Rainer Bonhorst / 11.07.2018 / 06:25 / Foto: Tim Maxeiner / 17 / Seite ausdrucken

Deutsch-amerikanische Grenz-Psychologie

Gerade aus New York zurückgekehrt, kann ich mir eine kleine grenzpsychologische Betrachtung nicht verkneifen. Ich finde den Kontrast zwischen der amerikanischen und der deutschen Auffassung von Grenzsicherung einfach zu faszinierend.

Nach Deutschland führt, wenn man nicht EU-Bürger ist, fast kein offizieller Weg zur dauerhaften Einreise. Offiziell sind wir groteskerweise immer noch kein Einwanderungsland. Da gibt es zwar diese halbherzige und zeitlich eng begrenzte Regelung für bestimmte Fachkräfte. Das ist es aber auch schon.

Umso breiter ist der Weg, der in das deutsche Asylwesen führt. Der Ankommende verliert aus später wirksamen prozesstaktischen Gründen seine Papiere, tritt an den Grenzbeamten heran und sagt das Zauberwort „Asyl“. Und schon ist er drin. Nun beginnt ein zweifacher Strang der Aktivitäten. Einerseits prüft der Staat, ob dem Asylsuchenden das Asyl zusteht. Im Gegenlauf versucht die von einem ganz bösen Mann namens Alexander Dobrindt so bezeichnete Abschiebungsverhinderungsindustrie, das dauerhafte Verbleiben des Probanten sicherzustellen. An dieser Konstellation ändert sich auch nach dem sogenannten Asylkompromiss kaum etwas.

Man sucht sich aus, wen man haben will

In die USA ist eine offizielle Einwanderung möglich, wenn auch sehr begrenzt. Man sucht sich aus, wen man haben will. Außerdem gibt es eine großzügige Verlosung von Green Cards, die jährlich 55.000 Gewinnern die Einwanderung und Arbeitserlaubnis bietet. Alle Achtung. Und dann ist da noch die illegale Einwanderung aus Mexiko. An dieser Grenze wird sich der Einwanderer allerdings hüten, mit guten Aussichten fröhlich „Asyl“ zu sagen. Er wird sich vielmehr aus Erfahrung wegducken und sich unter dem offiziellen Radar als Person ohne Papiere durchschlagen.

In beide Länder kann man natürlich als Urlauber einreisen. Und manche bleiben dann einfach. In Deutschland machen napoleonische Meldepflicht und Ausweiszwang das Bleiben ohne Dokumente schwerer als in Amerika, wo es keine Meldepflicht und keine Personalausweise gibt. Umso strenger wird der Urlauber an der Grenze beäugt. Und wer zu spät wieder ausreist, kommt so schnell nicht wieder rein.

Seit dem Terroranschlag auf das World Trade Center, muss der Urlauber vorab online einen Fragebogen ausfüllen, der gründlich geprüft wird. Kommt nach ein paar Tagen die grundsätzliche Genehmigung, die Einreise anzutreten, so ist das noch lange keine sichere Sache. Die Genehmigung ist unter Vorbehalt, und es wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass die endgültige Entscheidung der Grenzbeamte vor Ort trifft.

In Deutschland sperrangelweit offener Hintereingang

Der scannt nicht nur, wie bei uns, die Passdaten in ein zentrales Register ein. Dem Einreisenden werden außerdem elektronisch die Fingerabdrücke abgenommen. Daumen rechts, vier Finger rechts, Daumen links, vier Finger links. Danach nimmt eine Kamera seine Gesichtszüge auf. Dann gibt’s, wenn alles glatt geht, den Stempel.

Ich habe damit kein Problem und durfte bisher auch immer rein. Und weil ich im US-Computer offenbar gut vertreten bin, musste ich diesmal nur vier Fingerabdrücke der rechten Hand hinterlassen, was ich als Ehre und besonders herzliche Begrüßung empfand.

Warum also diese Schilderung, die ja viele aus eigener Erfahrung kennen? Weil diese Strenge bei der Grenzsicherung sogar gegenüber schlichten Urlaubern wunderbar den Kontrast zur Haltung der deutschen Politik in der Grenzfrage beschreibt. Und dieser Kontrast könnte größer nicht sein. In Amerika grundsätzliche Offenheit aber strikte Kontrolle. Bei uns grundsätzliche Zugeknöpftheit aber ein sperrangelweit offener Hintereingang.

Ein Horst Seehofer, der bei uns als harter Hund der Grenzüberwachung verdammt wird, würde in den USA als bayerisches Weichei belächelt werden. Und das nicht erst seit Donald Trump. Die scharfe Grenzüberwachung hat Tradition und ist nach dem elften September 2001 von George W. Bush noch verschärft worden, woran auch der liebe Barack Obama festgehalten hat. Und Trump hat inzwischen die Bewohner von sechs moslemischen Ländern ganz ausgesperrt, worum allerdings weiter juristisch gerungen wird.

Wer in Deutschland amerikanische Strenge fordern würde, wäre sofort aus der guten Gesellschaft der Blauäugigen ausgeschlossen und müsste sein Dasein als politisch Verdammter am frostigen Rand fristen. Auch ich will bei uns keineswegs für die amerikanische Strenge werben. Man kann ja alles übertreiben. Aber die derzeitige deutsche Grenzschluderei ist sicher eine heftige Übertreibung in die andere Richtung.

Irgendwo in der Mitte dieses amerikanisch-deutschen Kontrastprogramms könnte für uns die grenzpolitische Vernunft zu finden sein, wenn man sie denn suchen wollte. 

Foto: Tim Maxeiner

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HaJo Wolf / 11.07.2018

@H-P Klein: ab wieviel Jahren/Generationen haben denn Staaten das Recht, ihre Grenze zu verteidigen? Ihrer Argumentation folgend dürften die USA nichts verteidigen, nicht mal eine Grenze haben, denn die USA haben sich gebildet, indem sie Ureinwohnern das Land weg nahmen. Das ist grade mal rund 10 Generationen her. Weiter Ihrer Argumentation folgend, hätten wir - Veträge hin oder her - Anrecht auf die Gebiete jenseits der Oder/Neiße, denn dort haben Jahrhunderte lang Deutsche geherrscht, und eigentlich wäre Deutschland das Gebiet des Hl. Römischen Reiches Deutscher Nation, denn es existierte über 800 Jahre (962, wenn man die Ottonen als Startpunkt nimmt, bis 1806), Staaten wie BeNeLux oder Schweiz oder Österreich haben bei weitem keine so lange Historie aufzuweisen. Berechtigungen aus der Historie zu argumentieren, das ist stets ein glattes, brüchiges Terrain…

Thomas Raffelsieper / 11.07.2018

Ich selber bezeichne eine “liberale Einwanderungstheorie” deutschen “Vorbildes” als krank, die zur Folge hat, daß Juden in dieser unseren Gesellschaft definitiv keinerlei Zukunft mehr haben werden. In 30 Jahren wird es kein Judentum in Europa mehr geben. Aus Multikulti wird ganz rasch eine Monokulti. ANTISEMITISMUS heißt die deutsche zukünftige Kultur und eben nicht wie Kalergi sagt, eine “eurasisch-negroide Zukunftsrasse einer Mischkultur”. Die Libanisierung Deutschlands nimmt langsam Formen an. Irgendwann werden es auch die Katholiken merken, wenn sie wie im Libanon üblich die sonntägliche heilige Messe nur noch bewaffnet besuchen können.

Thomas Raffelsieper / 11.07.2018

Jochen Knödler: “Die deutsche Blut-und-Boden-Theorie einerseits und die Weltrettungsphantasie andererseits sind zwei Seiten der gleichen Medaille namens Moralismus”. Das ist aber fast allen Nationen unserer Welt keine Theorie sondern Grundlage ihrer Nation und ihrer Identität. Von China, Indien, Russland, Osteuropäer, Türkei, Asiaten und selbst Israel gilt “Blut und Boden” nicht als Theorie sondern als Recht. Nur gegen westeuropäische Völker wird dieses Recht als “Theorie” diffarmiert.  Ich habe noch nie davon gehört, daß Koreaner, Japaner oder Chinesen als Rassisten verleumdet werden, nur weil sie keine Muslime einwandern lassen. In ihren Gesellschaften gelten westeuropäische Nationen als krank.

Christa Blessing / 11.07.2018

In jedem der vielen afrikanischen Länder, die ich schon bereist habe, ist es genau wie in den USA: Alle zehn Finger werden registriert, ebenso Gesichtszüge/ Augen. Reist man mit den eigenen minderjährigen Kindern, muss man seit ein paar Jahren in etlichen Ländern sogar Geburtsurkunde (international gültiges Papier) und Trauschein vorweisen. Ca 10 Beamte sitzen z.B in Tansania in einer Reihe und beäugen den Pass kritisch, reichen ihn von Pult zu Pult weiter, bis man ihn schliesslich zurück erhält. Selbstverständlich nachdem man die Visumgebühr bezahlt hat. Ganz ähnlich funktionieren viele asiatische Staaten. Nur Deutschland und ein paar Nachbarstaaten funktioniert anders, bzw gar nicht. Da darf der Ankömmling - Asylant ohne Papiere -wählen, was er will. Folgendes Gespräch zwischen einem afrikanischen Migranten und einem Polizisten an einer deutsch/... Grenze, das ich beobachtet und gehört habe, ist kein Witz. Es ging so: Polizist: Sie haben keine Papiere. Sie müssen zurück. Dorthin. (Zeigt über die Grenze) Migrant schüttelt den Kopf. Sie wollen nicht? Aber Sie haben kein Aufenthaltsrecht hier. Migrant murmelt etwas. Sie müssen zurück. Sie wollen nicht?... So ging das eine ganze Weile. Ich dachte, mich laust der Affe. Da ich nicht länger gar so aufdringlich zuhören wollte, wandte ich mich zum Gehen. Als ich mich keine halbe Minute später nochmals umdrehte, war der Migrant weg - wie vom Erdboden verschluckt, und der Polizist lief seelenruhig alleine zu seinem Posten zurück. Offensichtlich unter “Polizeischutz” untergetaucht. Wieso kann jedes Entwicklungsland seine Grenzen kontrollieren, wieso können die USA, Kanada, das UK, Australien, Polen, Ungarn und, und, und…ihre Grenzen kontrollieren? Aber vor allem DE und ein paar andere Weicheier weigern sich, ihre Pflicht als Staat ordentlich zu erfüllen und lassen alle und jeden ein, ohne Papiere, ohne Identität, einfach mit dem billigen Wort “Asyl” auf den Lippen? Etwas Dümmeres und Gefährlicheres gibt es nicht.

Peter Meier-Bergfeld / 11.07.2018

Grenzenlosigkeit ist ein Symptom der Schizophrenie. Man hört Stimmen von außerhalb des Körpers, von jenseits der Grenzen. Und handelt danach. Die grenzenlose Zelle entartet zur Krebszelle. Prof Mag Meier-Bergfeld

Jochen Knödler / 11.07.2018

@ Hans Peter Klein Die Amerikaner kontrollieren ihre Grenzen zu Mexico, weil es die Grenzen ihres Landes sind. Es geht da nicht um Blut-und-Boden-Theorien sondern um Pragmatismus. Die USA würden ansonsten überrannt. Im ideologischen Deutschland hingegen ist geordnete Einwanderung kaum möglich, statt dessen meint man, die ganze Welt retten zu müssen. Die deutsche Blut-und-Boden-Theorie einerseits und die Weltrettungsphantasie andererseits sind zwei Seiten der gleichen Medaille namens Moralismus. Und das ist das Gegenteil von Pragmatismus.

Francesco Trotti / 11.07.2018

Einen kleinen Unterschied zwischen D und USA haben Sie aber auch vergessen(?). In den USA werden Eindringlinge nicht subventioniert und mit Geld, Wohnung, Bildung, fast kostenlosen Kindergärten, billigem Nahverkehr, kostenlosem Studium und was weiß ich noch alles versorgt. Tut man aber alles in Buntschland. Dafür arbeitet ja der Steuerzahler gern und viel und lang.

Hans-Peter Klein / 11.07.2018

Es gibt einen weiteren zentralen Unterschied zwischen USA und Germany: Die US-Amerikaner kontrollieren streng an der Grenze zu Mexiko. Aber mit welchem Recht eigentlich? Mit welchem Recht können sie Mexikanern den Zutritt verweigern, die dort auf ureigener, mexikanischer Heimaterde laufen? Heimaterde bis weit in prä-kolumbianische Zeiten. Jedenfalls im gesamten Südwesten von Kalifornien, über Arizona, New-Mexiko bis weite Teile Texas. Ganz anders bei uns: Der deutsche Boden hat eine über 1000-jährige Geschichte mit Ur-deutscher Bevölkerung. Es ist unser Naturrecht zu bestimmen, wen wir hier haben wollen und wen nicht. Warum unsere Regierung dieses Recht nicht in Anspruch nimmt, ist eine ganz andere (politische)  Frage. HPK

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