Thilo Sarrazin / 17.04.2019 / 06:28 / Foto: Achgut.com / 70 / Seite ausdrucken

Det is Ballin! Eine linke Utopie der Versager

Nach schwierigen Jahrzehnten legt die Wirtschaft in Berlin inzwischen kräftig zu. Die Start-up-Szene ist lebendig. Viele junge Leute zieht es in die Hauptstadt. Aber auch Menschen mit Geld kommen gerne und parken ihre Millionen in teuren und immer teurer werdenden Villen und Eigentumswohnungen. In guten Lagen übersteigen die Quadratmeterpreise immer öfter 10.000,- Euro. London, Paris und New York lassen grüßen. Junge Familien weichen immer öfter ins Umland aus, die Pendlerzüge werden voller, die Staus an den großen Einfallstraßen länger.

Viele Deutsche verlassen die Stadt, und ein großer Teil des Zuzugs der letzten Jahre entfiel seit 2015 auf die Fluchtmigranten. In vielen Stadtvierteln schreitet die ethnische Entmischung dramatisch voran. Deutsche, die es sich leisten können, verlassen die Migrantenviertel. Die wohlhabenden Rentner unter ihnen möchten nicht ständig auf Frauen in langen Gewändern und Kopftüchern schauen, die Kinderwagen schieben. Die jüngeren Deutschen, die selber Familien haben oder planen, wollen ihre Kinder nicht in Kindergärten und Schulen schicken, deren Leistungsprofil wegen des hohen und weiter wachsenden Migrantenanteils noch weit unter dem sonst üblichen schlechten Berliner Niveau liegt.  

So ist Berlin: Licht und Schatten mischen sich kräftig. Das Licht wird greller, und die Schatten werden schwärzer. Die Herausforderungen für eine in die Zukunft gerichtete, wache Stadtpolitik sind größer denn je und nehmen weiter zu. Aber die Kommunal- und Landespolitik (im Stadtstaat Berlin fließt beides ineinander) leistet sich eine Orgie der Selbstverzwergung und klatscht sich dabei selber noch Beifall.

Frank Henkel, der unfähigste Berliner Innensenator aller Zeiten

Die CDU, die unter den Regierenden Bürgermeistern Richard von Weizsäcker und Eberhard Diepgen bis 2001 zwanzig Jahre lang die Stadtpolitik beherrscht hatte, stellte von 2011 bis 2016 als Juniorpartner der SPD mit ihrem Vorsitzenden Frank Henkel den unfähigsten Berliner Innensenator aller Zeiten. Seine Nachfolgerin im Parteivorsitz, Monika Grütters, die den Mief entlüften und die Partei geistig erneuern wollte, warf vor wenigen Tagen das Handtuch, um ihrer absehbaren Niederlage gegen einen Konkurrenten aus dem Schrebergartenmilieu zu entgehen. Die CDU liegt in den Umfragen gegenwärtig bei 18 Prozent und hat keine wie auch immer geartete Machtperspektive.

Noch desaströser ist die Situation der Berliner SPD. Unter dem legendären Regierenden Bürgermeister Ernst Reuter hatten 1948 in der "Frontstadt Berlin" 65 Prozent der Wähler die SPD gewählt. Willy Brandt erzielte 1963 zwei Jahre nach dem Mauerbau 63 Prozent. Klaus Wowereit schaffte 2006 trotz (oder wegen) "Sparen bis es quietscht" noch 31 Prozent. Unter seinem Nachfolger, dem Regierenden Bürgermeister Michael Müller, liegt die SPD gegenwärtig bei 15 Prozent, und der Verlauf des jüngsten Landesparteitags am 30. März zeigt, dass da noch Potenzial nach unten ist.

Unter dem wehmütigen Blick eines ohnmächtigen Michael Müller beschloss der Landesparteitag mehrheitlich, künftig Vertretern von Militärorganisationen und damit auch den Jugendoffizieren der Bundeswehr den Zugang zu Berliner Schulen zu verwehren, um so dem Militarismus vorzubeugen. Wie jeder weiß, konnten Ernst Reuter und Willy Brandt nur in Berlin regieren, weil die Freiheit der Stadt durch amerikanisches, britisches und französisches Militär gesichert wurde. Ohne militärische Stärke wäre auch der Mauerfall nicht möglich gewesen. Offenbar sah sich Michael Müller nicht in der Lage, diese Basiserkenntnis den Delegierten des Parteitags zu vermitteln.

Da hilft nur noch eine „Lex Sarrazin“

Außerdem beschloss der Parteitag, in der Parteisatzung verschärfend klarzustellen, dass fremdenfeindliche und rassistische Äußerungen eines Parteimitglieds ein Ausschlussgrund sein können. Das war wohl als "Lex Sarrazin" gedacht, denn eine linke Funktionärs-Kamarilla möchte mich um jeden Preis aus der Partei entfernen. Da interessiert es gar nicht, dass ich mich niemals fremdenfeindlich oder rassistisch geäußert habe. Ob man solche kritischen Sätze schreiben darf, wie sie in dem ersten Absatz dieses Artikels stehen, ist für linke SPD-Funktionäre zu einer politischen Grundsatzfrage geworden, die sie durch meinen Ausschluss aus der SPD machtmäßig durchbuchstabieren wollen.

Seit Monaten wird in Berlin ein Volksbegehren diskutiert, wonach Eigentümer, die mehr als 3.000 Wohnungen besitzen – dazu zählen auch Kapitalgesellschaften –, enteignet werden sollen. Die Linkspartei, die gegenwärtig in den Umfragen bei 18 Prozent liegt, unterstützt das Vorhaben. Grüne und SPD haben sich noch nicht festgelegt, sympathisieren aber mit der Idee.

Michael Müller hat sich als SPD-Landesvorsitzender und Regierender Bürgermeister zwar gegen das Vorhaben ausgesprochen. Er traute sich aber nicht, auf dem letzten Landesparteitag darüber abstimmen zu lassen, also wurde die Entscheidung vertagt.

Daraus folgt: Die Funktionärskader, die die Berliner SPD gegenwärtig beherrschen, stehen nicht mehr auf dem Boden der sozialen Marktwirtschaft, sie geben sich einem illusionären Pazifismus hin, und der Regierungschef des Landes Berlin lässt sie aus Angst vor seinem persönlichen Machtverlust gewähren. Wie bringt es Michael Müller fertig, noch in den Spiegel zu schauen, ohne sich zu schämen?

Die Bürger bekommen, was sie bestellt haben

In Berlin steigen die Mieten, weil die Einkommen wachsen und der Zuzug stark ist. Die Linkspartei sammelt in diesem Umfeld Punkte, indem sie die Rückkehr zu den Verhältnissen in der ehemaligen DDR propagiert und privaten Wohnungsbau, wo immer es geht, behindert und verhindert. Sie tut dies aus der Regierung heraus, und Michael Müller lässt sie dabei gewähren.

Von alldem profitieren als Sonnenkinder die Grünen, sie liegen in den Umfragen bei 25 Prozent: Alles soll öko und gutmenschlich sein. Ihr neuestes Projekt: Aus dem Berliner Straßenbild sollen die Standbilder und Straßennamen von Generälen aller Art verschwinden, auch wenn sie einst in den Befreiungskriegen gegen Napoleon gekämpft haben.

Grüne, Linke und die SPD ergänzen sich in Berlin mit ihrer realitätsfernen Verrücktheit vorzüglich, und in der Summe haben sie auch Erfolg: Gemeinsam vereinen sie nach den aktuellen Umfragen 58 Prozent der Berliner Wählerstimmen auf sich. Merke: Die Bürger bekommen die Regierung, die sie als Wähler bestellt haben. Das gilt auch für Berlin.

Zuerst erschienen in der Zürcher Weltwoche

Siehe auch: Gunnar Schupelius in der BZ über Spaziergänger im Einstweiligen Ruhestand.

Foto: Achgut.com

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Sabine Schönfelder / 17.04.2019

Ballin, isn Dreggloch!! Ein Selbstbedienungsladen,- das deutsche Kleinkind, dem trotz seines miserablen, desaströsen Verhaltens von Mutter Staat jeder Wunsch von den Augen abgelesen wird. Berlin ist das Ergebnis hemmungsloser Gier, ungezügelter Selbstsucht, maßloser Kompromißbereitschaft bis zur Appeasementhaltung, ohne Verantwortung, Sinn und Ziel. Ein modernes Gomarra. Ein im Meer der Subventionen herumirrendes Schiff, voll mit bekloppten Kapitänen. Det is Ballin!

Klaus Reichert / 17.04.2019

Es ist die Idiokratie, welche auf dem Vormarsch ist. Das Schlimme ist, dass die gleichen Leute, verstärkt von willfährigen (öffentlich - rechtlichen) Medien, immer wieder die Themen setzen. Aktuell mit der Verstaatlichung von Wohnungen. Die Konservativen maulen anschließend halblaut, dass sie nicht soviel davon halten. Oder sie trauen sich noch nicht einmal dies, weil sie Angst vor der (ver)öffentlich(t)en Meinung haben, wie im Falle der Klimahysterie. Wenn sich das nicht ändert, dann setzt sich der selbstzerstörerische Prozess fort. Schwache Hoffnung auf AKK und Merz, dass sich das von oben her ändert, wenn die Königin (hoffentlich bald) erst einmal gestürzt ist. Konservativer Pragmatismus reicht völlig aus. Nationalkonservatives Drumherum im AfD - Stil braucht man gar nicht. Solch eine Politik wirkt sich dann auch auf die Länder aus.

Wolfgang Kaufmann / 17.04.2019

Berlin vereint die wehrflüchtigen Nichtsnutze der BRD und die iq-negativen Systemgewinnler der DDR. – “Mr. Trump, build this wall up.”

Thomas Weidner / 17.04.2019

“Die Bürger bekommen, was sie bestellt haben”. Das ist FALSCH (und damit muss ich mich auch selbst an die Nase fassen, weil auch diesen Satz benutze). RICHTIG ist, dass Manipulateure an einer Vielzahl von Schlüsselstellen durch Verfälschung der Tatsachen den Bürgern hirnwäschegleich eingeimpft haben, was letztere bestellen sollten!!!!!!!!!!! Diese Manipulateure müssen identifiziert und aus den Schlüsselstellen entfernt werden - sonst wird das ausgehen wie Hitlers Masterplan, der Rückwärtssieg bis zum Trümmerfeld. Die Werbung “Arie-OMO-weißer Zwerg wäscht im fünften Gang jede Wäsche turboweiß” hat auch jahrzehntelang funktioniert - was der Beweis für meine Behauptung ist.

Robert Jankowski / 17.04.2019

Der Wohnungsmarkt in den Großstädten war auch vor Herbst 2015 bereits angespannt. Wer heutzutage in den Großstädten nach bezahlbarem Wohnraum sucht, stößt auf Massen von Migranten mit Dringlichkeitsschein, den er selbst nicht bekommt. Wäre bereits 2015 ein, dem Zuzug angemessenes Wohnungsbauprogramm aufgelegt worden, hätte man die momentane Situation abmildern können. Aber die Deutschen hätten zu Recht gefragt, warum man für Migranten anfängt Wohnungen zu bauen und warum das vorher, für die steuerzahlenden Deutschen, nicht möglich war. Von den Kosten für diese Wohnungen für den Steuerzahler gar nicht zu reden. Die Konsequenz aus diesem vollkommenen planerischen Versagen gipfelt jetzt in der Forderung nach Enteigung. Sicherlich haben sich viele Gesellschaften auf Kosten der Mieter fett gemacht, aber der Staat und die Städte haben ja auch gerne ihr Tafelsilber verscherbelt. Mich erinnert die Forderung nach Enteigung an die aktuellen Verhältnisse in Südafrika oder Simbabwe. Für das völlige eigene Versagen wird einfach Jemand anderes verantwortlich gemacht. “Haltet den Dieb!”

Matthias Thiermann / 17.04.2019

Und in Deutschland haben 87% die “realitätsferne Verrücktheit“ gewählt. In Bayern sogar fast 90! Soviel zum “konservativen“ Musterland mit soo viel Herz, Hirn, Laptop und Lederhose.

S. Hamdy / 17.04.2019

Normalerweise ist Sezession ja etwas, was üblicherweise zu schweren Konflikten mit dem Rest eines Landes führt. Aber könnte man es nicht umgekehrt machen? Zu schade, dass man Berlin nicht aus dem Bund hinauswerfen kann. Ich war seinerzeit auch froh darüber, dass Berlin wieder Bundeshauptstadt wird, aber mittlerweile bin ich überzeugt, dass Bonn ein ganz prima Hauptstadt war/wäre. Dann könnten die Berliner ihre sozialistischen Experimente machen, ohne anderen auf der Tasche zu liegen (also, mehr als sonst). Derweil könnte man Berlin als letztes Aliment eine Mauer spendieren - denn die werden sie brauchen.

Johannes Schuster / 17.04.2019

Dieser Artikel lässt den sozialgeschichtlichen Überschlag vermissen. Deutschland pendelt seit 1919 zwischen (un)demokratischer Instabilität und Formen der Diktatur hin und her, es flattert förmlich in seiner Unfähigkeit sich selber als Staat vernünftig aufzustellen. Das liegt zum großen Teil an Erziehungsbedingungen und letztlich an gefühlskalten deutschen Müttern, die ungefestigte Kinder aus einem lieblosen Zusammenhang in eine lieblose deutsche Wirklichkeit stiften und daraus entsteht diese Dualität aus Anerkennungswunsch und dem Staat als erhofften Ersatzeltern.

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