Interview / 12.10.2021 / 06:25 / Foto: Thomas Bresson / 59 / Seite ausdrucken

„Der Zweck ist Einschüchterung aller anderen“

Die Website cancelculture.de sammelt seit 2020 einschlägige Fälle des Verbannens unliebsamer Meinungen aus dem deutschsprachigen Raum. Thilo Spahl sprach mit Karo Voormann, Gründerin des Projektes.

Thilo Spahl: Karo, du machst seit einem guten halben Jahr für das Freiblickinstitut die Website cancelculture.de. Warum?

Karo Voormann: Die Seite ist eine Art öffentliche Sammlung, aus der sich dann für jeden nachvollziehbar ein Bild des Phänomens ergibt. Auch für uns, die wir das Ganze ins Leben gerufen haben und nun einigermaßen fleißig befüllen. Dabei geht es uns nicht um die „Opfer“, sondern um die Kultur.

Du meinst die „angeblichen Opfer“, die in Wirklichkeit ja nur davon profitieren.

Genau. Als die Kritik an der Cancel Culture in Deutschland ein wenig lauter wurde, kam ja schnell die Reaktion, das sei alles nur Gejammer von irgendwelchen „Rechten“ und schon deshalb nur ein Phantom, weil Dieter Nuhr immer noch munter im Fernsehen auftritt und Lisa Eckhart ihren Roman nach der Absage in Hamburg wahrscheinlich viel besser verkauft als ohne sie. Das stimmt ja auch. Aber es zeigt nur, dass es einige wenige gibt, die die Angriffe gut aushalten können.

Das Freiblickinstitut ist ja eher eine linksliberale Einrichtung. Warum verteidigt ihr Rassisten und Sexisten?

Wir verteidigen niemand. Wir dokumentieren eine Kultur, die uns allen schadet. Der Kampf für Meinungsfreiheit ist ein klassisch linkes Thema. Dass heute Leute, die sich selbst links nennen, glauben, sie würden mit Zensur und der Unterdrückung unliebsamer Meinungen für die Demokratie kämpfen, ist schon ziemlich grotesk. Demokratie lebt von offenen und vor allem kontroversen Debatten, nicht von Orthodoxie und ängstlichem Konformismus.

Kannst du das Canceln mal grob beschreiben? Was ist damit gemeint?

Typischerweise geht das so: Einer schreibt etwas auf Twitter oder in einem Artikel, was gegen ihn ausgelegt werden kann. Und jemand anderes startet dann eine Empörungskampagne, in der Konsequenzen gefordert werden. Das ist oft genug erfolgreich und manchmal auch nicht. Bei cancelculture.de bringen wir aber auch vieles andere. Grob gesagt alles, was darauf zielt, die freie Meinungsäußerung zu behindern.

„Der Zweck ist Einschüchterung aller anderen“

Es muss also nicht immer ein Angriff auf die Person sein?

Nicht unbedingt. Meistens ist es das direkt oder indirekt aber schon. Es geht uns nicht darum, Opfer zu präsentieren. Die einzelnen Menschen, die in unserer langen Liste stehen, sind sozusagen Kristallisationskeime, an denen sich diese Unkultur manifestiert. Sie sind Beispiele. Und zwar im wahrsten Sinne des Wortes. Denn Cancel Culture wirkt vor allem dadurch, dass sie Exempel statuiert. Der einzelne Betroffene unter Beschuss ist nur Mittel zum Zweck. Der Zweck ist Einschüchterung aller anderen. Es geht darum, ein Klima des Konformismus und der Selbstzensur zu erzeugen und zu pflegen. Das Zielobjekt soll eingeschüchtert werden und in Zukunft besser die Klappe halten. Und mit ihm soll unzähligen anderen eine Botschaft gesendet werden.

Die die meisten offenbar gut verstehen.

Ja, es geht darum, Abweichler von einer militant verfochtenen Orthodoxie zu stigmatisieren und einzuschüchtern.

Klingt brutal. Und nicht gerade tolerant.

Teilweise ist es wirklich brutal. Wir nehmen auch körperliche Angriffe auf, etwa wenn Boulevard-Journalisten das Auto angezündet wird oder Demonstranten tätlich angegriffen werden. In der Regel ist das Ziel aber Rufschädigung durch öffentliches Anprangern. Und ja, es ist genau das Gegenteil von tolerant. Das ist aber kein Problem für die Kanzellanten, da sie die Bedeutung des Begriffs schon erfolgreich ins Gegenteil verkehrt haben.

Was sind die Themen?

Es geht eigentlich immer um „Ismen“ und Phobien: Rassismus, Sexismus, Antifeminismus, Nationalismus, Ableismus, Islamophobie, Transphobie, Xenophobie, Homophobie. Und wenn es dafür nicht reicht, um Verharmlosung: also Rassismusverharmlosung, Virusverharmlosung, Sexismusverharmlosung. Oder Leugnung: Klimaleugner, Coronaleugner.

Gibt es auch Cancel Culture von rechts?

Klar gibt es auch Angriffe von rechts. Aber die haben eine ganz andere Bedeutung. Was passiert, wenn irgendein AfD-Typ fordert, du sollst Deinen Job verlieren?

Du wirst befördert.

Genau. Also, vielleicht manchmal. Auf jeden Fall kann man nicht behaupten, dass wir alle die ganze Zeit vor uns hinmurmeln: „Nicht vergessen, Karo! Auf keinen Fall auf Twitter etwas schreiben, was alte weiße Männer als Beleidigung ansehen könnten.“

„Demokratie lebt von offenen und vor allem kontroversen Debatten“

Es gab so ein paar Fälle von Cancel Culture auf der Gegenfahrbahn. Zum Beispiel die „Oma ist ’ne alte Umweltsau“-Geschichte. Aber ich glaube, da wurden keine Karrieren zerstört.

Wir suchen auch nach solchen Fällen, wo „Linke“ betroffen sind, da wir ja auch zeigen wollen, dass Cancel Culture für alle ein Problem ist, egal, wo man politisch steht. Aber es scheint schon so zu sein, dass es Leute, die sich selbst als links sehen, deutlich weniger trifft. Hengameh Yaghoobifarah haben wir aufgenommen, nachdem sie sich einen Shitstorm und zumindest die angedrohte Seehofer-Anzeige für ihre „Polizisten auf den Müll“-Geschichte in der taz eingehandelt hat. Aber der Karriere abträglich war das ja eben nicht.

Nö, hat ihr sogar noch einen Nebenjob als Luxusgüter-Model beim KaDeWe eingebracht.

Allerdings nicht wegen ihres Artikels, sondern weil sie halt nicht so toll aussieht. (Eigentlich müsste ich, glaube ich, sagen „aussehen“, weil Yaghoobifarah das Pronomen „they“ für sich wünscht, aber das würde dann ja jeder für einen Tippfehler halten.)

Apropos Luxuskaufhaus: Wäre vielleicht auch mal interessant, die Rolle der Reichen und Mächtigen bei der Cancel Culture zu beleuchten … Oder ist das insgesamt eher so ein Mittelschichtsding?

Ich glaube, es ist vor allem ein Minderheitending.

Ähm, ja, also … Du meinst jetzt diskriminierte Minderheiten?

Nein. Ich meine, dass es eine kleine Gruppe von Menschen ist, die die ganze Maschine am Laufen hält. Die die ganze Empörungsarbeit machen. Und das sind eben keine Linken im klassischen Sinne, sondern Wokisten. Was für die gilt, hat Bernd Stegemann sehr deutlich formuliert, als er daran erinnerte, dass Moral ein Mittel der Unterdrückung ist, und schrieb: „‚Woke‘ verfolgt eine moralistisch-regressive Politik, die mit links gar nichts zu tun hat. Sie hat ein reaktionäres Menschenbild und betreibt eine reaktionäre Politik.“

Nochmal zu Yaghoobifarah. Es war doch bei ihr ein bisschen wie bei Lisa Eckhart, nämlich insgesamt eher gut fürs Geschäft, oder?

Ja, das kann man so sehen. Aber die beiden sind nicht unbedingt typisch. Sie gehören zu einer kleinen Gruppe, deren Geschäftsmodell Provokation umfasst. Die können in der Tat von der Cancel Culture profitieren. Die leben vom Gegenwind. Aber damit sind sie eben die Ausnahme.

„Ausgestattet mit der Lizenz zur Empörung“

Im Personenverzeichnis von cancelculture.de findet man vor allem Namen, die man nicht kennt.

Sagen wir mal: die viele nicht kennen. Die meisten sind schon ein bisschen in der Öffentlichkeit, sonst hätten wir gar nichts von ihnen erfahren. Du musst aber kein Promi sein, um wegen einer unliebsamen Meinungsäußerung öffentlich angegangen zu werden. Und die Quote derer, die das unbeschadet überstehen, ist wirklich nicht groß. Ich habe von den weit über 200 Personen, deren Fälle wir bisher dokumentiert haben, die allermeisten vorher nicht gekannt. Ich habe das mal grob in Kategorien aufgeteilt. Wir haben, nach Häufigkeit geordnet, Journalisten/Publizisten, Wissenschaftler, Künstler, Politiker, Aktivisten, Schauspieler/Moderatoren, Sportler, Musiker, normale Leute, Beamte, Unternehmer/Manager und Geistliche.

Was sind „normale Leute“?

Solche, die vorher keinerlei Öffentlichkeit gehabt haben und zum Beispiel etwas auf Facebook gepostet haben, was hinterher von „Rechten“ verbreitet wurde.

Und woher habt ihr die Infos zu den Fällen?

Vor allem aus den Medien. Wir können ja nur die aufnehmen, die auch irgendwo beschrieben sind und von denen ich etwas mitbekomme, weil sie über ein paar Google Alerts oder Leserzuschriften bei mir aufschlagen. Insofern ist das nur ein kleiner Ausschnitt. Aber ich glaube, er gibt das Spektrum ganz gut wieder. Wer auf cancelculture.de ein bisschen schmökert, bekommt schon einen guten Eindruck vom Zustand der Meinungsfreiheit in unserem Land.

Betrachtet ihr nur Deutschland?

Hauptsächlich – und noch ein bisschen Österreich und Schweiz.

Was gehört für dich alles zu Cancel Culture?

Es geht um ein Klima, das geschaffen wird und das von Einschüchterung, Mitläufertum und Selbstzensur geprägt ist. Cancel Culture wird zwar von ein paar eifrigen Aktivisten angetrieben, aber sie sickert überall ein. Erstens werden Tabuthemen definiert, zweitens wird die öffentliche Debatte durch ein kleines Heer von Freiwilligen überwacht, die mit der Lizenz zur Empörung ausgestattet sind. Drittens halten viele von denen, die einmal einen Shitstorm abbekommen haben, hinterher lieber den Mund. Viertens lernt das ganze Volk, was man sagen darf und was nicht.

Das ganze Volk?

Naja, alle, die sich öffentlich äußern. Und das sind schon eine Menge. Das fängt beim privaten Facebook-Post an, geht beim Elternabend, im Verein oder am Arbeitsplatz weiter und wird so richtig existenziell, wenn man Journalist, Professor, Lehrer, Politiker, Schauspieler, Sportler und so weiter ist, also mit dem, was man sagt, ein paar mehr Leute erreicht. Dann muss man inzwischen genau aufpassen, was man sagt. Auch weil man natürlich eher berufliche Konsequenzen zu befürchten hat als zum Beispiel ein Malermeister.

„Du musst kein Promi sein, um öffentlich angegangen zu werden.“

Und man muss sich gewissermaßen ständig weiterbilden, um auf dem Laufenden zu sein, was noch geht und was inzwischen schon nicht mehr opportun ist.

Genau. Und ich war noch nicht fertig. Fünftens werden parastaatliche Zensurapparate eingerichtet, die in den sozialen Medien alles sperren und löschen, wozu sie gerade Lust haben. Sechstens werden in großen Unternehmen und Behörden Regelwerke für politisch korrektes Verhalten und Sprechen erarbeitet und über die PR-Abteilungen als Nachweis der besonderen Fortschrittlichkeit verbreitet.

Glaubst du, das funktioniert? Glaubst du, Audi verkauft mehr Autos, weil die Mitarbeiter sich jetzt nicht mehr Audianer, sondern Audianer_innen nennen sollen?

Nein. Aber nicht allen im Unternehmen geht es darum, mehr Autos zu verkaufen. Manche haben ganz andere Ziele. Die wollen zum Beispiel einen „Personalmanagement Award für besondere Leistungen im Diversity Management“ gewinnen. Der Leitfaden für gendergerechte Sprache bei Audi heißt übrigens „Vorsprung beginnt im Kopf“ und klingt wie der Versuch, die Nachfolge des berühmten Claims „Vorsprung durch Technik“ anzutreten, der im Januar seinen 50. Geburtstag feiern konnte und daher wahrscheinlich inzwischen als alter weißer Mann gilt. Noch hat man ihn nicht fallen gelassen, aber immerhin durch „Future is an Attitude“ ergänzt, was ja auch schon andeutet, dass es immer mehr um die richtige Haltung geht.

Bei Audianer fällt mir jetzt spontan Indianer ein. Kommen die auf der Website vor?

Moment. Muss ich mal schauen. Wir haben ja leider keine Suchfunktion. Ist nur so ’ne kostenlose Wordpress-Seite, weil wir kein Geld haben.

Soll ich zu Spenden aufrufen?

Das wollte ich damit andeuten. Cancelculture.de ist ein rein ehrenamtliches Projekt im Dienste einer guten Sache.

Und, kommt das Wort „Indianer“ vor?

Ja, sogar zweimal. Einmal weil die TV-Moderatorin Annemarie Carpendale unbedachterweise auf Instagram ein Rosenmontagsfamilienfoto postete, auf dem sie im Indianerkostüm zu sehen ist. Offenbar war ihr nicht bekannt, dass laut der Deutschen Gesellschaft amerikanischer Ureinwohner (Native American Association of Germany) auch hierzulande gelten soll: „Native American ist eine Kultur – kein Kostüm.“

Dabei sollte sich doch eigentlich inzwischen herumgesprochen haben, dass mit „kultureller Aneignung“ nicht zu spaßen ist.

Und noch einmal, weil eine deutsche Schauspielerin sich beklagt, dass in der deutschen Synchronisierung von „Kevin – allein in New York“ das N-Wort und das I-Wort vorkomme. Zitat: „Das ist an Ignoranz und Respektlosigkeit gegenüber indigenen und schwarzen Menschen gar nicht zu übertreffen.“ Netflix hat dann natürlich sofort versprochen, die Synchronisierung zu ändern. Und 7.543 Likes hat es ihr auch noch eingebracht.

Beschimpfung einer südkoreanischen Megaboygroup

Okay, wieder etwas gelernt. Ich hätte mir unter einem „Ih-Wort“ bisher etwas wie „Pfui“ vorgestellt.

Ist ja gar nicht so falsch. Pfui ist, was man nicht in den Mund nehmen sollte.

Was sind sonst noch Themen?

Also N-Wort eher selten. Aber Rassismus insgesamt natürlich schon.

Wie zum Beispiel?

Zum Beispiel in Gestalt einer Beschimpfung der südkoreanischen Megaboygroup mit Namen BTS.

Was genau hat sich zugetragen?

Der Bayern3-Moderator Matthias Matuschik beleidigt in seiner Radiosendung die Band. Er nennt sie unter anderem „kleine Pisser“ und bezeichnet sie als „irgendein scheiß Virus, wogegen es hoffentlich bald ebenfalls eine Impfung gibt“. Was er offenbar nicht bedenkt …

… wahrscheinlich, weil er das Critical-Wokeness-Training geschwänzt hat …

Was er nicht bedenkt, ist, dass die Jungs zig Millionen Fans haben, die sie vergöttern. Oder er weiß es natürlich, aber denkt sich: Dann werden die es vielleicht verkraften, wenn mal ein kleiner bayerischer Radiomoderator sie scheiße findet und das im Radio sagt, weil es sein Job ist, mit einer launischen Radioshow zu unterhalten. Und so ist es auch. Es ist den Jungs in Korea natürlich piepegal. Die würden sagen: Ob der Herr Matuschik uns für „Pisser“ hält oder in Bayern ein Sack Kartoffeln umfällt, was kümmert’s uns! Und dann könnte doch auch der Herr Matuschik sagen: Leute, was soll die Aufregung?

Das darf er aber nicht sagen.

Nein, darf er nicht. Weil nämlich auf Twitter längst Hashtag #Bayern3Racist trendet. Stattdessen muss er sagen, dass er einen großen Fehler gemacht hat, dass er akzeptiert, „dass ich viele von euch, insbesondere die asiatische Community, durch meine Worte rassistisch beleidigt haben könnte“. Dass er aber daraus lernen wird und dass er sich immer „sehr gegen rechte Umtriebe und für Schutzsuchende eingesetzt“ hat. Und der Sender muss sich natürlich auch entschuldigen …

Und sicherstellen, dass in Zukunft keiner der Angestellten mehr die entsprechenden Weiterbildungsmaßnahmen schwänzt.

Zitat: „Wir werden mit Matthias und dem ganzen Team das Thema ausführlich aufarbeiten und dafür Sorge tragen, dass solche gravierenden Fehler zukünftig nicht mehr passieren.“

„Falsches Medium. Also Kontaktschuld.“

Wer Matuschik Rassismus unterstellt, nur weil er eine Band „hatet“, könnte, wenn er genau hinhört, neben Rassismus auch noch „Coronaverharmlosung“ feststellen. Er hat in unernster Art und Weise über ein Virus geredet.

Jep, kommt strafverschärfend hinzu. Ich glaube, es ist auch ziemlich klar, dass der Mann kein Rassist ist. Und das gilt für fast alle, die heute wegen solcher Sachen beschuldigt werden. Man bezeichnet dieses Phänomen als „concept creep“: Weil du echten Rassismus nur noch ziemlich selten findest, wird das Konzept immer weiter ausgedehnt. Früher warst du Rassist, wenn du gesagt hast: „Wir wollen hier keine dreckigen N*.“ Und Leute, die so etwas denken und sagen, sind ja auch Rassisten. Heute bist du Rassist, wenn du als Sportreporter über einen japanischen Fußballspieler sagst: „Es wäre sein erster Treffer für 96 gewesen. Den letzten hat er im Land der Sushis geschossen.“ Dafür ist Jörg Dahlmann bei Sky rausgeflogen.

Den Matthias Matuschik darf man nicht verwechseln mit dem Matthias Matussek.

Das sind zwei verschiedene Menschen, die nur mit derselben Kultur Probleme haben. Matussek ist der „Bierkastenredner der Rechtsextremen“, sagt die taz. Und ist wiederum nicht zu verwechseln mit Milosz Matuschek, dem Initiator des „Appells für freie Debattenräume“.

Den kenne ich. Der schreibt auch einen Beitrag für dieses Buch.

Sehr gut. Er ist auch auf cancelculture.de verzeichnet.

Delikt?

Einen Text mit dem Titel „Was, wenn am Ende ‚die Covidioten‘ recht haben?“ bei Ken FM veröffentlicht und dann bei der NZZ rausgeflogen.

Falscher Inhalt oder falsches Medium?

Falsches Medium. Also Kontaktschuld. Der Artikel war vorher schon unbeanstandet bei der NZZ erschienen.

Würdest du bei Ken FM veröffentlichen?

Ob ich denen den Gefallen tun würde, mit meinem guten Namen Seriositätspunkte zu sammeln?

Ja.

Ich glaube schon. Das Risiko ist nicht so groß, weil mein Name ja ein Pseudonym ist. Und ich würde mich jetzt auch nicht so richtig ausgenutzt fühlen. Die haben ja Reichweite. Und vielleicht würde ich mit meiner rationalen Argumentation auch den einen oder anderen erreichen, der in Gefahr ist, sich zu sehr irgendwelchen Verschwörungstheorien hinzugeben.

„Eskalationsstufe im Einsatz für Meinungshygiene.“

Übrigens heißt das nicht mehr „Verschwörungstheorien“. Das heißt jetzt „Verschwörungsmythen“.

Wieder was gelernt. Und lass mich raten, warum: Weil es für echte „Theorien“ eine Herabwürdigung wäre, wenn man ihren Namen für unwissenschaftliche Hirngespinste missbraucht.

So ist es. Und wenn man sich die Theorien als Menschen vorstellt, kann man das auch empathisch nachempfinden.

Empathisch oder emphatisch?

Beides. Okay, Themenwechsel: „Corona“ würde man auf der Website bestimmt auch finden, wenn ihr mehr Spenden kriegen würdet und euch eine Suchfunktion leisten könntet?

Allerdings. Die Inzidenz ist erheblich. Am Anfang hatte ich sogar ein bisschen Schiss, dass uns in der Postpandemiezeit die Fälle ausgehen.

Aber dann hast du verstanden, dass es niemals eine Postpandemiezeit geben wird.

Das zum einen. Und dass es neben dem Infragestellen der Lockdownpolitik noch genug andere gefährliche Meinungen gibt, die unterdrückenswert erscheinen. Aber erst mal noch zu Corona: Das war schon interessant, weil es ein ganz neues Thema war. Gab’s ja vorher nicht. Und es war gewissermaßen eine Eskalationsstufe im Einsatz für Meinungshygiene. Bisher konnte man falsche Meinungen angreifen, weil sie vermeintlich zu psychischem Leid führen …

Wenn zum Beispiel eine „Person of Colour“ ihre Blutdrucksenker in einer „Mohren-Apotheke“ kaufen soll.

Zum Beispiel. Oder wenn auf einem Filmplakat nur Männer sind, obwohl auch Frauen in dem Film mitspielen. Oder wenn eine 72-jährige koreanische Restaurantbesitzerin Bibelsprüche an der Wand hat und einer lautet „Einem Mann sollst du nicht beiliegen, wie man einem Weib beiliegt; die Personen, die das tun, sollen ausgetilgt werden aus der Mitte ihres Volkes“ oder so ähnlich, und dann wegen Volksverhetzung angeklagt wird. Oder wenn ein Baggerfahrer auf seinem Bagger einen „Der Fahrer spricht ausschließlich Deutsch“-Aufkleber hat. Oder wenn ein bisexueller Entertainer auf der Bühne Witze über Muslime macht. Oder wenn ein Fotograf in einer Ausstellung ein Porträt von Thilo Sarrazin zeigt. Das sind heutzutage alles kleine Verbrechen. Aber bei Corona ist das noch schlimmer. Da wurden abweichende Meinungen zu einer unmittelbaren Bedrohung für Leib und Leben unbeteiligter Bürger aufgeblasen.

Maskengegner als virale Superspreader im doppelten Sinne.

Genau. Und wenn dann der Präsident der Bundesärztekammer darauf verweist, dass es keine wissenschaftliche Evidenz für den Nutzen einer Maskenpflicht gibt, ist das für Karl Lauterbach „ein Rücktrittsgrund, wenn er das nicht sofort zurücknimmt“. Weil eben die Volksgesundheit auf dem Spiel steht und deshalb alle Volkserzieher mit einer Stimme sprechen müssen. Dann kann so ein Ärztepräsident nicht einfach sagen, was er denkt.

Sondern muss es erst bei den Faktencheckern oder Herrn Lauterbach persönlich freigeben lassen.

Wenn er nicht will, dass Twitter oder Youtube seinen Account sperrt.

Was einem Ärztepräsident genauso passieren kann wie einem US-Präsidenten.

Im Prinzip ja. Laut eigenen Regeln erlaubt YouTube keine Beiträge, „in denen der Nutzen des von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) oder lokalen Gesundheitsbehörden empfohlenen Social Distancing oder der Selbstisolation ausdrücklich infrage gestellt wird und die dazu führen könnten, dass Menschen sich nicht an diese Empfehlungen halten“.

Besprechen wir zum Abschluss noch einen Fall aus der Politik. Kürzlich sind Gesine Schwan und Wolfgang Thierse zu Objekten des Fremdschämens in der eigenen Partei geworden. Und zwar weil Thierse einen Aufsatz über Identitätspolitik in der F.A.Z. veröffentlicht hat. Und dann haben beide irgendwie noch geschwächelt beim korrekten Sprechen über, äh, Dings.

Über LGBTIQA+. Hier habe ich’s: „Wolfgang #Thierse beleidigt Schwarze und Menschen der LGBTIQA+ Community, setzt linken Kampf gegen Rassismus, rechten Rassismus gleich und fordert Meinungsfreiheit für rassistische Praktiken wie Blackfacing“, schreibt Liban Farah.

Der oder die da wäre?

Der da laut Twitterprofil wäre: Kandidat der SPD für das Marburger Stadtparlament, Listenplatz 17.

Okay. Was liegt gegen die Schwan vor?

Die hat in ihrer Funktion als Vorsitzende der SPD-Grundwertekommission bei einer Veranstaltung die FAZ-Feuilletonchefin Sandra Kegel in Schutz genommen, obwohl die einen „queerfeindlichen Kommentar“ zu der #ActOut-Kampagne schwuler und lesbischer Schauspieler veröffentlicht und dann auch noch die Frechheit besessen hatte, ihn als „Ideologiekritik“ zu bezeichnen, womit sie sich „wissentlich oder unwissentlich der Terminologie von Rechtspopulisten bediente“.

Echt jetzt? Weiß doch jeder, dass das Wort „Ideologiekritik“ voll nazi ist. Und so eine darf für die FAZ schreiben?

Außerdem soll eine teilnehmende „nicht-binäre Person“ von Schwan „misgendert“ worden sein. Und hinterher fand sie das auch noch „nicht schlimm“. So von wegen: „Ich kann das nicht wissen.“

Wie tief man fallen kann!

Ja. Wenn man bedenkt, dass die mal Kandidatin für das Amt des Bundespräsidenten war.

Steinmeier würde so was nicht passieren.

Nein, weil Steinmeier weiß, dass Meinungsfreiheit „kein Freibrief für die Verbreitung von rücksichtslosen Beleidigungen und für ungebremsten Hass auf alle, die anders leben, anders denken, anders aussehen, anders lieben“ ist. Und Saskia Esken und Kevin Kühnert wissen das auch. Deshalb haben sie gesagt, dass sie sich für die „mangelnde Sensibilität im Umgang mit den Gäst*innen“ und die „Rechtfertigung im Nachgang“ zutiefst schämen.

Wenn ich mich recht erinnere, ist Thierse aber am Ende als moralischer Sieger aus der Sache gegangen.

Ja, er hat nicht gekuscht, sondern gleich Esken aufgefordert, sie solle ihm sagen, ob er in der Partei noch erwünscht ist, und hat dann enorme Zustimmung selbst aus den Reihen der SPD bekommen. Besonders schön hat es die NZZ formuliert: Zunächst gab es Entrüstung, „doch dann ging ein warmer Regen der Zuneigung auf ihn nieder.“ Das ist Grund zum Optimismus.

Damit wollen wir enden. Besten Dank für das Gespräch.

Gerne.

Dieser Beitrag erschien zuerst bei Novo-Argumente.

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Leserpost

netiquette:

marco stein / 12.10.2021

@ Cornelius Angermann.  Der Hass auf die bösen weißen Männer gründet sich unterschwellig immer auch auf Neid auf deren Erungenschaften. Und Neid ist die ehrlichste Form der Anerkennung. Von den Erungenschaften der bösen weißen Männer zu profitieren und sie gleichzeitig zu verdammen ist schon ziemlich schräg.

Gudrun Meyer / 12.10.2021

@Frances Johnson: Ich schätze S. Lee H.´s Mentalität genauso ein wie Sie und bezweifle nicht, dass sie tatsächlich in einer sehr hässlichen Traditionslinie steht. Aber mit einer “Blutigen Brigitte” vergleiche ich sie nicht, einfach, weil S. Lee H. bisher keine vergleichbaren Verbrechen begangen hat. Dass ich, genau wie Sie, dieser Nazisse durchaus Vergleichbares zutraue, steht auf einem anderen Blatt. Meiner Meinung nach darf man NIEMANDEN vergleichsweise mit Verbrechen assoziieren, die er/sie nicht begangen hat. Im übrigen komme ich genauso wenig wie Sie auf die Idee, S. Lee H. sei irgendwie typisch für Afrikaner oder afrikanischstämmige Europäer. Das Problem ist weniger diese Gestörte an sich, sondern ihr Erfolg unter jungen, grünen Wokisten, die Schuldkulte und eine betonte Unterwürfigkeit wahrscheinlich als dekadente Reize genießen. Das allergrößte Problem ist aber, dass der Wokismus eine nat-soz. Rassenideologie ins Zentrum aller Dinge stellt. Weiße Länder und Noch-Mehrheiten haben längst nicht mehr die Macht, die sie in den 1930-er Jahren noch hatten. Der NS mit seinem Sinn für die jeweiligen Sieger von morgen hat deshalb die “guten” und “bösen” Rassen neu definiert. Abgesehen natürlich davon, dass viele Wokisten sich über die Juden kaum anders äußern als die Nazis. Das meiste, was sie “Israelkritik” nennen, gehört hierhin.

Christoph Kaiser / 12.10.2021

Ich weiß nicht, die meisten sind doch kulturell derart unterbelichtet, da gibt’s nichts zu canceln…........

Christoph Kaiser / 12.10.2021

Der Nuhr hat offenbar seine eigene Weisheit vergessen: “Wenn man keine Ahnung hat, einfach mal die Fr…e halten!”

Markus Viktor / 12.10.2021

Cancel “Culture” hat nichts mit Kultur zu tun, sondern ist Barbarei. Hass und Hetze selbstgerechter verlogener autoritärer und übergriffiger Charaktere. Möge dies alles auf sie zurückfallen.

Theodor Breit / 12.10.2021

@Fred Burig: „Glauben sie wirklich, dass dies auf viele betroffene Bürger zutreffen könnte?... Mit diesem Umkehrschluss, den sie hier provokant in den Raum stellen, würden doch viele gar nichts anfangen wollen.“ Sorry, aber da stellen Sie sich jetzt blind und taub. Das Verkünden von unumstößlichen Wahrheiten erleben Sie doch bereits hier in den Kommentaren. Hier werden in Punkto Corona-Kritik in gleicher Weise unzweifelhafte Wahrheiten verkündet. Und wenn mal jemand in einer Sache eine andere Meinung hat, dann wird er gleich als Umfaller und Verräter gebrandmarkt und verteufelt, wie in diesem Falle Nuhr. Einfach mal hier nachlesen, und vielleicht auch mal den Begriff >Pluralismus< goggeln./ „Ich denke, die meisten wollen nur einfach in Ruhe gelassen werden und zufrieden leben.“ Das war sicherlich früher so. Mittlerweile sind fast ALLE in dieser Gesellschaft aufgestachelt und „verhetzt“. Viele Corona-Kritiker schießen längst mit den gleichen unfairen und intoleranten „Waffen“.//Zugegeben nervt mich Nuhr’s AFD-Bashing auch oft. Nicht weil ich AFDler bin, sondern weil ich dies sowieso ständig in den ÖR + Medien anhören muss. Nuhr hört sich da „ideologisch gezeichnet“ an. Es ist aber einfach nur ein äußerst cleverer Schachzug, um erstens dem Vorwurf der Einseitigkeit zu entgehen, und zweitens nicht von ultrarechten Nicht-Demokraten eingespannt und instrumentalisiert zu werden. Das ist brillant. Dadurch ist er in der Lage, in seiner Sendung zu ca. 80% massive Kritik an links-grünen Auswüchsen zu üben. Und die geht oft unter die Gürtellinie. Sicherlich ist Nuhr nichts für Ideologen, die einseitige und ideologische Plattitüden auf dem Tablett serviert bekommen wollen. Einigen ist Nuhr einfach zu hoch, zu komplex und zu ironisch. Die merken noch nicht einmal, dass der Ausspruch “Auch ich muss essen.” eine Verarsche gewesen ist. Wo hat Nuhr eine 180° Drehung vollzogen?// Frage: Hat man Sie auch mit Geld dazu gezwungen, ihrem Chef/Kunden niemals Arschloch zu nennen? ;-)

Harald Unger / 12.10.2021

“Dass heute Leute, die sich selbst links nennen, glauben, sie würden mit Zensur und der Unterdrückung unliebsamer Meinungen für die Demokratie kämpfen, ist schon ziemlich grotesk.” - - - Ganz langsam dämmert es vereinzelten Linken, wem sie mit den Methoden der Zurichtung > CancelGenderInvasionKlimaRassismusVirus zuarbeiten: Der reaktionärsten Politik, zu der Menschen fähig sind. Dem sich mit linker Sprache und Methodik kostümierenden Global-Marxistischen-Neuen-Feudal-Absolutismus der Allesbesitzer. Angeführt von den strategischen Partnern Sundar Pichai & Xi Kingpin.

Sirius Bellt / 12.10.2021

@Gudrun Meyer. Die Lösung könnte ein neuer Aufkleber sein. “Der Fahrer ist mehrsprachig. Er spricht DEUTSCH - leise und laut.”

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