Matthias Heitmann, Gastautor / 09.06.2017 / 13:17 / 10 / Seite ausdrucken

Der WochenWahnsinn: „I am Millwall!“ statt „Je suis Charlie“!

In ihrer Radio-Kolumne „Der WochenWahnsinn“ gehen Achse-Autor Matthias Heitmann und Antenne Frankfurt-Moderator Tim Lauth jede Woche auf Zeitgeisterjagd. Seit Jahresbeginn ist der WochenWahnsinn nun auch auf der Achse zu hören und zu lesen. In dieser Woche diskutieren Antenne-Frankfurt-Moderator Tim Lauth und Zeitgeisterjäger Matthias Heitmann über den Londoner Fußballfan Ray Larner und was die westliche Welt für ihren Umgang mit dem islamistischen Terrorismus von ihm lernen könnte. Zum Anhören geht es hier entlang.

Tim Lauth: Es ist wieder Zeit für die Zeitgeisterjagd im WochenWahnsinn. Mein Name ist Tim Lauth, und ich rede auch heute wieder mit dem Mann, der das Hardcoverbuch und E-Book Zeitgeisterjagd geschrieben hat, Matthias Heitmann. Matthias, ehrlich gesagt will ich nicht schon wieder mit Dir über irgendwelche Terroranschläge reden. Es mag krass klingen, aber diese Art von Wahnsinn langweilt.

Matthias Heitmann: Das stimmt, Tim, ich kann Dich da gut verstehen. Es gibt auch über den Terror nichts Neues zu berichten, solange wir ihm nicht die Stirn bieten, und zwar richtig: nicht in Form von Bomben auf Syrien oder mehr staatlicher Kontrolle im Internet, sondern durch Widerstand von einfachen Leuten, von uns. Und hier haben wir in den letzten Tagen doch vielleicht eine kleine Veränderung erlebt…

Lauth: Inwiefern, was gibt es Neues?

Heitmann: Bei den jüngsten Anschlägen in London wurde das erste Mal ein wenig prominenter darüber berichtet, dass sich Leute gegen die Angreifer gewehrt haben. Am bekanntesten wurde dadurch ein Herr namens Roy Larner.

Lauth: Ok, das klingt interessant, erzähl‘ uns die Geschichte, Matthias.

Heitmann: Larner saß mit einem Kumpel in einer Kneipe, als er die Terroristen hörte, als sie riefen „Das ist für Allah“. Er ist aufgesprungen, auf die Attentäter zugelaufen und hat gerufen: „Fuck you, I am Millwall!“ Zur Erklärung: Der FC Millwall ist ein drittklassiger Londoner Fußballverein, aber mit einer verschworenen und auch durchaus robusten Working-Class-Anhängerschaft. Ihr Ruf lautet: „You don’t like us, and we don‘t fucking care!“ „Ihr mögt uns nicht, und das ist uns scheißegal!“ Jedenfalls hat sich Larner unbewaffnet den drei bewaffneten Terroristen entgegengestellt und somit zahlreichen Passanten die Flucht ermöglicht. Er selbst wurde dabei schwer verletzt, ist aber auf dem Weg der Besserung. Und nicht zu Unrecht wird er von einigen als Held gefeiert.

Lauth: Okay, ein wirklich mutiger Mann. Aber denkst Du wirklich, dass wir so das Terrorismusproblem in den Griff bekommen?

Heitmann: Natürlich nicht dadurch, dass wir uns Attentätern mit bloßen Fäusten entgegenstellen. Mir geht es eher um den Spirit, den dieser Mann hatte. Er hatte den Mut, sich diesen Barbaren entgegenzustellen, der hat sich nicht unter dem Tisch verkrochen und um Gnade gewinselt, sondern er hat Leute in seiner Kneipe verteidigt und er hat dafür sein Leben riskiert. Sein Ruf „Fuck you, I am Millwall!“ ist für mich so etwas wie ein Weckruf. Und Millwall steht hier für die Robustheit gerade der ganz normalen, sogenannten „kleinen Leute“. Deren Leben ist hart genug, die brauchen so ne Scheiße einfach nicht. Diese Robustheit als Grundlage zu nehmen, um mit Terror anders umzugehen, wäre ein wichtiger Schritt: „Ihr hasst uns? Das ist uns scheißegal, denn wir leben unser Leben und wir verteidigen es gegen Euch Loser!“

Lauth: Du sagst jetzt also als Eintracht-Fan: „I am Millwall“ anstelle von „Je suis Charlie“?

Heitmann: Absolut! I am Millwall! Bei „Je suis Charlie“ ging es zumeist um persönliche Betroffenheit. „I am Millwall“ steht dafür, dass man für andere und für das einsteht, woran man glaubt. Mit so einer Haltung kommen wir als Gesellschaft wesentlich weiter als mit unserer Opfer- und Schuldkultur.

Das komplette Archiv des „WochenWahnsinns“ befindet sich hier.

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Leserpost

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JF Lupus / 09.06.2017

Da der Staat in Form der derzeitigen Regierung seiner Aufgabe, seine Bürger zu schützen, nicht nachkommt, sondern im Gegenteil die Anhänger der hasserfüllten, menschenverachtenden Ideologie zu Massen ins Land lässt, unkontrolliert, umregistriert, da der Staat seine Bürger alleine lässt, ist Selbstschutz legitim. Ich würde nicht eine Sekunde zögern, gegen Terroristen alle verfügbaren Waffen einzusetzen und dabei auch den Tod des Angreifers in Kauf zu nehmen.

Heike Törmer / 09.06.2017

Habe von dem mutigen Mann gehört.Hut ab,aber,unbewaffnet muß man sich und sollte sich nicht entgegenstellen,aus der Kneipe nen Stuhl mitnehmen und ne volle Flasche,gibt genug,um direkt anzugreifen.Bin eine Frau,habe als ehemalige Wirtin schon sowas erlebt,wurde bedroht und die männlichen Gäste drehten verschämt weg,statt mich abzuschotten.Hatte die Liter Flasche Wein schon im Anschlag.Der Angreifer zog den Schw.. ein.Dachte danach nur,Memmentum ist rangezüchtet.Man kann zur Löwin werden,um seine Jungen zu verteidigen,man sollte aber das angezüchtete ” Darf ich nicht” ablegen.Wünsche Ray gute Genesung.

Leo Hohensee / 09.06.2017

Sehr geehrter Herr Heitmann -„I am Millwall“ steht dafür, dass man für andere und für das einsteht, woran man glaubt – so ist Ihre Schlussfolgerung aus dem Berichteten. Ich fände es eine tolle Sache wenn man – schlicht – dem Ruf „das ist für Allah“ den Terroristen solch ein Synonym entgegen gerufen könnte. In Frankreich, Deutschland, Holland oder sonstwo – einfach so als Vokabel. Mit dem Sinn einer Entgegnung, „wir sind FÜR unser Leben hier, die 77 JUNGFRAUEN (?) im Fall eures Märtyrertodes interessieren uns nicht“. Sie berichten aber, dass Lauth sagt, als Eintracht Fan könne man ja zukünftig rufen „I am Millwall anstelle von „je suis Charlie“ und anstelle davon, sich gnadewinselnd unter einem Tisch zu verkriechen. Richtig und gleichzeitig völlig falsch! Ich war nie Charlie hebdo ! Und andererseits finde ich es geradezu selbstverständlich, ein gewisses Maß an Respekt meinem „Gegenüber“ oder dem Gegenstand meines Berichtes entgegen zu erbringen. Sei es gegenüber dem anderen Geschlecht, gegenüber dem anderen Alter, dem anderen Glauben und gegenüber einer anderen Auffassung und Lebensart. Das habe ich bei Charlie vermisst, dass habe ich bei Böhmermann vermisst und das habe ich bei Deniz Yücel vermisst, der Deutschland immer wieder verächtlich gemacht hat. Also einerseits ein richtiger Gedanke, wir schreien Terroristen entgegen „I am Millwall“ und gehen selbstlos das Risiko für das eigene Leben ein. Andererseits - warum lassen wir diejenigen, die uns diese enormen Risiken produzieren – nämlich und an erster Stelle unsere Kanzlerin -  so ungeschoren? Sie hat geschworen: “Ich schwöre, dass ich meine Kraft dem Wohle des deutschen Volkes widmen, seinen Nutzen mehren, Schaden von ihm wenden, das Grundgesetz und die Gesetze des Bundes wahren und verteidigen, meine Pflichten gewissenhaft erfüllen und Gerechtigkeit gegen jedermann üben werde. So wahr mir Gott helfe.” Da stimmt etwas nicht ?! Irgendwo sind da Schlaftabletten im Spiel. Beste Grüße L.H.

Elmar Schlürscheid / 09.06.2017

“I am Millwall too!” Lasst sie mal kommen. Und wer noch Hilfe braucht sollte sich die Fernsehserie “Lillyhammer” ansehen. Dort wird genauestens die Herstellung und Anwendung des “Millwall-Bricks” erklärt.

Chris Lock / 09.06.2017

Diese Story ist klasse! Und sie ist zugleich eine Antwort zu einem anderen Beitrag auf achgut.com, der sich mit der “toxischen Männlichkeit” beschäftigt. Manchmal ist die halt auch für etwas gut.

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