es in seiner Analyse auf den Punkt. Als geschäftsführende Bundeskanzlerin darf Merkel keine Waffenlieferungen zusagen. Unmittelbar wird es laut Walde also keine deutschen Waffen für die Türkei geben. Mittelbar möglicherweise doch, sobald die Große Koalition im Amt ist.

Außenminister Gabriel dementierte in beiden öffentlich-rechtlichen TV-Sendern mögliche Deals. Mit ernstem Gesicht widersprach er Unterstellungen, plädierte für Dialog und Verständigung. Immerhin ist die Türkei ein Nato-Partner.

Über Waffen wird nicht geredet

Der schmutzige Krieg gegen Oppositionelle im eigenen Land, die ständigen Interventionen in der autonomen Region Kurdistan im Nord-Irak und der jüngste Angriffskrieg in Nord-Syrien gegen „kurdische Terroristen“ waren und sind kein Thema bei Gesprächen zwischen deutschen und türkischen Politikern.

Die deutsche Politik übernimmt ungeprüft die antikurdischen Positionen der türkischen Regierung. Deutschland verbot die kurdische Arbeiterpartei PKK. Deutschland belieferte in den 1980er Jahren die damals noch weitgehend laizistische Türkei mit Waffen, die der Staat gegen die PKK einsetzte.

Niemand fragte, wie viele kurdische Opfer dieser „Anti-Terror-Einsatz" des Nato-Partners kostete. Es wurden fast 4.000 Dörfer in Türkisch-Kurdistan von der türkischen Armee zerstört, mehr als 40.000 Kurden getötet, 17.000 werden seit dem Krieg der Armee gegen die PKK vermisst. In diesem antikurdischen Krieg verwendete die türkische Armee als Standardwaffe das G3-Lizenzgewehr der deutschen Rüstungsfirma Heckler & Koch.

Mehr als zwei Millionen Kurden flohen aus ihrer Heimat in Richtung West-Türkei. Der Staat überließ diese Menschen ihrem Schicksal. Fast 5.000 Kurden sitzen in türkischen Gefängnissen, weil sie in pro-kurdischen Parteien oder Organisationen aktiv waren. Zwischen 1984 und 1999 erhöhte die Türkei auch den Druck auf die Christen. Von den einst 200.000 Assyro-Aramäern blieben knapp 2.000 übrig.

Im Schatten des Angriffskrieges gegen die kurdische Enklave Afrin in Nord-Syrien mit deutschen Leopard-Panzern verschärft die Türkei ihre Gangart gegen die Kurden im Land. Kurdische Parteien werden verboten, Schulen geschlossen, die kurdische Sprache unterdrückt.

Geschenke aus DDR-Beständen

Seit 1964 wird das türkische Militär mit deutschen Waffen hochgerüstet, in den 1990er Jahren verschenkte das wiedervereinigte Deutschland Waffen aus DDR-Beständen. Im Gegenzug lieferte die Türkei Waffen an islamistische Rebellengruppen in Syrien.  

Deutschland ist in diesem Konflikt involviert. Die Waffenlieferungen an die kurdische Peshmerga im Nord-Irak würden eingestellt, verkündigte die Verteidigungsministerin. Dafür werde die irakische Armee mit deutschen Waffen beliefert. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis die türkische Armee neues Waffenmaterial aus Deutschland erhält. Geht es doch in Syrien gegen „Terroristen", egal, ob diese Terroristen im Kampf gegen den Islamischen Staat IS vor kurzem noch Verbündete waren, also nützliche Idioten.

Auch sonst ist die deutsche Politik recht flexibel. Auf der Münchner Sicherheitskonferenz plädierte Sigmar Gabriel für eine schrittweise Aufhebung der Sanktionen gegen Russland. Obwohl Putin nicht einmal daran denkt, die Krim aufzugeben, und russische Soldaten den Donbass im Osten der Ukraine besetzt halten.

Der Vergewaltiger soll nicht länger bestraft, sondern resozialisiert werden. Die Krim und der Donbass bleiben russisch, so wie der nördliche Teil Zyperns türkisch besetzt bleibt, seit nunmehr 44 Jahren. 

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Leserpost

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Dirk Jungnickel / 26.02.2018

Zweifellos muss Außenpolitik flexibel sein - wo aber sind die Grenzen. Muss man mit Diktatoren verhandeln, muss man Massenmördern auf diplomatischer Ebene begegnen ? Diese Fragen haben einen langen grauen Bart. Wenn jetzt aber sogar in der SPD die Putinisten das außenpolitische Sagen bekommen, dann “Gute Nacht” Groko. Ich würde dem Scharlatan im Kreml nicht mal ein gebrauchtes Fahrrad abkaufen.  Vielleicht ist der Vergleich mit einem Vergewaltiger nicht der glücklichste. Er ist eher der Dieb, den man laufen lassen will, weil man sich von ihm dadurch Besserung verspricht. Da sind Sie aber auf einem Holzweg, Herr Gabriel. Sie werden stolpern während der Dieb weiter klauen wird.

Judith Hirsch / 26.02.2018

Die Spannungen zwischen der Türkei und Israel eskalieren immer mehr. Es ist möglich, dass sich beide demnächst in Syrien offen bekriegen. Die Vorstellung, dass dann jüdische Soldaten durch deutsche Panzer und deutsche Gewehre sterben ist für mich unerträglich.

beat schaller / 26.02.2018

Sehr geehrter Herr Mayr, Die Achse hat ja glaube ich letzte Woche über 31 Waffenlieferverträge an die Türkei berichtet. Das war doch damals schon offensichtlich, dass da ein Ablasshandel ausgeheckt wurde. Gabriel hat sich ja geäussert, dass es keine “Gegengeschäfte” gebe und siehe da,  Deniz Yüzel wurde frei gelassen. So ganz ohne Hintergedanken.  Deutschland ist erpressbar geworden und offenbar sind zuviele Dinge in der Schwebe, die zu Eskalationen in der Flüchtlingskrise unpässlich kommen.  Man stelle sich vor, dass Erdogan die Grenzen nur ganz wenig öffnen würde…...Aber eben, die Natopartner….. In diesem Punkt bin ich völlig mit Ihnen und Ihren Ausführungen einig. Mit den Sanktionen gegen Russland möchte ich allerdings nicht unterschreiben.  Man kann da unterschiedlicher Meinung sein. Ich bezweifle, dass wir so hunderprozentig die Lage beurteilen können. Es gibt auch andere Sichten, z.B. dass die Nato mit der Osterweiterung immer näher an die Haustüre der Russen stossen?? Auch da kann man etwas mehr Licht von dieser oder jener Seite herbringen und dann sieht das Ganze schon anders aus. Trotz Allem, ich bin der Meinung, dass ein so wichtiger Staat und Partner (in vielen Bereichen) , der einen rechtmässig gewählten Präsidenten hat und ein so flächenmässig und Einwohnermässig grosses Land vertritt zu allererst mal mit an “den Tisch” gehört. Sanktionen sind meiner Ansicht nach nicht der richtige Weg. Diplomatie muss ja keine <liebesbeziehung sein, aber sie sollte im Interesse von allen und vielem sein und sie sollte vor Allem DIPLOMATISCH sein und keine Strafaktion.  Es lohnt sich darüber nachzudenken, zumal ja auch die EU die Arme sehr weit aufgemacht hat zur “Anektion an die EU”. b.schaller  

Ronny Habermann-Curie / 26.02.2018

Man kann es drehen und wenden wie man will, aber die Sicherheit im nahen Osten ist am stärksten durch die Türkei bedroht. Das feige Einknicken unserer Politiker vor der aggressiven Türkei ist beschämend. Unsere Presse müsste als moralisches Regulativ einspringen, aber versagt auch hier jämmerlich. Viele unserer selbsternannten Qualitäts-Journalisten würden bei einem militärischen Angriff der Türkei auf Israel noch von einer “berechtigten Reaktion auf israelische Provokationen” fabulieren und bei jüdischen Kriegsflüchtlingen, die in Deutschland Asyl suchen, würde sie ratzfatz Kritik an der Flüchtlingspolitik für angebracht halten.

Sebastian Weber / 26.02.2018

Verstehe ich das richtig? Die Kurden werden nun mit Waffen geschlagen, deren Lieferung die Bundesregierung genehmigt hat,  damit die Türkei den WELT-Journalisten Yücel aus der U-Haft entlässt, nachdem dieser sich mit einem PKK-Anführer getroffen hat um über die Angriffe der Türken auf die Kurden zu berichten?

Nicholas van Rijn / 26.02.2018

Verstehe ich jetzt nicht, Türkei ist doch NATO-Partner, oder?

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