Thilo Schneider / 18.02.2022 / 14:00 / Foto: Timo Raab / 61 / Seite ausdrucken

Des Glückes Blechschmidt

Der letzte Schrei beim „Aufstand der letzten Generation“: Die Aktivisten pappen sich mit Klebstoff auf Fahrbahnen fest, um den Verkehr zu blockieren. Für die einen Nötigung, für andere tolles Engagement.

12 Millionen Tonnen Lebensmittel werden allein in Deutschland jährlich weggeworfen. Über 20 Prozent des deutschen Verbrauchs von 54,5 Millionen Tonnen. Ganz schön viel, nicht wahr? Davon entfallen etwa 44 Prozent auf Obst und Gemüse. Weggeworfen wird das Essen wegen Transportschäden, unterbrochener Kühlketten, unsachgemäßer Lagerung und, leider, Überproduktion. Die Wegwerfer sind die Gastronomie, die privaten Haushalte und der Handel. 18 Millionen Tonnen wirft nur der Handel weg…   

Äh – Moment: in Deutschland werden 12 Millionen Tonnen Lebensmittel weggeworfen (2019), davon 18 Millionen (2020) nur im Handel? Wie geht das? Indem man zwei unterschiedliche Quellen aus zwei aufeinanderfolgenden Jahren nutzt und sich dann wundert, welche nun stimmt. Aber lassen wir schnöde Zahlen einmal beiseite: Fakt ist, es werden jede Menge Lebensmittel einfach weggeworfen. Nicht schön. Die landen beispielsweise bei Supermärkten dann in der Mülltonne, in den Privathaushalten im Kompost oder der Biotonne, in der Gastronomie in der Doggy-Box oder ebenfalls im Müll. Abgelaufene oder weggeworfene Lebensmittel aus den Tonnen bei EDKalidl & Co. aus der Mülltonne zu angeln, ist aber strafbar. 

Es ist also folglich logisch, dass sich vor allem junge Menschen dazu aufgerufen fühlen, hier regulierend tätig zu werden, und das Ansinnen ist ja auch edel: Weniger Vernichtung von Lebensmitteln, die „eigentlich“ noch „gut“ sind, vielmehr kostenlose oder preislich stark verringerte Abgabe an Bedürftigenorganisationen, Obdachlose oder sonstige, die es nicht so dicke haben und daher auch nicht dick werden können. Klingt gut? Klingt gut! Keine Frage. Ein edles Ansinnen.

Lassen wir einfach einmal die Frage, wer für aus abgelaufenen Lebensmitteln resultierende Vergiftungen die Haftung trägt, außer Acht. Fragen wir auch nicht nach, was die Rettung der genannten Lebensmittel an Logistik fordert und wer die Kosten dafür übernimmt. Ignorieren wir, dass wir die, die wir damit füttern wollen, hierdurch auch noch subtil demütigen. Das Gesinde bekam früher schließlich auch die Essensreste von den Tafeln der Könige und Fürsten. Da wurden auch keine Lebensmittel verschwendet. Tun wir einfach einmal so, als gäbe es jede Menge engagierte junge Leute und Supermärkte, die ihnen die Lebensmittel an der Hintertür des Kühlhauses hübsch verpackt zur Verfügung und dafür keine Fragen stellen. Ja, dafür ließe sich gar kräftig, medienwirksam und moralisch hehr demonstrieren.

Elfmal „Sie tun mir weh!“

Genau das hat sich nun eine Gruppe junger Nötiger – im Fachjargon: „Aktivisten“ – auch gedacht und klebt sich wechselseitig (Stand heute) nun schon das dritte Mal auf Autobahnen fest. Gelegentlich kippen die Buben und Mädchen auch noch Lebensmittel dazu, um das Ganze optisch etwas aufzuhübschen. Daneben halten sie zur Freude der Presse und zum Ärger der Idioten, die den Wohlstand, den die Kiddies verachten, erwirtschaften, engagierte Spruchbänder vor sich. Steigt dann ein Werktätiger aus dem Auto, weil er Besseres zu tun hat, als zu warten, bis die Kasper auf der Autobahn endlich erwachsen geworden sind, und entfernt die Blagen, dann ist das Geschrei und das Gejammer von wegen „Willkür“ und „Gewalt“ bei den „Aktivisten“ natürlich groß. Sie haben es ja nur gut gemeint.

Werden sie von der Polizei mit Klebstoffentferner weggetragen, weil „Selbstjustiz“ nach wie vor verboten ist, dann wird selbstverständlich ebenfalls medienwirksam geheult und „11 mal gesagt, Sie tun mir weh!“. Und gleich wieder angedroht, morgen genau das Gleiche wieder zu machen. So lange, bis Olaf Scholz endlich was macht. Das hat nämlich schon mal funktioniert. Und funktioniert mutmaßlich, seit sich die engagierten jungen Menschen im Supermarkt vor die Kasse geworfen und gebrüllt haben, weil sie keine Kaugummis gekauft bekamen. Die meisten der Autobahnhocker und Asphaltankleber sind übrigens überwiegend die Gleichen, die mittels abgebrochener Hungerstreiks unter dem Hashtag #letzteGeneration ein Treffen mit Olaf Scholz erzwungen haben. O hätte er doch… Egal. Diese Formen der Nötigung bezeichnet beispielsweise das immergrüne Erste als „zivilen Ungehorsam“.

Schauen wir uns diese hoffentlich wirklich allerletzte Generation einmal genauer an: Die Masken sind allesamt keine Massenware. Da klebt das Logo von „Aufstand der letzten Generation“ drauf. Solche Masken gibt es nicht einfach für lau im Copy-Shop. Aber für 2,50 Euro aus dem Letzten Generationsshop. Falls Sie morgen auch mal ohne Auto auf die Autobahn wollen. Wo kommt also das Geld für die derart schwer engagierten jungen Menschen her? Man sollte meinen, dass Studenten nicht über Endlos-Budgets verfügen – erst recht nicht, wenn sie tagsüber auf Autobahnen statt im Hörsaal sitzen. Zum einen kommen die bunten Gelder sicher über Spenden. Das geht heute via Internet ganz fix, wie sie selbst auf der Seite Aufstand der letzten Generation werben.

Vom „Schweinestaat“ eine Nacht eingebuchtet

Dort sind die ganzen Ängstlichen und Verzweifelten und trotzdem Mutigen und anständigen Aufständischen unter „Wer wir sind“ zu bewundern. Und geben ihre verzweifelten Nötigungslagen und deren Begründungen preis. Bei den 25 Aktivistentexten lässt sich satte 13-mal das Wort „Angst“ in den Begründungen finden. Die psychologische Auswertung überlasse ich lieber Leuten, die das Fach zu Ende studiert haben. Für das Impressum zeichnet ein gewisser Dr. Ingo Blechschmidt aus Augsburg die Verantwortung, der sich aber bei den Angsthäschen nicht hat ablichten lassen. Ingo ist kein Unbekannter. Er klagt beispielsweise gegen die Stadt Augsburg, weil diese herzlosen Bürokraten ihn aufs Fahrrad gezwungen haben, wo er sich doch lieber von der Autobahn hätte abseilen wollen. Autobahnen scheinen auf die „Aktivisten“ eine krankhafte Faszination auszuüben.

Ingo hat auch schon als Erwachsener auf Bäumen gesessen und ist auch sonst ein ziemlich rührender und rühriger „Aktivist“. So zeichnet er auch für die Impressen von fff Augsburg oder der Schwesterorganisation Augsburg handelt. Er ist zwar eigentlich Mathematik-Dozent an der Universität Padua, aber wenn er da nicht gerade herumdoktert, dann sitzt er gerne auch mal 100 Tage im „Klimacamp“ neben dem Augsburger Rathaus. Eigentlich hätte er auch gegen die IAA demonstrieren wollen, aber nachdem er einst schon vom „Schweinestaat“ eine Nacht eingebuchtet wurde (warum eigentlich nur eine Nacht?), hat er sich das lieber noch einmal überlegt und es sein gelassen. Man muss auch mal die anderen ranlassen können. Dass er mit den Grünen in Augsburg zumindest gut verzahnt ist, muss wohl nicht extra erwähnt werden. Ich mache es aber doch.

Geht es also bei den ganzen hehren Aktionen tatsächlich um Umweltschutz oder #EssenrettenLebenretten? Oder geht es hier vielmehr darum, die eigene Agenda gewaltsam und brachial unter verschiedenen Organisationsdeckmäntelchen und ohne Rücksicht auf andere durchzusetzen? Eben wie damals im Supermarkt? Dabei wäre es doch möglicherweise so einfach, das Klima zu retten: Einfach mal die Luft anhalten. Ganz lange. Machen Sie jetzt den Faktencheck. Wenn Sie nicht ängstlich sind. Manchmal genügt dazu auch „eine Nacht in der Zelle“ …

P.S. Die selbsterklärten Essens-, Lebens- und Weltretter haben beschlossen, die Daumenschrauben noch etwas anzuziehen. Am 16. Februar erklären die Retter der Tafelrunde ein Ultimatum: Wenn sich die Politik nicht bis zum Sonntag, dem 20.02.22 zu den Forderungen der Autobahnkleber „verlässlich und überprüfbar erklärt“, dann werde man „zusätzlich anfällige Infrastruktur in diesem Land stören“. So sieht also Terrorismus im Geburtsstadium aus.

(Weitere Essensreste des Autors gibt´s unter www.politticker.de)  

 

Von Thilo Schneider ist in der Achgut-Edition erschienen: The Dark Side of the Mittelschicht, Achgut-Edition, 224 Seiten, 22 Euro.

Foto: Timo Raab

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Leserpost

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Klaus Keller / 18.02.2022

Wenn Aktivisten an der Straße kleben könnte man die doch für ein paar Tage sperren und bei dieser Gelegenheit die angefallenen Schäden beseitigen. Zum Hungerstreik eine Anmerkung. Ein Suizid ist nicht grundsätzlich strafbar. Auch der Versuch nicht. Ich habe im Rechtskundeunterricht in der Krpfl-Schule einer Psychiatrie gelernt das man bei einem Patienten erst eingreifen muss, wenn der Patient bewusstlos wird. Die Überlegung dabei ist, er könnte es sich anders überlegt haben, dies aber nicht mehr umsetzten. Man muss dann im Sinne des Lebensschutzes handeln. Das wären dann auch keine Zwangsmaßnahmen im eigentlichen Sinn da die Person ja handlungsunfähig ist. Eine Körperverletzung wäre es schon wenn man z.B. den Zugang für eine Infusion legt. Das Problem bei diesem vorgehen ist eher die Reaktion der Öffentlichkeit. Oder noch genauer, die veröffentlichte Meinung.

Charles Brûler / 18.02.2022

Da diese Leute offensichtlich nicht arbeiten müssen und von dem Geld der anderen Leben, würde ich vorschlagen sie auf der Straße oder am Rand in diesem Zustand zu verewigen

dina weis / 18.02.2022

Ein Artikel kann kritisch sein, aber nicht hetzerisch, sonst macht er sich gemein mit anderen Hetzern. @U. Unger Ich mache mir einen Aufkleber auf die Motorhaube. ” Bremse nicht für Aktivisten! “Welche meinen Sie genau? Coronakritiker sind auch Aktivisten. @W.Geiselhart “Die gehören zur selben Klientel, die Plastikverpackungen verbieten wollen”. Sie haben schon mitgekriegt, dass wir in Plastik ersticken, die Weltmeere voll davon sind und die Stoffe jedes Kleinkind bereits im Blut hat?....Es gab auch ein Leben vor Plastik, Dreck immunisiert auch, nicht umsonst sind Bauernhofkinder gesünder, als die Allergikerfraktion in der Stadt. Ich kaufe immer Plastikfrei, wenn es geht.

Dr. Jäger / 18.02.2022

@sarah lange, keine gute Idee. Da sind schnell Knüppel, Pfefferspray und Wasserwerfer im Einsatz. Für uns Nichtlinke ist die Polizei mittlerweile “dein Feind und Schläger” , kannte mein Opa auch….

Ralf.Michael / 18.02.2022

Einfach mal NICHTS tun ! 24 Stunden (noch besser 48 Stunden) isolieren, ignorieren und den Verkehr einfach umleiten. Ohne Publikum ohne Wahrnehmung von der Medien-Mafia herrscht da ganz schnell absolute Ratlosigkeit und grüner Schaum aus dem Mund wegen dem Frust ! Ein Tankwagen mit Gülle wäre da nur noch das berühmte I-Tüpfelchen…...Dann wird Publicity erst richtig zur Reality-Show…..

j. heini / 18.02.2022

“Für die einen Nötigung, für andere tolles Engagement.” Tja, das Bundesverfassungsgericht hat sich auf die Seite “tolles Engagement” gestellt. Damals bei Atomkraft Nein Danke. Meinungs- und Versammlungsfreiheit ohne Grenzen. Straftatbestände? Was ist das in diesem Zusammenhang. Völlig egal, ob Sachbeschädigung, Nötigung. Falsche Grenzziehung.

S.Schleizer / 18.02.2022

StGB § 105 “Nötigung von Verfassungsorganen” scheint wohl auch durch das Gutebundeshygienegrundmaßnahmengesetz außer Kraft gesetzt zu sein. Oder ich habe es in der Vorlesung falsch verstanden ...kann natürlich auch sein. Ach so, bevor ich es vergesse: Ich will nicht mit solchen Klebtstoffschnüfflern in einem Land leben.

Karsten Dörre / 18.02.2022

„zusätzlich anfällige Infrastruktur in diesem Land stören“ - Solch Drohung ist schon deshalb albern, weil die Politik selbst mit Atomausstieg, Zappelstromphilosophie, Corona-Ausnahmezuständen und Quarantäne-Aktionismus die Infrastruktur in diesem Land erfolgreich stört.

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