Matthias Heitmann, Gastautor / 18.03.2017 / 13:30 / 2 / Seite ausdrucken

Der WochenWahnsinn: De Nederlandse middelvinger!

In ihrer Radio-Kolumne „Der WochenWahnsinn“ gehen Achse-Autor Matthias Heitmann und Antenne Frankfurt-Moderator Tim Lauth jede Woche auf Zeitgeisterjagd. Seit Kurzem ist der WochenWahnsinn nun auch auf der Achse zu hören und zu lesen.

Diese Woche widmen sich die beiden den Wahlen in den Niederlanden. Zum Anhören geht es hier entlang.

Tim Lauth: Nach der Aufregung der letzten Wochen scheint es, als ob Europa gerade tief durchatmet. Unsere Nachbarn, die Niederländer haben entgegen dem Trend nicht die rechtspopulistische Partei von Geert Wilders zur stärksten Partei gewählt, sondern die Partei des amtierenden Regierungschef Mark Rutte. Bist Du auch erleichtert, Matthias?

Matthias Heitmann: Mir hat auf jeden Fall gefallen, dass die niederländischen Wähler ihre aktuelle Regierung abgestraft haben, ohne dabei die Pseudo-Alternative von Geert Wilders besonders aufgewertet zu haben. Die Leute haben sich dieses „Entweder Pro-EU oder Rechts“ nicht aufzwingen lassen. Die Wahl war eben kein Volksentscheid, bei dem es nur Ja oder Nein gibt, sie war eine Parlamentswahl, bei der es mehrere Wahlmöglichkeiten und auch Abwägungen gibt. Insofern war das Votum der Wähler großes demokratisches Kino.

Lauth: Wie meinst Du das genau, Matthias? Alle reden doch davon, dass dies ein Sieg Europas war. Heitmann: Und Du sagst jetzt, die Wähler haben ihre Regierung abgestraft…?

In den letzten Monaten ist in ganz Europa eine fast schon paranoide Angst vor rechtspopulistischen Parteien geschürt worden. Und klar, wenn man die Zukunft tiefschwarz malt, dann erscheint es wie ein Sieg, wenn der totale Untergang ausbleibt. Dieses ständige Polarisieren verzerrt den Blick auf die Wirklichkeit: Denn tatsächlich hat die regierende Koalition in Den Haag die Hälfte ihrer Parlamentssitze verloren – ohne die Wahlkampfhilfe von Herrn Erdogan wäre es sicher noch schlimmer gekommen! Und so haben wir die absurde Situation, dass der niederländische Ministerpräsident die Verschrottung seiner bisherigen Regierung als Sieg über das Böse feiert und Herrn Erdogan dafür Dank schuldet.

Lauth: Aber wer hat denn nun Deiner Meinung nach die Wahlen gewonnen?

Heitmann: Weder Rutte noch Wilders. Gewonnen haben die Bürger der Niederlande. Sie sollten vor die große Wahl zwischen Gut und Böse gestellt werden, und sie haben sich dem entzogen und beiden Seiten den Nederlandse middelvinger gezeigt. Man muss sich nicht auf das Schwarz-Weiß-Denken einlassen, das uns sowohl von der etablierten Politik als auch von der bornierten Antipolitik vorgesetzt wird. Die Unzufriedenheit mit dem Establishment und auch mit der EU ist eben nicht gleichbedeutend mit einer rückwärtsgewandten, nationalistischen oder fremdenfeindlichen Gesinnung. Diese Lehre wird in Deutschland weder den etablierten Parteien gefallen noch der AfD.

Lauth: Ok, und welche Lehre sollte die Eintracht aus ihrem letzten Auftritt ziehen?

Heitmann: Interessanterweise eine ganz ähnliche: Selbst bei Fußballspielen ist nicht immer ganz klar, wer am Ende von einem Ergebnis mehr profitiert. Die Bayern haben das Spiel zwar gewonnen, aber wenn die Eintracht die richtigen Schlussfolgerungen aus der eigenen guten Leistung zieht, dann ist sie die eigentliche Siegerin. Manchmal stößt man auch in einer Niederlage den Bock um.

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Volker Kleinophorst / 19.03.2017

Also der Satz in dem auch sonst sehr dünnen Gerede stößt mir auf: “Die Unzufriedenheit mit dem Establishment und auch mit der EU ist eben nicht gleichbedeutend mit einer rückwärtsgewandten, nationalistischen oder fremdenfeindlichen Gesinnung.” Das ist genau die selbstgefällige Propaganda, die ich Dicke habe. Grundaussage ist nämlich: Wer für den Erhalt von Nationalstaaten ist, muss selbstredend rückwärtsgewandt (Was immer Nazi heißt und nie Stalin komischerweise. Vorwärts immer, rückwärts nimmer.) und fremdenfeindlich sein. Denn Fremde sind ja immer toll, wie Gold. Jeder Fremde ist bereits ein Wert an sich. Menschen nicht zu mögen, mag angehen. Aber müssen schon Landsleute sein, doch keine Fremden. PS.: Wenn Wilders so unterirdisch ist, dann ist es doch mehr als unverständlich, dass Rutte mit “Wilders-Parolen” gepunktet hat. Ich finde es viel schlimmer, dass so viele immer noch nicht begriffen haben, was in der EU passiert und wer uns da für dumm verkauft. Aber wer meint die Eintracht wäre gestern der wahre Siger gewesen, der trinkt doch eh schon vor dem Frühstück. ;)

Th.F. Brommelcamp / 19.03.2017

Richtig!Gewonnen hat keiner der Niederländer. Außer vielleicht die, die so weiter machen wollen wie bisher. Rutte, nachdem er kurz rechts den Wilders wahltaktisch überholt hat, kann wieder zurück ins gewohnte. Moslems können weitermachen. Kleinbürgerliche können stolz auf sich sein, nicht das Grundböse gewählt zu haben….. Alles wie gehabt. Wahl-Demenz!

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