Claudio Casula / 16.05.2024 / 14:00 / Foto: Imago / 90 / Seite ausdrucken

Deutsche Ficosophie

Ein politisch motiviertes Attentat auf den slowakischen Premier Robert Fico (Foto oben) ruft in Deutschland seltsame Reaktionen hervor. Teils weist man dem Opfer selbst die Schuld zu, teils der AfD. Was ist hier los?

Von fünf Schüssen getroffen, rang der slowakische Ministerpräsident Robert Fico in einem Operationssaal stundenlang um sein Leben, da meldete in Deutschland das Sturmgeschütz der Infamie, der Spiegel, er schwebe nach einem „mutmaßlichen Attentat“ in Lebensgefahr, so als hätte die Möglichkeit bestanden, dass Fico sich die Schusswunden selbst beigebracht und der festgenommene Attentäter sich aus Jux zu der Tat bekannt haben könnte. Jan Puhl, an der Hamburger Relotiusspitze stellvertretender Ressortleiter Ausland, wusste kurz danach zu berichten, dass „Fico das Klima in seinem Land mit vergiftet hat“. Damit war die Marschrichtung klar: Der slowakische Regierungschef ist umstritten und daher irgendwie selbst schuld, dass jemand auf ihn schoss.

Nun lässt sich Fico (ausgesprochen: „Fitsso“) nicht so leicht in eine der hierzulande so beliebten Schubladen stecken. 1987 trat der Jurist in die Kommunistische Partei ein, später gründete er die linkspopulistische Partei Smer – slovenská sociálna demokracia (Richtung – Slowakische Sozialdemokratie), deren Vorsitzender er auch ist. Brandmauern kennt Fico nicht, er koaliert pragmatisch mal mit Linken, mal mit Rechten und mal mit Liberalen – und gern auch mal gleichzeitig. Wie derzeit, in seiner – nach Unterbrechungen – vierten Amtszeit mit einem gemäßigt auftretenden linken Regierungspartner und einer kleinen rechtsnationalen Partei.

Ein Sozialdemokrat mit eigenem Kopf, der es ihm erlaubt, einerseits 2014 die EU-Linie gegen Russland nach der Annexion der Krim mit zu vertreten, die Sanktionen jedoch als „nutzlos und kontraproduktiv“ zu bezeichnen; die Ukraine zu unterstützen, jedoch nicht mit Waffen; und die neuen Migrationsregeln der EU ebenso abzulehnen wie den WHO-Pandemievertrag.

„Als rechts gelesen“

Auch mit Merkels "Macht-hoch-die-Tür-die-Tor‘-macht-weit“-Politik konnte Fico nichts anfangen („Zu den Pflichtquoten sage ich nein […] Ich möchte nicht einmal in diesem Land aufwachen und 50.000 Menschen hier haben, über die wir nichts wissen. Ich will keine Verantwortung für einen möglichen terroristischen Angriff tragen, nur weil wir etwas unterschätzt haben.“).

Das dürfte reichen, um auch als Sozialdemokrat von unseren simplifizierenden Linksschwätzern „als rechts gelesen“ zu werden, wie es heute so schön blöd heißt. Zumal er auch noch im Rahmen einer Reform die Auflösung des öffentlich-rechtlichen Radios und Fernsehens RTVS angepeilt hatte, was der mutmaßliche Attentäter Juraj Cintula, ein 71 Jahre alter Schriftsteller, als Motiv angegeben hat.

Angesichts dieser den gemeinen deutschen Analysten heillos überfordernden Gemengelage meinte unser Wirtschaftsminister und Vizekanzler Robert Habeck die Gelegenheit wenigstens dazu nutzen zu müssen, die AfD für das aufgeheizte politische Klima in der Slowakei verantwortlich zu machen, ohne sie beim Namen zu nennen. Im Bundestag sagte er wörtlich:

„…einer Partei, die nun auch gerichtlich ein gesicherter rechtsextremer Verdachtsfall ist. Der slowekische [sic!] Ministerpräsident Robert Fico ist gerade niedergeschossen worden, und ich sage das deswegen, weil wir wissen, dass aus Worten Taten folgen, und dass diese Taten dann meistens eine geistige Vorbereitung haben…“

Wo mag Slowekien liegen?

Wobei er Fico wie „Fiko“ aussprach. Der ominöse „slowekische“ Ministerpräsident Fico wiederum trägt geradezu baerbockeske Züge, offenbar handelt es sich hier um ein Hybrid zwischen Slowakei und Slowenien, ein neuer Staat, von dem man bisher nichts wusste. Aber davon mal abgesehen und auch von der Chuzpe, die „rechtsextreme“ AfD indirekt für das Attentat zu belangen, ist es doch interessant, wie Habeck es formuliert, „dass diese Taten dann meistens (!) eine geistige Vorbereitung haben…“

Meistens, also nicht immer. Nur dann, wenn es einen der eigenen Leute trifft, dann hat die AfD irgendwie mitgeschossen oder -geprügelt. Ist die AfD hingegen Zielscheibe tätlicher Angriffe – und das ist sie von allen Parteien am häufigsten –, hat also wieder mal jemand den „Kampf gegen rechts“ zu wörtlich genommen, redet man nicht darüber oder schiebt ihr selbst die „Verrohung des politischen Klimas“ in die Schuhe.

Es sollte sich von selbst verstehen, dass Gewalt in einer parlamentarischen Demokratie kein Mittel der Wahl sein darf, für niemanden. Die Opfer in Gut und Böse einzuteilen oder ihnen gar noch auf der Fahrt ins Krankenhaus ein „Selber schuld!“ hinterherzurufen, ist nicht nur schlechter Stil, es ist auch eines Demokraten unwürdig. Robert Habeck sollte schleunigst damit beginnen, seine eigenen Worte „mit Bedacht zu wählen“ und im Zweifel lieber schweigen. Ist für alle besser so.

 

Claudio Casula arbeitet als Autor, Redakteur und Lektor bei der Achse des Guten.

Foto: Imago

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Leserpost

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Fritz Kolb / 16.05.2024

Vor allem sollte Robert Habeck schleunigst damit beginnen, sich vom Acker zu machen. Dieser dilettantische, ideologisch verblendete Mensch gehört in keine Entscheidungsposition, gleich welcher Art. Und weil seine Führungsperson, der Bundeskanzler, mit diesem Amt heillos überfordert ist, kann er ohne jede Kontrolle weiter seine kruden Ansichten verbreiten. Zwei Menschen, die nach dem Peter Prinzip schon längst die Stufe ihrer Inkompetenz überschritten haben.

Sabine Lotus / 16.05.2024

Wenn ich das so richtig vernommen habe, ist der Täter doch “Aktivist und Schriftsteller”. Ist es demzufolge in Zukunft also erlaubt folgendes zu schreiben, zu schreien und auf Demoplakate zu drucken: “Aktivisten töten.”, eventuell sogar “Schriftsteller töten” ? Uiuiuiuiui. Ich frage natürlich nur für meinen Onkel Klaus.

Christiane Elisabeth Dornecker / 16.05.2024

Herr Habeck scheitert schon daran, den Namen von Herrn Fico korrekt auszusprechen. Das sagt ein wenig über die tatsächliche Betroffenheit aus. Man schaut, ob man hier politisches Kapital schlagen kann. Mehr ist das nicht. ich zitiere Herrn Habeck: “Diejenigen, die sich dem demokratischen Spektrum zugehörig fühlen, sollten ihre Worte „sorgsam wägen“. ..., „dass aus Worten Taten folgen und dass diese Taten dann meistens eine geistige Vorbereitung haben“. Warum macht man hier Einschränkungen? ALLE Bürger haben ihre Worte vernünftig zu wägen, egal aus welchem Spektrum sie kommen! Auch ein Herr Böhmermann, der gern Begriffe aus der Schweinemast, wie keulen, verwendet, oder von 10.000 “Arschgesichtern” philosophiert könnte sich dies einmal hinter den Spiegel stecken! Ist der Mann eigentlich auf dem Bauernhof groß geworden, da er sich auch mit der Sexualität von Ziegen gut auskennt?! Gilt dieser Anspruch von Hrn. Habeck auch für diese Leute? Nein, natürlich nicht! Das sind ja die guten Menschen, die können gar nichts falsch machen. Die können auch rhetorisch ohne Folgen im Rinnstein angeln. Immerhin für mindestens 700.000€ im Jahr! Mir fällt dazu immer sofort “Biedermann und die Brandstifter” ein. Für mich verkörpert Herr Böhmermann den Protagonisten aus dem Roman von Max Frisch in Perfektion! Der Hohepriester der Fäkalsprache! Wie dumm, dass der Attentäter, der auf Hrn. Fico geschossen hat, aus dem linken Spektrum kommt, da kann man das sattsam bekannte Narrativ: der “böse, böse Rechtsextreme” gar nicht weiter verfolgen und für eigene politische Zwecke instrumentalisieren. Angriffe der physischen Natur, kommen übrigens überproportional aus dem linksextremen Lager. Das hört man halt nicht so gerne. Es ist keineswegs so, dass die Wahrheit zuletzt stirbt, im Gegenteil, die Wahrheit stirbt zuerst!

Sabine Ehrke / 16.05.2024

Es ist von nationalen, sozialistischen Genossen nichts anderes zu erwarten. Das Ende der Fahnenstange für Deutschland ist noch lange nicht erreicht, denn sie wissen ganz genau, was sie tun. Auch wenn viele Leser immer noch glauben, die regierenden Genossen seien unwissend und intelligenzfern.

Thomas Hechinger / 16.05.2024

Ich überlege, ob man als politisch interessierter Mensch oder gar Politiker wissen muß, wie man den Namen Fico richtig ausspricht. Anfänglich wußte ich das auch nicht. Nun ist aber Robert Fico nicht erst seit vorgestern im Geschäft, sondern prägt die slowakische Politik seit Jahrzehnten. Der Politiker Fico ist eine Gestalt mit vielen Facetten und wird mit vielen Skandalen, die die slowakische Republik in der Vergangenheit erschüttert haben, in Zusammenhang gebracht, daß man seinen Namen schon einmal gehört haben sollte. Die beiden Roberts, der aus Deutschland und der aus der Slowakei, sind auch altersmäßig nicht weit auseinander. Da müßte der Robert aus Deutschland schon einmal vom Robert aus der Slowakei Kenntnis genommen haben, selbst wenn sie sich nie begegnet sind. Aber offenbar schirmt die grüne Glocke so gründlich gegen Wahrnehmungseindrücke aus nichtgrünen Bereichen ab, daß der Robert aus Deutschland tatsächlich nicht weiß, wie der aus der Slowakei richtig heißt. Ein Armutszeugnis.

Margarete Rausch / 16.05.2024

Habeck outet mehr und mehr seine völlig verwahrloste Persönlichkeit. Habeck hat „ mitgeschossen“.

Olaf Hüffner / 16.05.2024

Es sind keine seltsamen Reaktionen, sondern: Beißreflexe, also “instinktive, rhythmische Auf- und Abbewegungen des Unterkiefers bei menschlichen Säuglingen, die durch Stimulation der Kiefer ausgelöst werden und zu den Reflexen der Nahrungsaufnahme bei Kleinkindern gehören.” Tja, “Kinder an die Macht”!! Was Pawlow wohl dazu sagen würde? Im Übrigen: Stimmt es eigentlich, dass Herr Fico letztens seine Unterschrift unter den WHO-“Pandemievertrag” verweigert hatte?

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